Rheinland-Pfalz

Zehn Tipps: So bewegt ein Jugendbeirat wirklich etwas

Mitreden: Wie kann es gelingen, Kinder und Jugendliche in Städten und Gemeinden einzubinden? Unsere Zeitung hat Tipps gesammelt.
Mitreden: Wie kann es gelingen, Kinder und Jugendliche in Städten und Gemeinden einzubinden? Unsere Zeitung hat Tipps gesammelt. Foto: dpa

Jugendlichen eine Stimme in der Politik zu geben, hört sich erst einmal immer gut an. Eine Möglichkeit dazu ist ein Jugendbeirat, der den Stadt- und Gemeinderäten zu wichtigen Themen seine Meinung sagt. Doch ein Beirat bringt wenig und führt im Gegenteil zu Frustration, wenn er die Politik im Ort nicht verändern kann.

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Von unseren Redakteuren Johannes Bebermeier und Angela Kauer

Um einen erfolgreichen Jugendbeirat zu etablieren, gibt es deshalb vieles zu beachten. Wir haben Vertreter etablierter Jugendvertretungen befragt und Tipps gesammelt, wie Beteiligung gelingt.

1. Beteiligung muss gewollt sein. Das Wichtigste zuerst: Beteiligung von Jugendlichen kann nicht gut funktionieren, wenn die erwachsenen Politiker sie nicht wollen. Sie müssen bereit sein, sich beraten zu lassen. Brigitte Selugga-Reinschenk, die in Koblenz das Kinder- und Jugendbüro leitet und den erfolgreichen Jugendrat der Stadt betreut, sagt: „Die Erwachsenen, die die Macht haben, müssen sie ein Stück weit mit den Jugendlichen teilen wollen.“

2. Keine Jugendbeteiligung als Dekoration. Daraus ergibt sich Punkt zwei. Jugendliche nur deshalb zu einer Veranstaltung einladen, weil Politiker ihr einen jungen Anstrich verleihen wollen? Sie sonst aber nicht ernst nehmen? Keine gute Idee. Das durchschauen Kinder und Jugendliche sofort.

3. Überparteilichkeit. Welche Rolle sollten Parteien in einem Jugendbeirat spielen? Am besten gar keine, sagt Gabriele Greis. Sie betreut das Jugendparlament der Verbandsgemeinde Hachenburg und ist überzeugt: „Jugendliche merken sofort, wenn Politiker versuchen, sie für ihre parteipolitischen Ziele einzuspannen.“ Das heißt aber nicht, dass Jugendliche, die sich im Jugendbeirat engagieren, nicht irgendwann in eine Partei eintreten. „Wir haben da einige Beispiele“, sagt Greis. Umgekehrt kommt es aber genauso vor, dass Jugendliche sich nach den Erfahrungen im Jugendparlament enttäuscht von der Politik abwenden – und sich lieber anderweitig engagieren.

4. Verbindlichkeit. Versprochen ist versprochen – das sollte auch im Umgang der Politiker mit den Jugendlichen gelten. Selugga-Reinschenk sagt: „Absprachen mit Politikern müssen verbindlich sein.“ Der Koblenzer Jugendrat lässt die besprochenen Ergebnisse deshalb von den Politikern unterschreiben – um Verbindlichkeit herzustellen. Denn politisch etwas bewegen können die Jugendlichen nur, wenn sie die Politiker in den Räten für ihre Ideen gewinnen, denn die entscheiden letztlich. Und dass ihre Arbeit etwas bewirkt, ist für die Motivation der Jugendlichen entscheidend. „Es muss sichtbar etwas dabei herauskommen“, sagt Selugga-Reinschenk.

5. Feste Ansprechpartner. Jugendvertretungen sollten einen festen Ansprechpartner haben, der die Strukturen und Entscheidungswege der Politik und der Verwaltung kennt und den Kontakt hält, am besten hauptamtlich. Im Idealfall ist der Ansprechpartner unabhängig von Politik und Verwaltung. In Neuwied zum Beispiel ist das Kinder- und Jugendbüro eine Art Geschäftsstelle für den Jugendbeirat in der Verwaltung. Leiter Jürgen Gügel und seine Kollegin Sonja Jensen betreuen den Jugendbeirat aber auch pädagogisch und bieten zum Beispiel Seminare zum Thema Projektmanagement an.

In Koblenz ist die Ansprechpartnerin Brigitte Selugga-Reinschenk zwar Leiterin des Kinder- und Jugendbüros der Stadt, das wird aber von einem freien Träger betrieben und von der Stadt nur finanziert. „Mein Chef ist damit nicht der Oberbürgermeister“, sagt sie. In ihrem Vertrag steht sogar, dass sie parteilich für die Jugendlichen eintreten muss – und nicht etwa für die Stadt.

6. Struktur. Eine Jugendvertretung sollte auch in den eigenen Reihen darauf achten, dass jedes Alter repräsentiert ist. Denn 10-Jährige haben andere Interessen als 17-Jährige. Um das zu erreichen, kann auch das Wahlverfahren angepasst werden. Selugga-Reinschenk: „Anfangs wurden bei uns meist nur Jugendliche ab 15 Jahren gewählt.“ Dann haben die Koblenzer das Wahlrecht angepasst. Die Jugendlichen werden nun in zwei Gruppen unterteilt: 10 bis 13 Jahre und 14 bis 17 Jahre. Die 10- bis 13-Jährigen dürfen nur Jugendliche ihres Alters wählen, ebenso die 14- bis 17-Jährigen. Anschließend wird die eine Hälfte des Beirats mit 10- bis 13- Jährigen besetzt, die andere mit 14- bis 17-Jährigen. Genauso wichtig wie die ausgeglichene Altersverteilung ist es, Jugendliche von allen Schulformen anzusprechen – indem man an allen Schulen Werbung macht. So machen es die erfolgreichen Jugendvertretungen.

7. Kontakt zu Schulen. Die Jugendvertretung – idealerweise deren fester Ansprechpartner – sollte engen Kontakt zu den Schulen halten. Denn in den Schulen wird nicht nur für die Wahlen zur Jugendvertretung geworben und in vielen Fällen auch die Wahl abgehalten. Auch wenn dringende Termine anstehen, können die Schulen helfen, indem sie den Jugendvertretern mal eine Stunde freigeben.

8. Keine falschen Hoffnungen wecken. Wenn Jugendvertretungen ambitionierte Ideen entwickeln, ist das gut. Wenn Jugendvertretungen aber Projekte angehen wollen, die zum Beispiel aus rechtlichen Gründen nicht klappen können, kann das zu Frust führen. In einem solchen Fall ist es idealerweise Aufgabe der festen Ansprechpartner, die Jugendlichen auf die Schwierigkeiten hinzuweisen. Selugga-Reinschenk sagt: „Jugendliche können gut damit umgehen, wenn man ihnen ehrlich und realistisch sagt, wenn etwas definitiv nicht funktioniert.“

9. Treffpunkte und ein eigenes Budget. Simpel, aber sehr wichtig: Die Jugendlichen brauchen einen Ort, an dem sie sich treffen und beraten können – und das auch abseits der Sitzungen der Jugendvertretung. Zum Beispiel um Projekte in Arbeitsgruppen vorzubereiten, oder einfach um sich auszutauschen. Mindestens ebenso wichtig ist ein eigenes Budget: Wer ein Konzert organisiert oder ein Fußballturnier vorbereitet, sollte nicht um jeden Pappbecher mit dem Gemeinderat streiten müssen. Zugleich lernen die Jugendlichen so auch, mit Geld umzugehen – und keine unerreichbaren Luftschlösser zu bauen.

10. Spaß nicht vergessen. Das Beste zum Schluss: Ein Jugendbeirat funktioniert nur dann, wenn die Jugendlichen Spaß an dem haben, was sie tun. Die einen setzen sich gern für große Ziele wie ein Jugendzentrum oder einen Skatepark ein. Sie haben keine Angst vor der Rede im Gemeinderat und gehen mit Plakaten auf die Straße. Die anderen arbeiten lieber im Hintergrund, schenken beim Bandwettbewerb Getränke aus oder backen Kuchen fürs Fußballturnier. „Jeder sollte das machen dürfen, was ihm auch liegt“, sagt Jürgen Gügel vom Neuwieder Jugendbüro. Weil jedes Engagement zählt.