Mainz

Sicherheit: Wird das Waffenrecht verschärft?

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Die Debatte über die „Reichsbürger“ heizt die Diskussion ums Waffenrecht wieder an: Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) fordert wie seine Länderkollegen in Thüringen und Schleswig-Holstein, es nach tödlichen Schüssen eines sogenannten Reichsbürgers auf Polizisten zu verschärfen: Er will Waffenbehörden die Regelabfrage beim Verfassungsschutz ermöglichen. Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) aber lehnt diese zusätzliche Abfrage ab: „Dies würde eher zu einer Stigmatisierung aller Waffenbesitzer führen und damit alle unbescholtenen Jäger und Sportschützen treffen.“

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Die Debatte über die „Reichsbürger“ heizt die Diskussion ums Waffenrecht wieder an: Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) fordert wie seine Länderkollegen in Thüringen und Schleswig-Holstein, es nach tödlichen Schüssen eines sogenannten Reichsbürgers auf Polizisten zu verschärfen: Er will Waffenbehörden die Regelabfrage beim Verfassungsschutz ermöglichen. Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) aber lehnt diese zusätzliche Abfrage ab: „Dies würde eher zu einer Stigmatisierung aller Waffenbesitzer führen und damit alle unbescholtenen Jäger und Sportschützen treffen.“

Aus Mainzer Sicht hat sich die rheinland-pfälzische Praxis bewährt: Sicherheitsbehörden prüfen in Verdachtsfällen, ob jemand legal eine Waffe besitzt. Ist dies der Fall, informieren Polizei sowie Verfassungsschutz die Waffenbehörden bei den Kreis- und Stadtverwaltungen. Seine guten Erfahrungen mit dieser Regelung will Lewentz in die Diskussion der Innenminister einbringen, wie er unserer Zeitung sagt. Die Debatte könnte Fahrt aufnehmen, denn Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat entschieden, dass die „Reichsbürger“-Bewegung jetzt bundesweit vom Verfassungsschutz systematisch überwacht wird – auch verdeckt. „Reichsbürger“ erkennen die Bundesrepublik nicht an und beharren auf dem Fortbestehen des Deutschen Reiches.

Rheinland-Pfalz hat im Bundesrat die hessische Gesetzesinitiative, die Abfragen beim Verfassungsschutz fordert, nicht unterstützt und Ende September mit Nein gestimmt. Aber: Mit Mehrheit ging diese Initiative an den Bundestag. Und Amtskollegen von Lewentz pochen darauf, dass der Bund ihr Ziel aufgreift: Waffenbehörden sollen über Regelanfragen beim Verfassungsschutz erfahren können, ob Schusswaffen legal in der Hand von Extremisten sind, und die Handhabe bekommen, ihnen die Waffenerlaubnis zu entziehen.

„Reichsbürger“-Problem heizt die Debatte an

Nach den tödlichen Schüssen eines „Reichsbürgers“ auf einen Polizisten in Georgsmünd bei Nürnberg im Oktober will auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) „ihre Waffenerlaubnisse zu entziehen“. Die Polizei wollte bei dem Mann Waffen beschlagnahmen, als dieser das Feuer auf sie eröffnete. In Kiel beklagt Innenstaatssekretärin Manuela Söller-Winkler (SPD), dass „wegen einer Gesetzeslücke“ 33 Rechtsextremisten noch legal über 124 scharfe Waffen verfügen.

Die Kosten für die Regelanfragen beim Verfassungsschutz schätzt Hessen in seinem Gesetzentwurf in den Ländern auf 4,6 Millionen Euro. Aber die müssten wohl die Waffenbesitzer über Gebühren bezahlen – wie schon jetzt, wenn ihre Zuverlässigkeit alle drei Jahre durch Abfragen bei Zentralregister, Staatsanwaltschaft und Polizei überprüft wird. Dabei variieren die Gebühren der 550 örtlichen Waffenbehörden in Deutschland je nach Bundesland oder auch Kreis. Stoßen Beamte auf eine registrierte Straftat, egal ob im Verkehr oder bei der Steuererklärung, wird demjenigen die Erlaubnis entzogen, Waffen zu besitzen.

Seit dem Amoklauf von Winnenden im März 2009, bei dem ein 17-Jähriger mit einer im elterlichen Schlafzimmer ungesichert gelagerten Pistole 15 andere Menschen und sich selbst tötete, wurde das Waffenrecht bereits verschärft und für legale Waffen das Kontrollnetz deutlich enger gespannt: Die Waffenbehörden können inzwischen auch ohne Verdacht (und ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl) überprüfen, ob jemand seine Waffen und Munition zu Hause ausreichend gesichert, sprich getrennt und gut verschlossen aufbewahrt. Wer dagegen verstößt, verliert das Recht, Waffen zu besitzen.

Aber: Müssen Schützen etwa auch tatsächlich mit Kontrollen rechnen? In Rheinland-Pfalz offenbar schon, wie eine stichprobenartige Umfrage unserer Zeitung ergab. Aus der Großstadt Berlin war zuletzt bekannt geworden, dass wegen Personalmangel in acht Monaten nur fünf von 9352 Waffenbesitzern ihre Tresore zeigen mussten. Im nördlichen Rheinland-Pfalz (ehemaliger Regierungsbezirk Koblenz) leben nach Angaben der ADD etwa 30.000 Bürger, die über knapp 150.000 Waffen (Stand: Ende September) verfügen.

Und sie müssen durchaus damit rechnen, dass Beamte unangemeldet an der Haustür klingeln: Im Kreis Mayen-Koblenz etwa verfügen 4513 Bürger über eine Waffenbesitzkarte. In den vergangenen zwölf Monaten wurden 283 Waffen eingezogen – und es gab 41 verdachtsunabhängige Kontrollen. Mayen-Koblenz hat es sich zum Ziel gesetzt, pro Jahr 1 Prozent der Waffenbesitzer zu kontrollieren, wie Sprecher Martin Gasteyer sagt. Oftmals sind es nach den Erfahrungen der Behörden vor allem Erben, die Schusswaffen abliefern. Wer aber Gewehre oder Pistolen der Vorfahren einfach vergisst und nicht anmeldet, kann Ärger bekommen.

Wie die Kreisverwaltungen betonen, ist vielen Waffenbesitzern auch nicht bewusst, dass sie regelmäßig nachweisen müssen, dass sie ihre Waffe benötigen, weil sie immer noch regelmäßig im Schützenverein aktiv sind oder weiter auf die Jagd gehen. Ist dies nicht der Fall, führt das in der Regel auch zum Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis.

Wer nicht dokumentiert, kann Erlaubnis verlieren

Nach der Erfahrung der Kreisverwaltung Ahrweiler ist auch noch immer nicht allen Waffenbesitzern bewusst, dass sie die sichere Aufbewahrung ihrer Waffen bei der Behörde dokumentieren müssen. Dazu seien sie aber auch unaufgefordert verpflichtet. Wer dagegen verstößt, „muss auch mit dem Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnis rechnen“, warnt Pressesprecher Jürgen Kempenich. Eine Bilanz an der Ahr: Rund 2100 Waffen wurden inzwischen in Schredderanlagen zerstört. Die Zahl der Waffenbesitzer hat sich von knapp 4000 auf 2754 verringert – in der Mehrzahl aber freiwillig.

Im Rhein-Hunsrück-Kreis gibt es derzeit 1953 Waffenbesitzer. Mehr als 80 Prozent von ihnen hätten Nachweise dazu vorgelegt, dass sie über vorgeschriebene Waffenschränke verfügen. Bei 342 Personen sei seit 2011 kontrolliert worden, ob dies auch stimmt. Die Stichproben erfolgen „nach dem Zufallsprinzip“. Die behördliche Begutachtung sei zwar immer nur eine Momentaufnahme. Aber nach der Erfahrung der Beamten verhalten sich – nicht nur im Rhein-Hunsrück-Kreis – vor allem aktive Jäger und Sportschützen „sehr sorgfältig und vorsichtig“. Dies liege schon im eigenen Interesse, wie auch beim Interessensverband Forum Waffenrecht zu hören ist.

Im Westerwaldkreis berichtet Alexandra Marzi, dass die Untere Waffenbehörde pro Jahr durchschnittlich 145-mal unangekündigt kontrolliert, ob Waffen wie auch Munition sicher (und getrennt verschlossen) aufbewahrt werden. Ist dies nicht der Fall, werden sie so lange sichergestellt, bis ein entsprechender Waffenschrank angeschafft ist. Vor allem Altbesitzer übergeben dann den Beamten lieber alte Gewehre und Pistolen direkt zur Vernichtung als noch einige Hundert Euro in Sicherheit zu investieren. Im Westerwaldkreis gibt es derzeit rund 4600 Waffenbesitzer, darunter etwa 2000 sogenannte Altbesitzer, 1200 Jäger und 1200 Sportschützen. Andere gehören zur Gruppe der Erben oder Sammler. Auch die Kreisverwaltung Cochem-Zell versichert, dass sie regelmäßig überprüft, ob die 1548 Waffenbesitzer es mit der Sicherheit ernst nehmen.

Im Rhein-Lahn-Kreis gibt es derzeit 2636 Waffenbesitzer, 2015 waren es noch 2712 und im Jahr zuvor 2756. Die Verwaltung nehme sich pro Jahr etwa 100 unangekündigte Kontrollen vor. Zudem würden Waffenbesitzer regelmäßig schriftlich aufgefordert, Nachweise (etwa Fotos) dafür vorzulegen, dass Waffen sicher aufbewahrt werden. „Pro Jahr sind dies etwa ein Drittel der Waffenbesitzer, sodass jeder alle drei Jahre drankommt“, wie Sprecher Uwe Rindsfüßer sagt.

Im nationalen Waffenregister auch Fehler gespeichert

Sogenannte Altbesitzer machen Beamten oftmals Probleme – aber nicht nur wegen fehlender Tresore in der vorgeschriebenen Kategorie. Es sind auch noch viele behördliche Angaben aus der Zeit vor 2013 im Nationalen Waffenregister zu korrigieren oder dem bundeseinheitlichen Standard anzupassen, wie Dieter Kronenberg bei der Stadtverwaltung Koblenz sagt. Für richtige Angaben sei auch viel technisches Wissen erforderlich, über das die zuständigen Beamten früher offenbar nicht immer verfügten. Allein vom Kaliber 22 gebe es etwa verschiedene 30 Typen.

Daher finden sich in dem 2013 aufgebauten nationalen Waffenregister noch Dubletten oder Kartei- und Dateifehler. Trotz ständiger Korrekturen ist er sich auch gar nicht sicher, ob in Koblenz tatsächlich die offiziell erfassten 1159 Personen leben, die legal über 5323 Schusswaffen verfügen. Vor einiger Zeit seien noch deutlich mehr Waffen registriert worden.

Bis Ende 2017, sagt Kronenberg, sollen die 2013 eingespeisten Grunddaten bereinigt sein. Hamburg habe dafür 120 Polizeibeamte freigestellt und geschult. „Aber den Luxus haben wir hier nicht.“ Und: Wenn das nationale Register fertig sei, komme das europäische. Die Arbeit endet für den Koblenzer Experten also nicht.

Aber die ist ihm bei allem Aufwand „sehr wichtig“. Sicherheitsfragen seien heute sehr ernst zu nehmen. Trotz aller Mängel ist er von der Notwendigkeit des Registers überzeugt: „Wenn eine legale Waffe gesucht wird, finden wir die auch.“ Bei illegalen, die heute massenhaft auf dunkeln Internetseiten zu haben sind, ist dies ungleich schwerer.

Ursula Samary