Syrien-Konflikt: Trumps Kehrtwende zu „Amerika zuerst?“
Das gilt auch für das Kalkül hinter der Kehrtwende des „Amerika-zuerst”-Präsidenten, der erst vor wenigen Tagen signalisiert hatte, die Zukunft Baschar al-Assads sei ihm einigermaßen egal. Hatte sich der „Amerika-zuerst”-Präsident etwa für eine humanitäre Intervention entschieden, die er bis dahin vehement abgelehnt hatte? Es liegt im „unverzichtbaren nationalen Sicherheitsinteresse der Vereinigten Staaten, die Verbreitung und Anwendung tödlicher Chemiewaffen zu verhindern“. Alle zivilisierten Völker müssten helfen, das Schlachten in Syrien zu beenden, wandte sich Trump, begleitet von Tochter Ivanka, Stabschef Reince Priebus und Chef-Stratege Stephen Bannon in Abendgarderobe an die Nation.
Abscheu über die Tat
Wie schon Tags zuvor, als der Präsident an der Seite des jordanischen Königs Abdullah im Rosengarten des Weißen Hauses seine Abscheu über den Tod dieser „wunderschönen Babys” bei dem Giftgasangriff auf die Stadt Chan Scheichun im Nordwesten Syriens beklagte, zeigte sich Trump ungewohnt emotional. „Kein Kind Gottes darf je solches Grauen erleiden.” Die mit jeweils rund 500 Kilogramm Sprengstoff von den Kriegsschiffen „USS Porter“ und „USS Ross“ im Mittelmeer abgefeuerten Raketen sollen Assad als Warnung dienen, erläutert später Trumps neuer Nationaler Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster.
„Das war kein kleiner Schlag”, widerspricht der Dreisternegeneral der Kritik, dass es sich wegen der nächtlichen Stunde in Syrien und der Vorwarnung an die Russen mehr um eine symbolische Aktion gehandelt habe. „Das kommuniziert eine große Verschiebung in dem Kalkül, das Assad aufstellen muss.”
In jedem Fall ist der angerichtete Schaden beträchtlich. Mindestens fünf Menschen kamen bei dem Raketenbeschuss ums Leben, weitere wurden verletzt. Aus dem Pentagon hieß es, der Luftwaffenstützpunkt sei weitgehend unbrauchbar gemacht worden. Weniger als 24 Stunden nach dem US-Beschuss sollen syrische Kampfjets allerdings von der Luftwaffenbasis aus neue Angriffe geflogen haben. „Zwei Suchoi-Maschinen sind am Freitag von der Luftwaffenbasis Al-Schairat aufgestiegen und haben Luftangriffe in Gebieten östlich der Stadt Homs geflogen“, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.
Die syrische Regierung hatte zuvor von einem „Akt der Aggression” gesprochen, während Russland einen „Verstoß des Völkerrechts” beklagte. Moskau setzte aus Protest gegen die Luftschläge ein Abkommen mit den USA aus, das Zwischenfälle bei Flügen während Militäreinsätzen in Syrien vermeiden soll. US-Außenminister Rex Tillerson, der kommenden Dienstag in Moskau erwartet wird, wies die Kritik zurück. Die russischen Militärs auf dem Luftwaffenstützpunkt seien durch etablierte Kanäle des Pentagon gewarnt worden, erläuterte ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums. Pentagon-Chef James Mattis hatte Trump als Grundlage seiner Entscheidung drei abgestufte Optionen präsentiert. Da die Militärs bereits seit dem Beginn des Bürgerkriegs für alle möglichen Fälle geplant haben, konnte der Präsident schnell handeln.
Applaus für Trump
Dafür erhielt er Applaus von ungewohnter Seite. „Im Unterschied zu der früheren Regierung hat Präsident Trump sich einem Schlüsselmoment in Syrien gestellt und gehandelt”, loben ihn dessen innerparteiliche Kritiker John McCain und Lindsey Graham. Und auch sein ehemaliger Konkurrent um die Präsidentschaftskandidatur, Marco Rubio, äußert sich positiv: „Das ist eine große Veränderung gegenüber unserer Politik der letzten acht Jahre.”
Aber auch eine 180-Grad-Wende Trumps, der Barack Obama nach dem Giftgasangriff 2013 davor gewarnt hatte, Syrien anzugreifen; schon gar nicht ohne den Segen des US-Kongresses. Eine Einmischung sei nicht im Interesse der USA. Daran erinnern ihn nun die Anhänger seiner „Amerika-zuerst”-Politik. Senator Rand Paul meint, die USA seien auch in diesem Fall nicht angegriffen worden. „Raketen fliegen, Rubio ist glücklich, McCain ekstatisch und Hillary an Bord”, ätzt Laura Ingraham, die als Sprecherin des Weißen Hauses im Gespräch war. „Ein kompletter politischer Kurswechsel innerhalb von 48 Stunden.” Thomas Spang