Strafzölle und Steuersenkungen: Trumps „Wohlstand für alle“

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump fischt im US-Wahlkampf vor allem um die Stimmen der Abgehängten in der US-Gesellschaft. Um Arbeitsplätze zu erhalten und neue Jobs zu schaffen, verspricht er Steuersenkungen und Strafzölle gegen China und Mexiko.  Foto: dpa
Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump fischt im US-Wahlkampf vor allem um die Stimmen der Abgehängten in der US-Gesellschaft. Um Arbeitsplätze zu erhalten und neue Jobs zu schaffen, verspricht er Steuersenkungen und Strafzölle gegen China und Mexiko. Foto: dpa

Die ausgewählte Kulisse erzählt die halbe Geschichte. Donald Trump tritt im Wirtschaftsklub von Detroit vor die Kameras, jener Stadt, die einmal als Wiege der amerikanischen Mittelklasse galt und heute ein wirtschaftliches Notstandsgebiet ist. Besondere Kennzeichen: hohe Arbeitslosigkeit, geringe Einkommen, leere Fabrikhallen. Der republikanische Präsidentschaftsbewerber zitiert die Negativstatistiken Mo-Towns als Beleg für das Scheitern der Wirtschaftspolitik Barack Obamas und Hillary Clintons. Freilich ohne zu erwähnen, dass die Automobilindustrie der Vereinigten Staaten in den vergangenen Jahren ein glorioses Comeback gefeiert hat.

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Thomas Spang berichtet für unsere Zeitung über die Präsidentschaftswahlen aus den USA. Heute analysiert er die Wirtschaftsstrategie von Donald Trump

Das passt aber irgendwie ins Bild. Denn wer Politiker und Experten fragt, wie es um die Wirtschaft in den USA steht, bekommt ein verworrenes Puzzle an Antworten. Ob das Glas halb voll oder halb leer ist, hängt ganz vom jeweiligen Narrativ ab. In der Lesart von Donald Trump durchleiden die Amerikaner eine der schwächsten Expansionsphasen seit dem Zweiten Weltkrieg. Statt dem Aufschwung Flügel zu verleihen, habe Präsident Barack Obama die Konjunktur durch hohe Steuern und eine verfehlte Handelspolitik komplett abgewürgt.

US-Wirtschaft wächst schneller als in anderen westlichen Staaten

Richtig ist, dass die Wirtschaft seit Ende der „großen Rezession“ 2009 nur um 15,5 Prozent gewachsen ist. Das entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Zuwachsrate um rund 2,1 Prozent und liegt unter der anderer Konjunkturzyklen, aber deutlich über der anderer westlicher Industrienationen. Besorgniserregend bleibt die enttäuschende Entwicklung bei der Produktivität, die ein guter Indikator für den künftigen Reichtum einer Gesellschaft ist. Volkswirte ringen mit Erklärungen, warum die Leistung pro Arbeitsstunde in den USA so unterdurchschnittlich ausfällt. Ein wichtiger Faktor dürfte die mittlerweile chronische Vernachlässigung der Infrastruktur sein.

Trump hat recht, wenn er den Zustand der Flughäfen mit denen in weniger wohlhabenden Ländern vergleicht oder den Mangel an Investitionen in Amerikas Straßen und Brücken beklagt. Ehrlicherweise müsste er diese Kritik jedoch nicht gegen Obama, sondern gegen den republikanisch geführten Kongress richten. Die US-Konservativen taten mit ihrer Rotstiftpolitik in den vergangenen Jahren alles dafür, öffentliche Ausgaben für Infrastruktur zu verhindern.

Nicht falsch ist auch die Beobachtung, dass der Aufschwung an vielen Amerikanern vorbeigegangen ist. Das lässt sich an einer anderen Zahl ablesen, die von den Arbeitsmarktstatistikern der USA als „U-6“-Rate erfasst wird. Diese Erwerbslosenquote berücksichtigt auch Personen unter dem Rentenalter, die die Suche nach einem Arbeitsplatz aufgegeben haben. Diese Zahl ist mit 9,7 Prozent fast doppelt so hoch wie die offizielle Arbeitslosigkeit.

So berechtigt der Hinweis darauf auch ist, so wenig sagt er etwas über die Leistung der Regierung aus, da sich die Erfassung der Arbeitslosenstatistik in den vergangenen Jahren nicht verändert hat. Sie hilft aber zu erklären, warum sich eine nicht unbeträchtliche Zahl an Amerikanern zurückgelassen oder abgehängt fühlt.

An diese Gruppe appelliert Donald Trump mit seinem nun zum Programm erklärten Handelsprotektionismus. Strafzölle gegen China und Mexiko treffen einen populistischen Nerv, machen die Situation aber nicht besser. Im Gegenteil lässt ein Handelskrieg Experten einen Einbruch der Konjunktur erwarten. Dasselbe gilt für die vollmundig angekündigten, aber nirgendwo gegenfinanzierten Steuersenkungen.

Wer dem Narrativ Hillary Clintons und US-Präsident Barack Obamas folgt, bekommt ein ganz anderes Bild der Wirtschaft präsentiert. Demnach erleben die USA eine der längsten Aufschwungphasen in der Geschichte. Tatsächlich hat Obama die US-Ökonomie nach seiner Wahl 2009 mit einem fast 1 Billion Dollar schweren Investitionsprogramm vom Abgrund einer Depression zurück auf den Wachstumspfad geführt. Der beispiellose Zusammenbruch des Immobilienmarkts und die Vernichtung erheblicher Vermögenswerte in den privaten Pensionsplänen der Amerikaner haben dennoch ihre Spuren hinterlassen.

USA haben eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten ihrer Geschichte

Barack Obama hat damals einen Arbeitsmarkt geerbt, auf dem in jedem Monat fast 800 000 Jobs verloren gegangen sind. Dass 2016 im Jahresschnitt monatlich rund 186 000 Arbeitsplätze hinzukommen, belegt die deutliche Kehrtwende. Allein im Juli wuchs der Arbeitsmarkt um 255 000 Jobs. Mit 4,9 Prozent haben die USA eine der niedrigsten Erwerbslosenquoten seit Langem. Besonders ermutigend aus Sicht der Regierung ist auch die Entwicklung bei den Löhnen und beim Konsum. Die Stundenlöhne wachsen schneller als die Inflation, was bei vielen Amerikanern das Gefühl hinterlässt, mehr Geld in der Tasche zu haben. Die Verbraucher gaben im zurückliegenden Quartal satte 4,2 Prozent mehr aus als im vorherigen.

Zweifelsohne hat die Privatisierungspolitik in den vergangenen 30 Jahre zusammen mit der Globalisierung sehr viele Verlierer produziert, die seit Jahren persönlich keine wirtschaftliche Fortschritte mehr realisiert haben. Ausdruck dessen sind beispielsweise die stagnierenden Löhne im Niedriglohnsektor, unfreiwillige Teilzeitarbeit und das groteske Wohlstandsgefälle innerhalb des Landes. Wer auch immer die Geschicke der USA vom November an bestimmen wird, kommt an diesen Realitäten nicht vorbei.