Fasten: Gesund durch Verzicht

Von Nicole Mieding
Fasten: Gesund durch Verzicht Foto: picture alliance

Zu Beginn der Fastenzeit üben sich viele Menschen in Verzicht – nach Festtagsschlemmereien und karnevalistischem Über-die-Stränge-Schlagen ist Enthaltsamkeit angesagt. Nahrungsverzicht wirkt aber nicht nur beim Kampf gegen überflüssige Pfunde. Fasten wirkt sich ganz allgemein positiv auf unsere Gesundheit aus. Es hilft uns dabei, unsere Selbstheilungskräfte zu mobilisieren.

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Ist es eine gute Idee, ganz aufs Essen zu verzichten?

Absolut, sagt Prof. Dr. Andreas Michalsen, Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde an der Berliner Charité. Wir essen in der Regel zu viel und zu oft, auf Essen zu verzichten, ist biologisch und medizinisch betrachtet daher erst einmal gut, erklärt der Fastenexperte.

Gibt es Studien, die den positiven Effekt des Fastens belegen?

Studien unter Laborbedingungen bestehen vor allem in Zell- und Tierversuchen. „Hier wurde in den vergangenen zehn Jahren fast lückenlos geklärt, dass alle lebenden Organismen für ihre Gesundheit und Lebensdauer profitieren, wenn sie in irgendeiner Form weniger oder nicht so oft essen“, erklärt Prof. Michalsen. Beobachtungsstudien mit Menschen oder Völkern, die aus religiösen oder kulturellen Gründen Fastenrituale praktizieren, haben gezeigt, dass Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Herzinfarkt und bestimmte Krebsarten seltener auftreten.

Welche Krankheiten lassen sich durch Fasten positiv beeinflussen?

Vor allem solche, die durch falsche Ernährung und einen ungesunden Lebensstil begünstigt werden – allen voran die sogenannten Volkskrankheiten Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch das Auftreten bestimmter Krebsarten (Prostata-, Darm-, Bauchspeicheldrüsenkrebs) und sogar Demenz hängt von unserer Ernährung ab, betont Fastenarzt Michalsen. „Im Umkehrschluss könnte es sein, dass solche Erkrankungen vorbeugbar oder, sofern sie bereits da sind, besser beherrschbar sind, wenn man in irgendeiner Form fastet.“

Es gibt unzählige Fastenmethoden: Sind die alle gleich gut?

Humbug ist, Fasten mit irgendwelchen Zusätzen zu kombinieren wie etwa Schüssler-Salze oder Diätpulver, sagt Prof. Michalsen. „Es geht wirklich nur um das Weglassen von Nahrung“, betont der Experte. Dabei scheint es weniger eine Rolle zu spielen, ob man für einen längeren Zeitraum auf Nahrung verzichtet (Heilfasten) oder intermittierend fastet, also die Nahrungszufuhr in regelmäßigen Intervallen unterbricht. „Es sieht so aus, als ob die Methode eine untergeordnete Rolle spielt. Wichtig ist, dass man einen Rhythmus findet, der sich gut in den eigenen Alltag einbauen lässt“, rät der Experte. Der Nahrungsverzicht sollte sich in einer gewissen Regelmäßigkeit wiederholen.

Wie funktioniert intermittierendes Fasten?

Für das unterbrechende Fasten gibt es verschiedene Modelle. Beim 5:2-Fasten isst man fünf Tage uneingeschränkt, an zwei Tagen in der Woche ist die Kalorienzahl auf 500 bis 600 Kalorien reduziert, zwischen den Mahlzeiten sollten mindestens 4 Stunden Pause liegen. Eine strengere Variante lässt auf einen Tag normalen Essens einen Fastentag folgen. Einfacher zu handhaben ist das Intervallfasten, bei dem man dem Körper 14 bis 18 Stunden Ruhe gönnt und das Essen auf ein Zeitfenster von 6 bis 8 Stunden beschränkt. Wer das Abendessen streicht oder früh zu Abend isst und morgens später frühstückt, schafft das leicht. Als Faustregel gilt: Lieber weniger Mahlzeiten als viele. Die Essenspausen sollte man strikt einhalten, dazu gehört auch, auf Alkohol oder kalorienhaltige Getränke zu verzichten. Während der Essenszeiten darf nach Lust und Laune geschlemmt werden. „Allerdings muss man mit sich absolut ehrlich sein und die Kalorienzufuhr in den Essenspausen auch wirklich auf Null setzen“, warnt der Mediziner und Fastenexperte.

Wie wirkt sich Nahrungsverzicht auf den Körper aus?

Verdauen ist für den Körper ein sehr anstrengender Vorgang. Der Prozess führt zu einer Art innerer Entzündung, weil der Körper sich mit einem Fremdkörper, zum Beispiel einem fremden Eiweiß, auseinandersetzen muss. Dieser Prozess bindet alle Kräfte in der Zelle und verhindert, dass sie zur gleichen Zeit ihr Aufräumprogramm abspult. Aus diesem Grund sollte man die Nahrungszufuhr möglichst zeitlich konzentrieren, damit der Körper in den Phasen außerhalb seine Selbstreparatur- und Zellreinigungsprozesse (Autophagie) ablaufen lassen kann.

Welche Methode eignet sich zum Abnehmen?

Wer Gewicht verlieren will, dem empfiehlt Prof. Michalsen das Intervallfasten. „Heilfasten hat oft zur Folge, dass die Menschen zwar in kurzer Zeit viel abnehmen, sich danach aber auch so aufs Essen freuen, dass die Kilos schnell wieder drauf sind“, weiß der Fastenarzt aus Erfahrung. Studien belegen, dass Intervallfasten bei Übergewichtigen zu langfristigem Gesichtsverlust führt. Normalgewichtige laufen dagegen nicht Gefahr, untergewichtig zu werden.

Wenn man die Pausen zwischen den Mahlzeiten beachtet, kommt es also nicht auf deren Inhalt an?

Fasten bedeutet, Häufigkeit und Inhalt der Nahrungszufuhr zu kontrollieren. Das Reduzieren der Frequenz hat sich als eindeutig wirksam erwiesen. „Wenn man Pommes, Currywurst und Schwarzwälder Kirschtorte isst, ist es gesünder, sie auf einen Haufen zu essen als über den ganzen Tag verteilt“, resümiert Prof. Michalsen. „Natürlich ist es aber viel gesünder, sich gemüsereich und vegetarisch zu ernähren.“

Statt Heilfasten ist heute „Entgiften“ (Detox) angesagt. Was taugt der Hollywood-Trend?

Da wird einiges durcheinandergeworfen, warnt Michalsen. Smoothies mit Ingwer und Kurkuma als Entgiftungskur zu verkaufen, hält er für reines Marketing. „Diese Gewürze beschleunigen den enzymatischen Abbau gewisser Stoffwechselprodukten in der Leber. Welche Mengen man dafür braucht, ist völlig unklar“, sagt er. Fest steht dagegen: Fasten regt auf zellulärer Ebene eine Art Reinigungsprozess an.“ Die Entsorgung alter Eiweiße oder nicht weiter abbaubarer Stoffwechselprodukte wird angestoßen, sobald man 12 bis 16 Stunden fastet“, erklärt der Mediziner. Auch die Produktion neuer Stammzellen wird angekurbelt, was Zellschäden repariert. Umweltgifte wie Blei, Quecksilber oder Kadmium lagern sich im Fettgewebe an. „Was mit denen passiert, wenn Fett abgebaut wird, weiß keiner. Ob sie ausgepinkelt werden oder sich sogar auf ungünstige Art neu anlagern, ist bislang ungeklärt.“

Buchtipp: Ruediger Dahlke: „Jetzt einfach Fasten – 10 Kurzprogram-me“, ZS Verlag, 128 S., 12,99 Euro; alle Folgen unserer Serie unter www.ku-rz.de/naturhilftheilen

Von unserer Chefreporterin Nicole Mieding