Wahlkampf: TV-Duell bringt Bewegung in die Kanzlerfrage

Einen klaren Sieger hat es den Umfragen zufolge in dem TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem Herausforderer Peer Steinbrück (SPD) nicht gegeben. Allerdings konnte der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten, der mit geringen Erwartungen in den Schlagabtausch ging, Boden gutmachen.

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Von Rena Lehmann

„Man kann deutlich erkennen, dass er in der Kanzlerfrage aufgeholt hat“, sagt der Mainzer Wahlforscher Thorsten Faas. Mehr Menschen als vor dem Duell können sich ihn nun als Regierungschef vorstellen. Merkel wurde den Erwartungen, als eindeutige Siegerin aus dem Rennen zu gehen, dagegen nicht gerecht.

Führende Meinungsforschungsinstitute lagen mit ihren Ergebnissen bei diesem Duell so weit auseinander wie selten: Während die Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des ZDF ermittelte, dass Merkel als Siegerin aus dem Duell hervorging, sah Infratest Dimap für die ARD Peer Steinbrück vorn. Die Universitäten Mainz und Koblenz-Landau haben 362 Bürger vor, während und nach dem Duell zu ihren Einstellungen befragt. Während die Bundeskanzlerin zu Beginn des Duells gleich die höchsten Zustimmungswerte erhielt, holte Steinbrück hier später erheblich auf – und ging sogar als Sieger ins Ziel.

Merkel imponierte den Zuschauern in Koblenz, Landau und Mainz am stärksten mit der Aussage, dass alle Politiker immer wieder Kritik ausgesetzt seien und durch „harte Zeiten gehen“. Auch ihre Absage an eine militärische Beteiligung Deutschlands im Syrien- Konflikt kam gut an.

Breite Zustimmung erhielt sie außerdem für einen Seitenhieb gegen Steinbrück: Es geht immer „erst um das Land, dann um die Partei, dann um die Person“. Steinbrück hatte zuvor erklärt, dass er in einer Großen Koalition für kein Regierungsamt zur Verfügung steht. Merkel nutzte das geschickt für sich. Steinbrück hatte den befragten Zuschauern in Rheinland-Pfalz zufolge erst nach einer halben Stunde Erfolg, wurde gegen Ende des Duells aber immer stärker. Zustimmung erhielt er etwa für die Aussage, dass dem Staat durch Steuerhinterziehung „Jahr für Jahr 30 Milliarden Euro“ entgingen.

Sehr gute Werte erzielte er auch mit seiner Kritik an der Ausbildungssituation junger Leute („Es gibt nach wie vor die obskure Situation, dass einige, die sich ausbilden lassen, (...) teilweise ihre Ausbildung mitfinanzieren müssen“) und am Betreuungsgeld, das erst zum 1. August von der schwarzgelben Bundesregierung eingeführt wurde.

Unter den Mainzer und Koblenzer Zuschauern geht Steinbrück am Schluss klar als Sieger aus der Debatte hervor. Ihn nehmen 51 Prozent als stärker wahr, während Merkel nur 36 Prozent als Gewinnerin sahen. 17 Prozent änderten sogar während des Duells ihre Meinung, wer Kanzler werden soll – zugunsten von Steinbrück.

Die Bundeskanzlerin bleibt aber Favoritin für das Kanzleramt. Immerhin 46 Prozent sehen sie nach wie vor als Regierungschefin, bei Steinbrück sind es 38 Prozent. Der SPD-Herausforderer konnte auch seine Sympathiewerte steigern. Viele Beobachter waren davon ausgegangen, dass der kantige Steinbrück, der gern „Klartext“ redet, sich in dem Rededuell mit der präsidialen Kanzlerin um Kopf und Kragen reden könnte.

Doch Steinbrück blieb höflich, teils humorvoll bis zum Schluss. Merkel konnte ihre Werte nur leicht steigern. Politikwissenschaftler Faas betont, dass die Bürger die Fernsehdebatte insgesamt sehr viel positiver bewerten als Experten und Journalisten. „Sie ist eben gerade nicht nutzlos, sondern höchst sinnvoll, weil sie Interesse am Wahlkampf weckt“, sagte Faas im Gespräch mit unserer Zeitung. Immerhin 65 Prozent der Zuschauer fanden das Duell unterhaltsam, 53 Prozent nannten es „spannend“.

„Das Interesse an der Wahl steigt durch das Duell an“, meint Faas. Mit dem Duell gelinge es, Menschen zu erreichen, die sich sonst nicht für Politik interessierten. Welcher Eindruck von dem Duell Steinbrück/Merkel sich in einigen Wochen durchgesetzt haben wird, will man in Koblenz und Mainz weiter beobachten. Das Duell 2009 zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier hätten anfangs auch viele als „spannend“ bewertet.

Nach längerer öffentlicher Debatte habe sich die Meinung durchgesetzt, es sei „langweilig“ gewesen.