London

Bei -70 Grad: Briten suchen nach Leben im ewigen Eis

Die Forscher Martyn, Dom and David.
Die Forscher Martyn, Dom and David. Foto: Lake Ellsworth

Es ist eines der größten Geheimnisse des Universums: Was sind die physikalischen Grenzen des Lebens? Die Wissenschaftler suchen am Mittwoch die Antwort auf diese wichtige Frage an zwei Orten, die 250 Millionen Kilometer voneinander entfernt liegen und die kein Mensch je betreten hat.

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Während der US-Rover „Curiosity“ im Gale-Krater auf dem Mars nach organischen Molekülen forscht, bereitet sich ein britisches Team in der Antarktis darauf vor, einen rätselhaften Frischwasser-See tief unter dem Eis anzubohren, der seit 500 000 Jahren von der Außenwelt isoliert ist. Die Experten hoffen, in der lebensfeindlichen Umgebung auf einzigartige Ur-Mikroben zu stoßen.

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Lake Ellsworth in der westlichen Antarktis ist eines der 380 verborgenen Gewässer unter dem mächtigen Eispanzer des weißen Kontinents: zwölf Kilometer lang, drei Kilometer breit und 150 Meter tief. Das Wasser des Sees bleibt unter der Einwirkung der Erdwärme und dem gewaltigen Eisdruck flüssig. Seit seiner Entdeckung 1996 fragten sich die Wissenschaftler, ob das nährstoffarme, lichtlose und eisige Ökosystem ohne Kontakt zur Atmosphäre einfache Organismen am Leben erhalten könnte. Um dies herauszufinden, mussten sie jedoch erst eine Methode erfinden, wie man mit Maschinen ein 3,2 Kilometer tiefes Loch im Eis bohrt, ohne dabei die geheimnisvolle Wasserwelt mit irdischen Bakterien zu verunreinigen.

Lake Ellsworth liegt in der westlichen Antarktis 150 Meter tief unter dem mächigen Eis.
Lake Ellsworth liegt in der westlichen Antarktis 150 Meter tief unter dem mächigen Eis.
Foto: Lake Ellsworth
In den vergangenen zwölf Monaten transportierten die Briten etwa 100 Tonnen Ausrüstung von der Insel in die antarktische Schneewüste. Ein zwölfköpfiges Team ist dort seit einer Woche damit beschäftigt, um bei gefühlten Lufttemperaturen bis Minus 70 Grad die Rohrleitungen zu verbinden und die Labore betriebsbereit zu machen. „Die Stimmung ist etwas angespannt. In einigen Tagen fängt die Bohrung an, dann gibt es kein zurück mehr“, sagte dem Sender Sky News am Wochenende der Expeditionsleiter Chris Hill. Die technische Herausforderung vor seiner Mannschaft ist gewaltig. Als Erstes muss sie in einem Boiler einen Schneeberg zu 90 000 Liter Wasser schmelzen, das sorgfältig gefiltert, mit UV-Licht sterilisiert und auf 90 Grad erwärmt wird. Dieses heiße Wasser soll dann unter Hochdruck durch einen speziellen Schlauch senkrecht ins Eis gepumpt werden.
Seit einer Woche bereitet ein zwölfköpfiges Forscherteam bei gefühlten Lufttemperaturen bis Minus 70 Grad die Bohrung vor.
Seit einer Woche bereitet ein zwölfköpfiges Forscherteam bei gefühlten Lufttemperaturen bis Minus 70 Grad die Bohrung vor.
Foto: Lake Ellsworth
Das erste Bohrloch soll etwa 300 Meter tief sein und in einem kleinen Ausgleichs-Hohlraum enden – eine Vorsichtsmaßnahme, um einen geyserartigen Ausbruch des unter einem hohen Druck stehenden Seewassers zu verhindern. Der zweite Schacht soll direkt zum Ziel führen. Chris Hill hofft darauf, den Ellsworth-See binnen 100 Stunden zu erreichen. Danach blieben ihm 24 Stunden Zeit, ehe sich das 36 Zentimeter breite Loch wieder schließt. In diesem Zeitfenster wollen die Forscher die prähistorische Unterwelt mit einer HD-Kamera filmen sowie unter klinisch sauberen Bedingungen mit einer Sonde einige Wasser- und Sedimentproben entnehmen. „Wir werden zwei Wochen lang rund um die Uhr in Schichten arbeiten und keine Rücksicht auf das Wetter nehmen“, sagt Hill.

Geht alles nach Plan, sollen binnen etwa zehn Tagen die ersten Ergebnisse fest stehen. Die Wissenschaftler rechnen nicht mit einer Enttäuschung. „Wenn es im See Leben gibt, dann werden wir wissen, dass es sich überall entwickeln kann“, erklärt John Parnell von der Universität Aberdeen. Aus britischer Sicht würde dies beispielsweise für die Existenz von Mikroben im gefrorenen Ozean des Jupiter-Mondes Europa sprechen. Und wenn der Ellsworth-See wider Erwarten tot ist? „Dann werden wir die Grenzen des Lebens gefunden haben“, sagen die Expeditionsteilnehmer.

Von unserem London-Korrespondenten Alexei Makartsev