Wandern zwischen Burgen, Klöstern und Weinbergen

Das Rheintal. 
Das Rheintal.  Foto: Sarah Kern

Deutschland Rheingau und Rheinhessen bezaubern mit Natur und Kultur, eine Reportage von Sarah Kern.

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Früher war das so: Berge, Seen, Meere und Flüsse bildeten natürliche Grenzen. Und auch der Rhein bildete eine solche natürliche Grenze. Vor allem zwischen Deutschland und Frankreich war der 1233 Kilometer lange Strom immer wieder umkämpft. Diesen Konkurrenzkampf gibt es auch heute noch, zwei Regionen fechten ihn auf liebevolle Art und Weise aus: die beiden Weinanbaugebiete Rheinhessen und der Rheingau, also das linksrheinische Rheinhessen auf der rheinland-pfälzischen Seite am nordwestlichen Ende des Oberrheingrabens und der rechtsrheinische Rheingau auf der hessischen Seite, genau gegenüber liegend.

Kein Wunder, das romantische Rheintal gehört mit zu dem Schönsten, was Deutschland an Naturkulisse zu bieten hat, das fiel schon Goethe auf. Dass es sich tatsächlich um einen regionalen Wettkampf handelt, wird spätestens dann klar, wenn die Regionen zu einer gemeinsamen Reise einladen.

Das Fazit vorweg: Ein Traum liegt direkt vor unserer Haustür. Aber der Reihe nach. Wir starten in Rheinhessen am Bismarckturm in Ingelheim zu einer Wanderung auf einem der Prädikatswanderwege der Hiwweltouren (Hügeltouren). 10,3 Kilometer lang in Richtung des bekannten Weinortes Appenheim, vorbei an gelb leuchtenden Rapsfeldern und durch sanft geschwungene Weinberge hindurch. Wir treffen auf eine Wandergruppe. Sechs Männer. „Wir sind Arbeitskollegen und treffen uns jedes Jahr zum Wandern“, erzählen sie. Mit Nahewein in der Hand. Das ist im größten Weinanbaugebiet Deutschlands, das gleichzeitig ein Paradies für Rieslingfans darstellt, vielleicht ein kleiner Fauxpas, wird der netten Gesellschaft, die uns auch Wein anbietet, aber schnell verziehen.

Zehn Kilometer sind auch schneller gewandert als gedacht, zur Erholung und Weinverköstigung schauen wir in der Vinothek des Weinguts Wasem vorbei. Wein spielt in Rheinhessen, dem größten zusammenhängenden Weinanbaugebiet Deutschlands, eben eine dominierende Rolle. Viele junge innovative Winzerinnen und Winzer sind hier am Werk, berichtet Christian Halbig von Rheinhessen-Touristik. Einen der jungen Winzer besuchen wir zwar nicht, dafür aber das bezaubernde Bingen. In Bingen, wo die Nahe in den Rhein fließt, setzen wir mit der Fähre über die natürliche Grenze, den Rhein, über in den Rheingau. Assmanshausen heißt der wunderbare Ort, wo wir ankommen. Wir klettern durch steile Weinberge hindurch nach ganz oben auf den Assmanshauser Höllenberg und haben einen herrlichen Ausblick ins malerische Rheintal. In der Ferne kann man Burgen und Schlössern zuwinken oder dabei zusehen, wie der Rhein sanftgrün schimmert.

In der Rotweinlaube hoch über dem Rhein stärken wir uns mit Köstlichkeiten aus der Region – natürlich mit Wein aus dem Rheingau, mit Wurst und Käse. Das alles schmeckt nach einem anstrengenden Aufstieg in die Weinberge gleich dreimal so gut. Während sich Rheinhessen gegenüber eher mit einer sanft hügeligen Kulisse präsentiert, zurückhaltend, unprätentiös gar, ist der wesentlich kleinere Rheingau die überraschend abwechslungsreichere Region – was nicht heißt, dass sie schöner daherkommt, dafür aber aspektereicher. Eine traumhafte Aussicht an den Weinbergshängen über das Weltkulturerbe Mittelrheintal einerseits, malerische Dörfer, Schlösser und Kloster andererseits.

Wir wandern durch den Niederwald zum Niederwalddenkmal, der Germania, die stolz über Rüdesheim thront und seit 2002 Teil des Unesco-Welterbes Oberes Mittelrheintal ist. Die Germania wurde anlässlich der Gründung des Deutschen Kaiserreichs nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 gebaut. Dort sind heute Japaner, Italiener und Engländer unterwegs. Weiter geht's zur Abtei St. Hildegard, ein Benediktinerinnenkloster in Eibingen bei Rüdesheim im Bistum Limburg. Ein Ort voller Ruhe und Behaglichkeit. Gefolgt vom Kloster Eberbach in Eltville, das heute eher eine besondere Eventlocation mit Übernachtungsmöglichkeit darstellt als einen Ort der Besinnung. Spielt keine Rolle, toller Wein wird hier angebaut, auf einer Fläche von 220 Hektar.

Verlieben kann man sich auf dem Johannisberg in das Schloss Johannisberg, der ältesten Rieslingdomäne der Welt. Im Weinkeller dort haben schon Prinz Charles und seine Mutter Wein verköstigt. Und ebenso kann man sich auf der Stelle in das malerische Schloss Vollrads im ebenso malerischen Oestrich-Winkel verlieben. Empfehlung: Unbedingt die beiden Regionen – Rheinhessen und den Rheingau – gemeinsam erleben, wandern und Wein trinken und dabei verstehen, warum die Rheinregion eine besonders umkämpfte (gewesen) ist.