Frankfurt

RZ-Interview über die Konzepte deutscher Regionalflughäfen: Das lange Scheitern

Das Konzept Regionalflughafen ist in Deutschland gescheitert – zu diesem Urteil kommt Eric Heymann, Analyst bei der Deutschen Bank. In zwei Studien hat der Ökonom in den Jahren 2005 und 2015 die Entwicklung und Aussichten von Regionalflughäfen in Deutschland beschrieben.

Lesezeit: 5 Minuten
Anzeige
Mit dem öffnen des externen Inhaltes erklären Sie sich einverstanden, dass Ihre Daten an //www.thinglink.com/card/840682042952777729 übermittelt werden und Sie die Datenschutzerklärung gelesen haben.

Im Interview mit unserer Zeitung erklärt der Verkehrsexperte, warum die kleineren Airports kaum volkswirtschaftlichen Nutzen bringen und weshalb er eine Konsolidierung erwartet. Auch für den Hunsrück-Airport Frankfurt-Hahn, der lange Zeit als Vorbild für erfolgreiche Regionalflughäfen galt, wird es eng. Rückgänge bei den Passagierzahlen, weniger Umsatz, Millionenverluste: Mit diesen wirtschaftlichen Problemen steht der Hahn nicht allein da.

Händeringend sucht die rheinland-pfälzische Landesregierung derzeit nach einem Käufer für den defizitären Flughafen. Sollte sich die Suche weiter verzögern, droht am Horizont bereits die Insolvenz. Für Analyst Heymann steht fest: „Die Skepsis, die wir in einem Bericht von 2005 gegenüber Ausbauplänen an Regionalflughäfen geäußert haben, hat sich aus heutiger Sicht als begründet erwiesen.“

Herr Heymann, wie steht es um die Regionalflughäfen in Deutschland?

Die Entwicklung in den vergangenen Jahren ist negativ. Letztlich gibt es kein einziges wirkliches Erfolgsmodell, von dem man sagen könnte, dass sich mit einem Regionalflughafen die Erwartungen in einer Region erfüllt hätten.

Woran liegt das?

Der Hauptgrund ist, dass wir in Deutschland bereits eine flächendeckende Versorgung mit größeren Flughäfen haben. Ein Großteil der Bevölkerung kann in angemessener Zeit einen dieser Airports erreichen. Deshalb ist das Interesse von Airlines und Passagieren an den kleineren Flughäfen eher gering. Dass das betriebswirtschaftlich zu Verlusten führt, halten wir eher noch für zweitrangig. So ist der Öffentliche Personennahverkehr fast immer auch ein Zuschussgeschäft für die Kommunen. Aber hier haben wir einen hohen verkehrs- und volkswirtschaftlichen Nutzen. Dieser ist bei Regionalflughäfen aufgrund der geringen Nachfrage von Passagieren und Fluggesellschaften vernachlässigbar.

Viele Regionalflughäfen werden seit Jahren mit Geld vom Staat über Wasser gehalten. Hätte ein Unternehmer einen ähnlich langen Atem?

Eher nein. Er bräuchte dafür einen geduldigen Kapitalgeber, der das durchhält. Das wäre schon eine Herausforderung.

Hätte man vorher wissen können, dass die Nachfrage gering ausfällt?

Ich denke schon. Ende der 90er-Jahre gab es mit dem Hahn und Ryanair ein positives Beispiel für die Nutzung vormals militärischer Flughäfen. Arbeitsplätze wurden geschaffen, die Verkehrszahlen gingen nach oben. Der Hahn war aber ein trügerisches Vorbild für kommunalpolitische Entscheidungsträger in anderen Regionen, die sich vielleicht auch von den global wachsenden Luftverkehrszahlen blenden ließen und die Wachstumschancen in ihren Regionen zu optimistisch beurteilten. Ich denke, dass man früh hätte erahnen können, dass sich das Modell Hahn nicht beliebig oft kopieren lässt.

Das klingt fast so, als sei der Hahn ein Vorzeigemodell – dabei läuft es betriebswirtschaftlich bei dem Airport auch nicht rund.

In der Entwicklungsphase vieler regionaler Flughäfen, gerade in den 2000er-Jahren, war der Hahn durchaus ein Vorbild – zumindest was die Passagierzahlen angeht; betriebswirtschaftlich war er das sicherlich nie.

Politiker haben sich positive Effekte auf die regionale Wirtschaft durch die kleinen Airports erhofft. Sind diese Effekte eingetreten?

Nein, keineswegs. Das zeigt schon ein Blick auf die Angebote der Regionalflughäfen, die abseits von Großstädten liegen: Das sind in der Regel Verbindungen in die klassischen Touristenziele wie Spanien, Italien; London ist manchmal noch mit dabei. Für die Unternehmen in der jeweiligen Region hat das überhaupt keinen Einfluss darauf, wie gut sie an die Welt angebunden sind. Das war ja oft eines der Hauptargumente für den Ausbau der Flughäfen. Jedes Unternehmen kann entscheiden, welche Standortfaktoren für die Firma wichtig sind. Ein Betrieb, der in Berlin oder in Hamburg sitzt, ist besonders gut an die Welt angebunden, hat aber auch höhere Miet- oder Lohnkosten. Man kann nicht alle Regionen strukturpolitisch auf ein und dasselbe Niveau bringen. Für Firmen im ländlichen Raum ist eine gute Autobahnanbindung sicherlich wichtiger als ein Flughafen mit touristischen Flugverbindungen.

Arbeitsplätze wurden durch die Regionalflughäfen aber schon geschaffen ...

Volkswirte bekommen von dem Arbeitsplatzargument immer Bauchschmerzen. Wenn der Staat Geld in die Hand nimmt und etwas bauen lässt oder fördert, entstehen immer Arbeitsplätze. Die Frage ist aber: Hätte man mit diesem Geld an anderer Stelle mehr Wertschöpfung erzielen können? Wäre das staatliche Geld zum Beispiel besser in lokale Bildungsinfrastruktur investiert? Es gehört nicht zu den Aufgaben des Staates, dauerhaft subventionierte Arbeitsplätze zu schaffen in einem Bereich, der nur einen geringen verkehrs- oder volkswirtschaftlichen Nutzen hat – auch nicht auf regionaler Ebene.

Während die Passagierzahlen bei großen Flughäfen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sind, sind sie bei Regionalflughäfen eher gesunken. Warum?

Den ersten Einbruch der Passagierzahlen gab es mit der Rezession 2008/2009. Richtig weh tat den kleinen Flughäfen aber die Einführung der Luftverkehrsteuer von 2011. Viele kleinere Flughäfen zielen ja mit ihren Billigairlines auf preissensible Kunden. Durch die Erhöhung der Ticketpreise sind die Passagierzahlen damals schlagartig zurückgegangen, und die Flughäfen konnten sich davon nicht so leicht erholen. Außerdem wanderten etliche Airlines ins grenznahe Ausland ab, um diese Steuer zu umgehen. Zudem zieht es die Billigflieger inzwischen vermehrt zu den größeren Flughäfen oder zu kleineren in Großstadtnähe. Dort sehen sie bessere Wachstumschancen. Die Flughäfen in Leipzig, Bremen oder Dresden haben sich besser entwickelt als solche, die auf dem Land liegen.

Gibt es Wachstumschancen beim Transport von Fracht?

Das Geschäft mit Fracht ist noch stärker abhängig von der Bündelung von Verkehrsströmen am Flughafenstandort als das Geschäft mit Passagieren.

Regionalflughäfen punkten oft mit einem 24-Stunden-Betrieb.

Stimmt. Doch dieser Vorteil ist schnell dahin, wenn es zu wenige Unternehmen in der Gegend gibt, welche diese Fracht brauchen, oder wenn die Waren erst in die Wirtschaftszentren gefahren werden müssen. Am Flughafen in Leipzig/Halle läuft das Geschäft mit Fracht sehr gut. In dieser Region gibt es genügend Industrie und Anbindungen an mehrere Autobahnen. Das sind wichtige Entscheidungskriterien. Zudem lässt sich auch so ein Modell nicht beliebig oft wiederholen. Es wird nicht 15 deutsche Frachtdrehkreuze geben. Und Frankfurt ist trotz des Nachtflugverbots der dominierende Flughafen für Fracht geblieben.

Wird es jetzt zu einem Flughafensterben kommen?

Einige Flughäfen werden womöglich schließen, vor allem dort, wo es mehrere Airports auf engem Raum gibt. Aber vor allem dürfte es zu einer betrieblichen Konsolidierung kommen, viele Flughäfen werden sich gesundschrumpfen müssen.

Ist denn das Konzept Regionalflughafen in Deutschland gescheitert?

Politisch ist es gescheitert. Zwar haben Regionalflughäfen eine wichtige Funktion für die allgemeine Luftfahrt. Aber wir haben bereits 2005 vorgeschlagen, dass der Bund mehr Verantwortung bei Ausbauprojekten haben müsste. Es käme ja auch niemand auf die Idee, neben einer wenig ausgelasteten Autobahn noch eine zweite zu bauen. Der Bund entscheidet, ob und wo Autobahnen gebaut werden. Bei den Flughäfen ist das bislang nicht so.

Das Gespräch führte Stefan Hantzschmann

Zur Person

Eric Heymann
Eric Heymann
Foto: Martin Joppen

Eric Heymann (43) ist Senior Economist bei Deutsche Bank Research in Frankfurt. Die Denkfabrik des größten deutschen Geldhauses ist verantwortlich für die volkswirtschaftliche Analyse der Bank und untersucht die für die Bank relevanten Trends auf den Finanzmärkten, in Wirtschaft und Gesellschaft. Eric Heymann ist zuständig für die Bereiche Verkehrswirtschaft und -politik, Automobilindustrie, industrielle Querschnittsthemen sowie Klima- und Umweltpolitik. Zu diesen Themengebieten veröffentlicht er regelmäßig Berichte im Rahmen der Publikationen von Deutsche Bank Research und in externen Zeitschriften. Der Diplom-Ökonom hat Wirtschaftswissenschaften an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert.