Washington

Wahlexperte Bohne im RZ-INTERVIEW: Die USA werden Obama

Maik Bohne - Der intime Kenner des US-Wahlkampfes arbeitet derzeit als Fellow der Stiftung „Neue Verantwortung“ und als Berater bei der Strategie- und Dialogberatung Ifok in Düsseldorf.
Maik Bohne - Der intime Kenner des US-Wahlkampfes arbeitet derzeit als Fellow der Stiftung „Neue Verantwortung“ und als Berater bei der Strategie- und Dialogberatung Ifok in Düsseldorf. Foto: DPA

Die Fronten zwischen Republikanern und Demokraten bleiben auch nach der Wiederwahl Barack Obamas verhärtet. Das sagt US-Wahlexperte Maik Bohne im Interview:

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Was hat Sie in der Wahlnacht am meisten überrascht?

Einen so deutlichen Sieg für Barack Obama habe ich nicht erwartet. Mit seiner guten Wahlkampforganisation hat er es geschafft, die 2008 von ihm geschmiedete Koalition fast komplett zusammenzuhalten. Dies ist ihm in einem Umfeld gelungen, das von Wirtschaftskrise und viel negativer Stimmung geprägt war. Die Strategie von Obama ist aufgegangen.

Was war seine Strategie?

Abgesehen von dem einen Patzer in der ersten TV-Debatte hat er alles richtig gemacht. Er hat Romney als Person schon im Sommer durch einen Negativwahlkampf infrage gestellt. Obamas Team hat die Zweifel der Wähler an der Eignung Romneys für das Präsidentenamt gezielt genährt. Die Stichworte waren: Er ändert seine Meinung sehr oft, er ist ein elitärer Vertreter des Big Business, der die Sorgen und Nöte der Menschen nicht versteht. Außerdem hat Obama seine Wahlkampfstrukturen von 2008 vier Jahre lang aufrechterhalten und dadurch einen vorbildhaften Basiswahlkampf führen können. Bei den Umfragen kurz vor Schluss war das Rennen noch knapp. Aber Obamas Team hat das wettgemacht, indem es die eigene Basis sehr gut mobilisiert hat.

Nur noch auf dem Land gewinnen die Republikaner. Gehen ihnen die die Wähler abhanden?

Ja. Obama hat die Koalition der Zukunft geschmiedet und jetzt wieder mobilisiert. Die USA werden bunter, sie werden Obama. Ihn wählen vor allem Bevölkerungsschichten, die in den wachsenden urbanen Räumen zu Hause sind. Auf dem Land konnte er hingegen kaum punkten. Das Stadt-Land-Gefälle überlagert zunehmend die religiösen und ethnischen Konflikte im Land.

Woran ist Romney gescheitert?

Er hat die Wähler emotional nicht so gut erreicht wie Obama. Er wirkte auf mich immer ein bisschen wie ein Streber, nicht so bodenständig und locker wie Obama. Auch hätte Romney den Wechsel vom Vorwahlkandidaten der Republikaner zum Kandidaten aller Amerikaner früher schaffen müssen. Was er aber nicht beeinflussen konnte, war der Wirbelsturm „Sandy“. Der hat nicht nur Obama direkt begünstigt, sondern auch die Nachrichtenlage durcheinandergebracht. Romney konnte seine wichtigen Schlussbotschaften nicht mehr in den Medien transportieren, er drang einfach nicht mehr richtig durch bis zum Wähler.

Werden die Republikaner jetzt eher moderater oder extremer?

Mit Blick auf das Wahlergebnis müssten sie eigentlich moderater werden. Die Botschaft lautet doch: Die Republikaner sollten sich nicht in einem ideologischen Graben verbarrikadieren, aus dem heraus sie keine Kompromisse mehr schließen können. Andererseits sind die Politiker in den USA sehr stark ihrer Basis verpflichtet und die ist im Falle der Republikaner sehr konservativ. Die Polarisierung in den USA wird also nicht verschwinden. Kurzum: Zwar werden politische Kompromisse gefunden werden müssen Die Republikaner werden jedoch an jeder für sie opportunen Stelle versuchen, Obama weiter zu boykottieren. Eine Gratwanderung – für den Präsidenten wie für die Republikaner.

Obama wird also zur lame duck?

Es wird unglaublich schwer für ihn, etwas zu erreichen. Allerdings hat er jetzt das Selbstbewusstsein des Wahlsiegers. Er hat die Mehrheit der Wähler im Rücken. Deshalb kommt es darauf an, wie er diesen kurzen Moment des politischen Rückenwinds jetzt für sich nutzt. Bei zwei Themen kann er auf Kompromisse hoffen: bei der Schuldenkrise und bei der Regelung der Einwanderung. Denn die Republikaner haben gemerkt, dass sie sich bei diesen Themen bewegen müssen, um wieder beim Wähler punkten zu können. Diese Möglichkeit muss Obama nutzen, auch wenn er realistischerweise dafür nur ein Zeitfenster von sechs bis acht Monaten hat. Dann beginnt schon wieder der nächste Wahlkampf für den Kongress.

Was bedeutet die Wiederwahl Obamas für Deutschland?

Kanzlerin Angela Merkel wird weiter einen verlässlichen Partner haben. Deutschland wollte Obama und hat ihn bekommen. Doch wie schon seine Vorgänger wird Obama das transatlantische Bündnis zwar beschwören, doch die Perspektiven für die US-Außenpolitik sind vielfältiger und breiter geworden. Wir müssen uns als Europäer darauf einstellen, dass Amerika den Blick mehr nach Asien und in andere Teile der Welt richtet.

Das Gespräch führte Christian Kunst