Von Besuchsrecht abhängig: Verbleib deutscher Tornados in der Türkei

Der Tornado-Einsatz der Bundeswehr gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien soll zwar nach dem Willen der Bundesregierung weiterhin vom türkischen Stützpunkt Incirlik aus geflogen werden, gleichzeitig liegen jedoch Ersatzplanungen für eine Verlegung in andere Länder bereits in der Schublade. Entscheidend wird nach Informationen unserer Zeitung die erste Oktoberwoche sein.

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Dann wollen die Obleute des Verteidigungsausschusses die Bundeswehrsoldaten in Incirlik besuchen. Falls die Türkei dies erneut unterbindet, wird Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) voraussichtlich zum Plan B greifen müssen.

Basis in Incirlik ist für deutsche Streitkräfte die beste Option

Kluge militärische Planung sieht immer auch Alternativen vor, hieß es dazu aus dem Verteidigungsministerium. Genannt wurden etwa Stationierungen auf Zypern oder in Jordanien. Aber Militärs kommen bei einem Vergleich aller Optionen unterm Strich zu dem Ergebnis, dass die sechs Tornado-Aufklärungsjets und die knapp 250 Bundeswehrsoldaten von Incirlik aus am besten arbeiten können. Deshalb gibt es keine realen Vorbereitungen für einen Abzug aus der Türkei, hieß es. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verwies am Rande eines Besuches in Prag auf aktuelle türkische Versicherungen, wonach es sich in Incirlik um einen Nato-Stützpunkt handelt, weswegen sie davon ausgeht, dass von dort auch in Zukunft Einsätze der Anti-IS-Koalition geflogen werden könnten.

Nachdem Verteidigungsstaatssekretär Ralf Brauksiepe (CDU) und weiteren Verteidigungsexperten aus dem Bundestag im Frühsommer ein Besuch in Incirlik verweigert worden war, hatten Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und weitere Politiker eine Verlängerung des Einsatzmandates über das Jahresende hinaus infrage gestellt. Das Besuchsverbot gehörte zu den Reaktionen der Türkei auf die Armenien-Resolution des Bundestages, die in Ankara mit großer Verärgerung aufgenommen worden war.

Der Einsatz war innerhalb weniger Wochen nach den islamistischen Anschlägen vom 13. November vergangenen Jahres in Paris als Solidaritätsaktion gegenüber Frankreich realisiert worden. Seit Anfang Januar starten deutsche Aufklärungsjets vom Typ Recce-Tornado, um in Syrien Stellungen und Bewegungen des IS auszukundschaften und die ausgewerteten Informationen an die Anti-IS-Einsatzzentrale in Katar weiterzugeben. Von dort bekommen sie auch die gewünschten Ziele genannt. Aktuell hat sich die Zahl der Aufklärungsflüge auf 490 summiert. Hinzu kommen weitere 200 Einsätze des deutschen Airbus-Tankflugzeugs, das die eigenen Jets und die anderer Streitkräfte der Anti-IS-Koalition in der Luft unterstützt.

Am Anfang mussten die Cockpits der Tornados nachgerüstet werden, um sie nachtflugtauglich zu machen. Schlagzeilen löste die Flugbasis Incirlik auch in den Tagen nach dem Putschversuch aus, weil Flugzeuge von Putschisten auch von dort aus gestartet waren. Es gab Berichte über einen Schusswechsel, die Ablösung führender türkischer Militärs dort und eine Abriegelung des Areals. Die unterbrochene Stromversorgung wurde nach kurzer Zeit wieder hergestellt.

Die von der Bundeswehr gesammelten Informationen werden von der Opposition im Bundestag als problematisch angesehen. Es geht um die komplizierten Interessen im syrischen Bürgerkrieg, die durch den Einmarsch der Türkei in den Norden des Nachbarlandes in diesen Tagen noch einmal deutlich geworden sind. Einerseits beteiligt sich die Türkei an der Seite der USA an der Bekämpfung der Terrormiliz. Gleichzeitig geht sie jedoch auch gegen kurdische Milizen vor, die bislang intensiv von der westlichen Allianz unterstützt worden waren. Die bei den Aufklärungsflügen gesammelten Informationen über IS-Stellungen dürfen somit an den Bündnispartner Türkei weitergegeben werden, damit einhergehende Rückschlüsse über Militäroperationen kurdischer Kämpfer sollten jedoch nicht für die türkische Einsatzplanung zugänglich sein. Durch sogenannte Redcardholder will die Bundeswehr das verhindern, indem bestimmte Aufklärungsziele gar nicht erst akzeptiert oder aber gewonnene Erkenntnisse nicht übermittelt werden. Oppositionspolitiker zweifeln, ob das jederzeit einwandfrei funktioniert.

Deutsche Politik besteht auf Zugang zur Armee

Koalition und Opposition sind sich allerdings einig, wenn es um den Zugang des deutschen Parlamentes zur deutschen Parlamentsarmee geht. „Wenn endgültig feststeht, dass den Abgeordneten der Zugang nach Incirlik weiter verwehrt wird, sollte die Bundesregierung den Abzug schnellstmöglich in die Tat umsetzen“, sagte die Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger. Und ähnlich drückte sich auch Unionsbundeswehrfachmann Hennig Otte aus: „Sollte sich die Türkei hier fortgesetzt nicht kompromissbereit zeigen, wird man neue Optionen prüfen müssen.“ Rainer Arnold von der SPD verweist zudem darauf, dass die 60-Millionen-Investition, mit der sich die Bundeswehr in Incirlik auf Dauer einrichten will, auf Eis gelegt werden müsse. Die Millionen für bessere Infrastruktur und Unterkünfte könnten dann auch in Jordanien ausgegeben werden.

Das wiederum schmeckt der Union nicht. Otte warnt davor, die Soldaten der Bundeswehr für eine übergreifende außenpolitische Debatte um die Türkei zu instrumentalisieren. Im Vordergrund muss aus seiner Sicht die Erfüllung des sicherheitspolitischen Auftrages gemeinsam mit den Partnern stehen. „Das sollten sich auch die Sicherheitspolitiker der SPD zu Herzen nehmen.“

Gregor Mayntz