Rheinland-Pfalz

Versorgungsnotstand kommt: Experten fordern mehr Geld und Qualität in der Pflege

Um die steigende Zahl an Pflegebedürftigen im Jahr 2035 zu betreuen, wird die Gesellschaft näher zusammenrücken müssen. Denn die familiären Strukturen als zentraler Ort der Pflege werden zunehmend zerfallen.
Um die steigende Zahl an Pflegebedürftigen im Jahr 2035 zu betreuen, wird die Gesellschaft näher zusammenrücken müssen. Denn die familiären Strukturen als zentraler Ort der Pflege werden zunehmend zerfallen. Foto: Fotolia/Robert Kneschke

Pflegeexperten warnen vor einem Notstand bei der Versorgung älterer und dementer Patienten in Rheinland-Pfalz. „Der Handlungsdruck ist schon jetzt hoch. Ich fordere die Politik auf, bereits heute die Weichen dafür zu stellen, dass Pflegekräfte auch ihren Kindern guten Gewissens empfehlen können, diesen Beruf zu ergreifen“, sagte Dr. Markus Mai, Landeschef des Bundesverbandes Pflegemanagement, unserer Zeitung.

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Dafür „muss Politik deutlich mehr Geld in die Hand nehmen, wenn sie das derzeitige Versorgungsniveau halten möchte“, forderte er. Für ihn ist es ein unhaltbarer Zustand, dass eine Vollzeitkraft in Altenheimen teilweise geschätzte 400 bis 500 Euro weniger verdient als eine Pflegekraft in einem Krankenhaus – „obwohl im Pflegeheim die Mitarbeiter die Gesamtverantwortung für die Versorgung der Bewohner tragen, während dies in Kliniken auf mehrere Berufsgruppen verteilt ist“. Mai verlangte eine „Angleichung der Gehälter auf dem höheren Niveau“.

Zuviele Patienten pro Pflegekraft

Für untragbar hält es der stellvertretende Pflegedirektor am Brüderkrankenhaus Trier auch, dass sich in deutschen Krankenhäusern eine Pflegekraft im Schnitt um 10,3 Patienten kümmern muss, während es europaweit 7,5 Patienten seien. In Alten- und Pflegeheimen sei diese Quote noch deutlich höher.

Mit Blick auf 2035 forderte Mai zudem eine Qualifizierungsoffensive in der Pflege: Heute seien teilweise weniger als 50 Prozent der Mitarbeiter in Altenheimen Pflegefachkräfte. Dies sei angesichts der zu erwartenden starken Zunahme bei den Pflegebedürftigen nicht mehr vertretbar. „Der Bedarf nach professioneller Pflege wird steigen.“ Zugleich ist die Gesellschaft aus seiner Sicht angesichts zerfallender Familienstrukturen künftig bei der Pflege stärker in der Pflicht. Dies müsse der Staat etwa mit einer Aufwandsentschädigung unterstützen.

Genauso wie Mai geht auch die Pflegewissenschaftlerin Prof. Ingrid Stemmer davon aus, dass Pflege künftig stärker über Steuergeld finanziert wird. „Diese Last kann nicht nur ein Teil der Bevölkerung tragen“, sagte sie im Interview mit unserer Zeitung.

Christian Kunst