RZ-Serie „Schlagabtausch“: Windenergie: Kommt der Naturschutz zu kurz?

Von Harry Neumann

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Von Harry Neumann

Angesichts des weitersteigenden CO2-Ausstoßes, des Klimawandels und der atomaren Risiken brauchen wir eine wirkliche Energiewende als Alternative zu Atom und Kohle. Der BUND war und ist die treibende Kraft bei der Mobilisierung der Bevölkerung für die Energiewende und den Atomausstieg. Über 700 000 Menschen, Zehntausende in Rheinland-Pfalz, sind allein 2011 dafür auf die Straße gegangen. Wir unterstützen darum das Ziel der Landesregierung, eine Verfünffachung der Windenergie zu erreichen. Allerdings halten wir es für notwendig, dass dieser Ausbau gelenkt vor sich geht, weil sonst sowohl die Lebensqualität der Menschen als auch die Lebensräume für viele Tierarten gefährdet sind. Eine Energiewende gibt es nicht zum „ökologischen Nulltarif“, es gilt aber, das „rechte Maß“ zu finden.

Der Wille zu einer qualitativen Steuerung mit Vorrang- und Vorbehaltsgebieten ist derzeit im Wirtschaftsministerium wenig zu erkennen. Von mehr Transparenz oder besserer Bürgerbeteiligung kann keine Rede sein. Die Fortschreibung des Landesentwicklungsplans und des Windenergieerlasses mit klaren Ausschlusskriterien lässt weiter auf sich warten. Die Politik hinkt der Realität hinterher und macht in unserem Land einer Art „Windhundpolitik“ Platz, die mit einer naturverträglichen, gesteuerten Planung wenig zu tun hat.

Der aktuelle Raumordnungsplan der „Planungsgemeinschaft Mittelrhein-Westerwald“ fördert diese „Goldgräberstimmung“ noch. „Die Entscheidung über Windkraftstandorte allein den Kommunen zu überlassen, führt zu unkoordiniertem Wildwuchs und zur vermeidbaren Überprägung der Landschaft“, erklärte hierzu der Landesvorsitzende des BUND, Dr. Holger Schindler. Indem sie erneut nichts plant, fördert die Planungsgemeinschaft Planlosigkeit und sachfremde Entscheidungen.

So gewinnen wir den Eindruck, dass es nicht mehr um Ökologie geht, sondern nur noch um Rendite. „Wir können es nicht zulassen, dass die notwendige Energiewende für rein renditeorientierte Investoren am Bürger und an der Natur vorbeiinstrumentalisiert wird. Die ungebremste Geschwindigkeit des Prozesses ist durch gründliche Fachplanungen zu reduzieren“, sagte Schindler.

Die Sanierung maroder kommunaler Finanzen über Wind-Pachteinnahmen hat mit Energiewende nur bedingt zu tun. Die beste Energie ist die, die nicht verbraucht wird. Energiesparen, Effizienz und Speichertechnik müssen höchste Priorität haben. Von der Landesregierung ist hier wenig Greifbares zu hören. Wo bleibt die Energiewende im Verkehrsbereich, in der Landwirtschaft, in der Ernährung? Solange der Industrie der Mehrverbrauch an Energie mit Niedrigpreisen honoriert wird, wird der Einspargedanke ad absurdum geführt. Ersetzen wir die fossilen Energieträger einfach durch erneuerbare, brauchen wir unseren Lebensstil nicht zu ändern und können weiter hemmungslos mit den Ressourcen der Erde umgehen. Ist dies wirklich nachhaltig? Sollte die Energiewende nicht auch eine werteorientierte sein?

Für die Verfünffachung der Windenergie werden nach der Fraunhofer-Studie 1 bis 2 Prozent der Landesfläche benötigt, die ohne Nutzung von Wald und Schutzgebieten zur Verfügung stehen. Diese sollte daher in den Regionalplänen menschen- und naturverträglich als Vorrangfläche ausgewiesen werden. Mit größeren Windanlagen kann deren Anzahl auf die Hälfte bis ein Drittel reduziert und der Stromertrag um das 3- bis 7-Fache erhöht werden. Das lässt sich nur mit einer gesteuerten Entwicklung erreichen, die auch den Gutachtern helfen würde, ihr Fähnchen nicht oftmals „nach dem Wind“ richten zu müssen.

Alle Naturschutzverbände lehnen Windenergieanlagen in Natura-2000-Gebieten, Naturschutzgebieten, Nationalparken, Kernzonen der Naturparke, in großen noch windkraftfreien und naturnahen Wäldern mit alten Bäumen und Vogelflugkorridoren ab. Angemessene Abstände um Ortschaften sind einzuhalten. Und „bestimmte Regionen müssen auch weiterhin völlig tabu bleiben“, fordert BUND-Bundesvorsitzender Professor Hubert Weiger.

Die Errichtung von Windanlagen im Wald muss sich auf Gebiete beschränken, in denen regional keine anderen Flächen bereit stehen, wobei die Empfehlungen des Bundesamtes für Naturschutz zu berücksichtigen sind. Es darf nicht sein, dass dem ohnehin geschundenen Wald das Industriegebiet in die „zweite Etage“ gelegt wird. Das Umweltministerium möchten wir ermutigen, seine Stimme im Sinne des Naturschutzes noch stärker einzubringen.

Die genannten Rahmenbedingungen müssen bei der Novellierung des LEP IV durch die Landesregierung schnell, eindeutig und naturverträglich vorgegeben werden. Werden die Hinweise der Bürger und Umweltverbände berücksichtigt und können die Fachbehörden politisch unbeeinflusst entscheiden, können mögliche Konflikte umgangen und die am besten geeigneten Standorte genutzt werden.

Hier und zum Beispiel bei der Ausweisung des „Truppenübungsplatzes Stegskopf“ als Naturschutzgebiet und der Erhaltung des Giebelwaldes wird sich zeigen, ob es die Landesregierung beim Ausbau der Erneuerbaren Energien wirklich ernst meint mit dem Schutz von Umwelt, Natur und Mensch. Die rot-grüne Regierung läuft ansonsten Gefahr, ihren Vertrauensvorschuss bei den Umweltverbänden durch ihre Wind- und Waldpolitik und ihre geringe Transparenz zu verspielen.