Die bitteren Früchte der Anden: Beste Kakaobohnen kommen aus Ecuador

Von Stefan Hantzschmann
Santiago Peralta war einer der ersten Unternehmer in Ecuador, die nicht nur Kakao anbauen, sondern Schokolade produzieren. Inzwischen kommen einige der besten Bitterschokoladen aus dem Andenland.
Santiago Peralta war einer der ersten Unternehmer in Ecuador, die nicht nur Kakao anbauen, sondern Schokolade produzieren. Inzwischen kommen einige der besten Bitterschokoladen aus dem Andenland. Foto: Pacari

Santiago Peralta redet sich in Rage. Es geht um den Kakaoanbau in Ecuador, die Bezahlung der Kakaobauern und den Export der Bohnen nach Europa. Glaubt man Peralta, geht es auch um die Folgen des Kolonialismus – um Neokolonialismus, wie er es nennt. „Es ist moderne Sklaverei!“, schimpft er. Er hebt dabei die Stimme und macht klar, dass ein so offensichtlicher Umstand keinen Widerspruch zulässt. „Wir haben in Ecuador die besten Kakaobohnen der Welt, und die Bauern haben nichts als einen Hungerlohn davon.“

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Peralta war einer der ersten Unternehmer, die in Ecuador Schokolade herstellen. Ein Quereinsteiger, der binnen weniger Jahre einige der besten Bitterschokoladen der Welt kreierte. Jahrzehntelang kamen zwar die edelsten Kakaobohnen der Welt aus dem Andenland, doch die besten Schokoladen wurden von europäischen Firmen produziert. Während der Rohstoff meist günstig an die alte Welt verkauft wurde, ist die Marge beim Verkauf der fertigen Schokotafeln an den Verbraucher deutlich größer. Das große Geld machten nicht Ecuadors Bauern, sondern Chocolatiers in Belgien, der Schweiz und Deutschland.

„Wir haben das gestoppt“, sagt Peralta – nun ruhig und trocken. Der 47-Jährige trägt schmal zulaufende Jeans, schwarze Turnschuhe und ein kariertes Hemd. Seine braunen Haare hat er inakkurat nach hinten gekämmt. Als er vor 15 Jahren begann, Schokolade herzustellen, hat er den Kakaobauern, die ihn belieferten, nach eigenen Worten sofort das Doppelte gezahlt. Außerdem organisierte Peralta Schulungen für den biologischen Anbau und erklärte ihnen sein Konzept. Er wollte, dass die Landwirte auch ältere Kakaosorten erhalten, die weniger Erträge liefern oder mehr Aufmerksamkeit benötigen. „Wissen Sie, was passiert ist, als ich den Bauern mehr zahlte? Sie haben die alten Kakaosorten von allein erhalten. Denn diese Menschen lieben ihre Bäume, und wenn sie können, kümmern sie sich auch um die weniger ertragreichen Pflanzen.“

Verena und Henry bauen Kaffee an.
Verena und Henry bauen Kaffee an.
Foto: Stefan Hantzschmann
Peralta war von Anfang an klar, dass er mit Massenware nicht wird punkten können. Dieser Markt war dicht. Er musste auf Qualität setzen. Auf den Schachteln seiner Schokoladen stehen mehrere Biolabels – je nachdem, für welches Land sie bestimmt sind auch unterschiedliche. Unter anderem ist Pacari von Demeter zertifiziert. Dieses Logo steht für biologisch-dynamischen Anbau und gilt als eines mit den härtesten Richtlinien.

Als Schüler war Peralta für ein paar Monate in Deutschland bei einer hessischen Gastfamilie. „Ich fand es beeindruckend, wie wichtig Themen wie Umweltschutz und Mülltrennung für die Deutschen waren“, sagt er. Damals erfuhr er auch zum ersten Mal von biologisch-dynamischer Landwirtschaft, bei der die Produzenten auf besonders strenge Bioregeln und kosmische Einflüsse achten. Kritiker nennen die biodynamische Landwirtschaft esoterisch, Fans bezeichnen sie als innovativ. In Europa gibt es einige Winzer, die mit Weinen aus biodynamischer Landwirtschaft sehr erfolgreich sind. Santiago Peralta ist selbst ein großer Weinliebhaber. Seine Schokoladen verkostet er wie Weine. Seine Kreationen riechen nach Heu oder frisch geschnittenem Gras, nach Asche oder Limette. Der Geruch spielt bei Pacari-Schokoladen eine große Rolle; es gibt Dutzende Sorten. Chilli, Salz, Maracuja und Kaffee gehören zu den gewöhnlicheren Geschmacksrichtungen. Unüblicher sind da schon die Tafeln, die eine Lagenbezeichnung bekommen wie Esmeraldas, Manabi oder Piura Quemazón. „Wir wollen für Schokolade den Terroirgedanken etablieren“, sagt Peralta. Es gehe darum zu erkennen, wie eine Schokolade schmecken muss, die aus einer bestimmten Kakaosorte auf einem ganz bestimmten Boden unter bestimmten klimatischen Bedingungen entsteht.

Lagenschokolade wie beim Wein

Am Ende soll es möglich sein, diese Faktoren herauszuschmecken. Günstig ist das nicht. 50 Gramm Pacari-Schokolade kosten zwischen 5 und 50 Euro. Immerhin: Das Geld bleibt in Ecuador. Und inzwischen gibt es mehrere Schokoladenhersteller im Land der Kakaobohne, die es Peralta gleichtun. Auch im Tourismussegment gewinnt das Thema an Fahrt. In der Hauptstadt Quito betreiben etliche Produzenten Geschäfte, in denen Touristen erklärt wird, wie aus einer Kakaobohne eine Tafel Schokolade wird. Agenturen bieten sogar Reisen in die Anbaugebiete an.

Einen ähnlichen Trend gibt es beim Thema Kaffee. Verena und Henry Gaibor erklären Touristen im Andenland den Kaffeeanbau – inmitten der Bergnebelwälder, zwei Autostunden von Quito entfernt. Die Landschaft haut einen um: Morgens hängen die Wolken in den Bergen; die Luft ist schwanger mit Wassertröpfchen, und die dichten Wälder bilden einen Übergang zum tropischen Dschungel in tiefer gelegenen Gebieten.

Arabica aus den Nebelwäldern

Sie: eine Blondine aus der Schweiz, blaue Augen, rote Brille, verträumter Gang in rosa Schlürfschuhen, er: Temperament, dunkle Haut, schwarze Augen, skeptischer Blick bei lässiger Ansprache. Sie lernten sich vor fast 20 Jahren kennen, in Burundi, östliches Afrika. Beide arbeiteten damals bei Ärzte ohne Grenzen – sie war Hebamme, er war Arzt. Als Henry in seine Heimat Ecuador zurückkehrte, blieb Verena bei ihm. Zunächst führten sie eine private Klinik, und irgendwann verliebten sie sich ein zweites Mal – in die Finca Maputo und in die Bergnebelwälder von Nanegal.

Hier bauen sie heute ausschließlich Arabica-Kaffee an – die Diva unter den Kaffeesorten. Denn Arabica wächst gut nur in Höhen zwischen 900 und 2000 Metern, mag es aber trotzdem warm und feucht. Henry und Verena ernten hier das ganze Jahr über – Jahreszeiten gibt es in dieser Gegend so nahe am Äquator nicht, weshalb die Pflanzen das ganze Jahr über wachsen, blühen und Früchte tragen.

Verena und Henry waren wie Santiago Peralta Quereinsteiger. „Wir hatten keine Ahnung, machten so viele Fehler“, erinnert sich Verena. Vier Jahre brauchten sie bis zur ersten Ernte. Inzwischen produziert das Paar rund 15 Tonnen Bohnen pro Jahr. Ihr Kaffee steht in Schweizer Röstereien für 18 Franken die 250-Gramm-Packung (16,50 Euro) und wird in Kaffeeläden in Prag degustiert. Auf Anhieb landeten sie bei dem ecuadorianischen Kaffeewettbewerb „Tassa dorada“ auf dem dritten Platz. Dabei ist Nanegal noch nicht einmal ein typisches Kaffeeanbaugebiet.

Von unserem Redakteur Stefan Hantzschmann