Zu Gast in Rheinland-Pfalz: Tourismus und seine fünf Besuchertypen

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Bauchgefühl mag etwas Feines sein – aber wenn man den Tourismus im eigenen Land nach vorn bringen will, dann ist es sinnvoll, auch Fakten zur Hand zu haben. Sprich: zu wissen, wer überhaupt die Gäste sind, die unsere Region Jahr für Jahr besuchen, und was ihre Vorstellungen von einem perfekten Urlaub sind. Seit drei Jahren arbeitet die Rheinland-Pfalz-Tourismus (RPT) daran, ihre Zielgruppen zu definieren – nun gibt es das Ergebnis.

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Als Grundlage wurde der Mobilitätsmonitor der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) genommen, sagt Anja Wendling, stellvertretende Geschäftsführerin der RPT. Die GfK untersucht repräsentativ das tatsächliche Reiseverhalten der Deutschen und befragt monatlich 40 000 Deutsche. Elf Urlaubertypen wurden von der GfK definiert, unter anderem die Eventreisenden, die Wintersportler, die Kulturliebhaber, die Wanderfreunde oder die Bildungsreisenden.

„Wir haben den Mobilitätsmonitor ausgewertet und mit unseren Touristikern fünf Zielgruppen ermittelt, die für uns in Rheinland-Pfalz interessant sind“, erläutert Wendling. Um diese Zielgruppen aus dem Abstrakten herauszuholen, wurden sie personalisiert – und mit diesen sogenannten Personas soll nun gearbeitet werden. „Wir fragen: Was brauchen unsere Personas für einen gelungenen Urlaub? Wie können wir sie vorab bei der Planung erreichen? Was erwarten sie von Rheinland-Pfalz?“, skizziert Wendling.

Da ist zum einen das Ehepaar Blum. Sie sind über 50, die Kinder sind schon aus dem Haus. Sie reisen als Paar oder mit Freunden, sie sind gern in der Natur, wollen wandern und Rad fahren, sie schätzen regionale Speisen und sitzen abends bei ihrem Gastgeber und plaudern. Aktuell sind 13 Prozent der Touristen, die nach Rheinland-Pfalz kommen, Blums.

Ganz anders die Familie Wolf: eine Familie mit kleinen oder jugendlichen Kindern. Sie sind wild auf Action, sie besuchen Kletterparks, Klettersteige, wollen Rafting, lieben Freizeitangebote. Es muss immer etwas los sein, schließlich wollen die Kinder beschäftigt werden. Die Wolfs sind extrem onlineaffin, sie posten Urlaubsbilder in Facebook und Instagram und gestalten natürlich hinterher ein Fotobuch aus ihren Bildern. Die Wolfs machen bislang lediglich 3,8 Prozent der Besucher aus – zu wenig, wie die RPT findet.

Walther und Edelgard – Zielgruppe drei – sind rüstige Senioren. Sie müssen nicht zwingend verheiratet sein, manche sind verwitwet oder geschieden und haben sich neu gefunden. Sie sind bodenständig, sehr kulturell interessiert und sehen sich gern historische Sehenswürdigkeiten an. Oft sind sie auch mit Busgruppen oder auf Flusskreuzfahrtschiffen unterwegs. Ihr Anteil liegt in Rheinland-Pfalz bei 9,3 Prozent.

Der Anteil der Nur-Wanderer liegt bei 8,6 Prozent

Frau Schwab ist Zielgruppe vier und ein begeisterter Wandervogel. Sie reist allein, mit Partner oder Freunden und ist eine begeisterte Tourengeherin. Sie übernachtet in Hotels und Pensionen, die am Weg liegen, und sie liebt gut ausgeschilderte und bestens präparierte Wanderwege. Sie sammelt die Steige geradezu und informiert sich vorab ausgiebig. Der Anteil dieser Nur-Wanderer liegt bei 8,6 Prozent.

Bleibt noch Zielgruppe fünf: die Urbans. Sie sind über 30 Jahre alt, haben keine Kinder und lieben den Lifestyle. Geld spielt für sie keine Rolle, sie buchen gern hochpreisige Unterkünfte und erwarten auch entsprechende Gegenleistungen. Sie suchen Wellness, denn sie haben anspruchsvolle Jobs. Sie lieben Kleinstädte, fahren auch gern mal spontan für ein Wochenende los, nehmen auch einmal Freunde mit. Sie sind zu 11,4 Prozent in Rheinland-Pfalz vertreten.

Eigentlich gäbe es noch eine sechste Zielgruppe – die der jungen Eventreisenden. Warum sie im Land von Nature One und Rock am Ring keine Rolle spielen? „Sie lassen zu wenig Geld hier“, sagt Anja Wendling geradeheraus. Natürlich sind sie willkommen, betont sie, aber die stetig knapper werdenden Mittel der RPT sollen nicht eingesetzt werden, um die jungen Leute zu umgarnen. Viel wertvoller sind der RPT die Urbans sowie Walther und Edelgard: Sie sind es, die am meisten Geld bei uns ausgeben, sie sind es, um die man sich intensiv kümmern möchte.

Vielseitig aktik – Familie WolfJnge bis mittelalte Familie mit mehreren Kindern; sucht Action (Klettern, Rafting, Freizeiteinrichtungen); sehr onlineaffin, nutzt soziale Medien, ist preisbewusst, erwartet aber Qualität.

Aktive Naturgenießer – Bernd und Ulrike BlumAlter 50 plus, verreisen als Paar oder mit Freunden; lieben Wandern und Radeln, wollen Regionales essen, suchen Kontakt zu Einheimischen; lesen Reiseführer.

Wanderer – Frau SchwabMittleres Alter, ist allein oder mit Freunden unterwegs; will mehrtägiges Touren-Wandern von Ort zu Ort.

Kleinstadtgenießer – Die UrbansKinderloses Paar, das eine Auszeit vom stressigen Job sucht; wollen Wellness, Lifestyle, lieben Kleinstädte; buchen vorab im Internet Vier- bis Fünfsterne-Hotels.

Natur- und Kulturliebhaber – Edelgard und Walther Älteres Paar, bodenständig, konservativ; sehen sich kulturelle und historische Sehenswürdigkeiten an; in der Natur unterwegs, sind offen für Busreisen und Flusskreuzfahrten.

Welche Schlussfolgerungen werden jetzt gezogen?

„Unser Ziel ist es, den Anteil der fünf Zielgruppen zu erhöhen und dadurch mehr Wertschöpfung zu generieren“, sagt Wendling. Dazu muss nun die Werbetrommel gerührt werden – nicht bei den Zielgruppen, sondern bei den Touristikern vor Ort. Deshalb reisen die Vertreter der RPT durch Rheinland-Pfalz und präsentieren den Regionen die Personas. Hoteliers, Campingplatzbesitzer, Werbeagenturen, die Mitarbeiter der Tourist-Informationen und die Besitzer von Ferienwohnungen sollen aus den Erkenntnissen der RPT ihre Schlussfolgerungen ziehen.

„Nur zufriedene Urbans kommen wieder zurück und bringen noch andere Urbans mit“, sagt Anja Wendling. „Das geht aber nur, wenn die Qualität stimmt.“ Die Fragen sind: Welche Angebote gibt es schon, welche müssen besser gebündelt und kommuniziert werden, welche fehlen noch? Und: Welcher Zielgruppe will man es besonders schön machen? Die Urbans wollen ihre Ruhe, die Blums möchten gern mit dem Gastgeber ins Gespräch kommen: Kann eine Pension einen Bereich für die Urbans und einen Bereich für die Blums gestalten?

Eine siebte Zielgruppe fehlt obendrein: die der Tagesgäste. Sie ist bereits sehr stark im Land vertreten und sorgt für einen Bruttoumsatz von rund 4,4 Milliarden Euro jährlich (im Vergleich: die Übernachtungsgäste sorgen für einen Bruttoumsatz von 2,61 Milliarden Euro). Die Herausforderung ist hier: Wie kann man den Anteil der Übernachtungsgäste erhöhen, ohne den der Tagesgäste zu gefährden? Tagesgäste sind Bustouristen oder Weinfestbesucher, und nicht immer harmonieren deren Bedürfnisse mit denen der Übernachtungsgäste. Sprich: Die Ruhe kann schon mal dahin sein, wenn die Pension zum Kaffeetrinken von einer Busladung überschwemmt wird.

Die fünf Zielgruppen beschränken sich auf Touristen, die aus dem Inland kommen, also auf 76 Prozent der Gäste. Der Grund liegt laut RPT darin, dass es derzeit keine belastbaren Daten über die genauen Interessen der Gäste aus dem Ausland gibt. „Wir wissen schon, was die Niederländer oder Briten brauchen, damit sie glücklich sind, aber das genügt nicht, um solch klare Zielgruppen zu definieren“, sagt Anja Wendling. Es bleibt also viel zu tun.