Berlin

Hirndoping wird zum riskanten Helfer der kleinen Leute

Hirndoping wird zum riskanten Helfer der kleinen Leute Foto: Paulista - Fotol

Wer kennt das nicht? Der Leistungsdruck nimmt stetig zu, die Vorgaben und Kontrollen des Chefs werden härter – und es ist kaum Besserung in Sicht. Dann braucht man etwas, das einen aufbaut. In dieser Stresssituation greifen mehr und mehr Beschäftigte zu Aufputschmitteln.

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Von Ruppert Mayr

Bis zu fünf Millionen haben schon einmal verschreibungspflichtige Medikamente zur Stimulierung genommen, ohne krank zu sein, schätzt die Krankenkasse DAK-Gesundheit. Sie versuchen so, ihr geistiges Leistungsvermögen zu stimulieren, um länger durchzuhalten, sie betreiben Hirndoping.

Eine Million Menschen „dopen“

Eine Million – oder 2 Prozent – der Beschäftigten tun dies inzwischen regelmäßig. Das scheint zunächst nicht viel. Allerdings lässt die Entwicklung in den USA, wo sich je nach Studie bis zu 35 Prozent der Beschäftigten dopen, nachdenklich stimmen. Dies könnte auch zu einer Gefahr für Deutschland werden. Falls es gelingen sollte, Medikamente mit leistungssteigender Wirkung zu entwickeln, die weniger Nebenwirkungen und Gesundheitsrisiken aufweisen, könnte sich der Konsum deutlich erhöhen. Das könnte dann ein lukrativer Markt werden.

Nun könnte man sagen, dass Menschen schon immer Aufputschmittel genommen haben – Koffein zum Wachbleiben, Alkohol und Zigaretten zum Runterkommen, um nur die gängigsten zu nennen. Doping war bis in die 70er-Jahre gesellschaftlich akzeptiert und frei zugänglich. Daher gibt es heute auch eine relativ große Akzeptanz bei verschreibungspflichtigen Medikamenten. Auch ist die Hemmschwelle nicht so hoch wie bei illegalen Drogen. Denn der Arzt muss ja wissen, was er verschreibt.

Ärzte gehören laut DAK zu den wesentlichen Bezugsquellen für stimulierende Arzneimittel auf Rezept, ebenso wie Kollegen, Freunde, Familie und vor allem auch der Versandhandel. Der Handel über das Internet – und der nimmt zu – ist aber sehr riskant, da viele Fälschungen unterwegs sind.

Es beginnt meist ganz harmlos

Die Verschreibung durch einen Mediziner beginnt indes oft ganz harmlos. Zum Beispiel erbittet ein Student vom Arzt etwas gegen seine massive Prüfungsangst, damit er nicht nochmals durchfällt. Derartige Patientenwünsche werden schon mal erfüllt, sagt Hans-Dieter Nolting, der die DAK-Studie betreute. Studenten seien im Übrigen die wichtigste Gruppe unter den Konsumenten von verschreibungspflichtigen stimulierenden Arzneimitteln. Allerdings dürfte bei ihnen die Grenze zwischen Stress beim Lernen und Spaß bei der Party fließend sein, meint Nolting.

Die Wirkung des Hirndopings wird nach DAK-Aussage über-, die Nebenwirkungen werden unterschätzt. Es kann sogar zu Abhängigkeit und Persönlichkeitsveränderungen kommen. Wirkung und Nebenwirkung stehen langfristig in keinem Verhältnis zum Nutzen – im Gegenteil, je häufiger man sich so stimuliert, umso wahrscheinlicher endet das im Burn-out, sagt Nolting.

Otto Normalarbeiter im Stress

Doch es seien keineswegs hoch qualifizierte Berufsgruppen, die besonders viel mit Medikamenten dopen, meint DAK-Chef Herbert Rebscher. Die Quote der Beschäftigten, die Medikamente zur Leistungssteigerung oder Stimmungsverbesserung genommen haben, steige vielmehr mit abnehmender Qualifizierung. „Doping am Arbeitsplatz ist mittlerweile beim Otto Normalverbraucher angekommen“, sagt DAK-Chef Rebscher. Verschreibungspflichtige Medikamente als kleine Helfer der kleinen Leute.