Moskau

Russlands neuer Kalter Krieg

Die Rohstoffpreise waren im Keller. Mit den Einnahmen aus Öl und Gas konnte die Sowjetunion Ende der 1980er-Jahre das riesige Reich und die sozialistischen Satellitenstaaten nicht mehr versorgen. Die Sowjetunion verfügte über keine Güter, um die Einbrüche im Rohstoffgeschäft wettzumachen. Vieles hat sich in Russland seit dem Fall des Eisernen Vorhangs verändert. Die Abhängigkeit vom Energiesektor ist aber ebenso geblieben wie der Mangel konkurrenzfähiger Industriegüter aus heimischer Produktion.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Von unserem Moskauer Korrespondenten Klaus-Helge Donath

Russland steht 25 Jahre nach der Auflösung des Warschauer Paktes vor ähnlichen Problemen wie damals. Das Land konzentriert sich aber nicht darauf, wiederkehrende wirtschaftliche Schwächen zu beseitigen. Stattdessen versucht es, die verlorene Rolle als zweite Supermacht neben den USA wiederzubesetzen: 2008 führte es Krieg gegen Georgien, 2014 annektierte es die Krim, anschließend lancierte es eine verdeckte Intervention in der Ostukraine. 2015 griff der Kreml in Syrien auf der Seite des Diktators Baschar al Assad ein. Zu guter Letzt drohte Russland auch noch, sich auf ein Scharmützel mit der Türkei einzulassen. Dies alles vor dem Hintergrund sinkender Wirtschaftsleistungen.

Wirtschaftliche Probleme

Der Popularität Präsident Wladimir Putins tut dies jedoch keinen Abbruch. Im Gegenteil, viele Menschen begrüßen die Rückkehr auf den Olymp der Weltpolitik. Dafür sind sie bereit, Opfer zu bringen. Wer als Bürger nur begrenzt Rechte besitzt, freut sich umso mehr über die kollektive Teilhabe an außenpolitischen und militärischen Errungenschaften.

Ein neuer Kalter Krieg gewährt Moskau die internationale Anerkennung, die ihm aus eigener Sicht gebührt und erhebt es zum gleichberechtigten Gegenspieler der USA. Nur darum geht es, nicht um die Schaffung einer alternativen Weltordnung. Aus russischer Sicht ist die Gleichrangigkeit erstrebenswert. Nicht jedoch die frühere Feinregulation des Gegensatzes, als jede Partei wusste, welche Folgen ein Regelverstoß nach sich ziehen würde.

Der frühere Kalte Krieg duldete keine Experimente. Berechenbarkeit war sein Prinzip. Wladimir Putins Außenpolitik kehrte diese Gewissheit um. Seine Unberechenbarkeit beschert ihm einen Sieg nach dem anderen. Das erhöht die Vorsicht des Gegenübers und sichert Moskau vorübergehend Respekt. Die Hemmschwelle des Kreml ist gesunken: Internationales Regelwerk wird verletzt, und der Kreml scheut auch den Einsatz des Militärs nicht mehr.

Vabanque-Spiel mit dem Westen

Moskaus wirtschaftliche Schwäche und die selbstgewählte Isolation dürften die Auseinandersetzung mit dem Westen noch längere Zeit am Köcheln halten. Die Schwelle eines bewaffneten Konfliktes soll nicht überschritten werden. Dennoch bleibt es ein Vabanque-Spiel, das jederzeit explosiv enden kann. Der Westen wird sich auf regelmäßige Störmanöver an unterschiedlichsten Orten einrichten müssen. Nur einen Showdown mit der Nato möchte Moskau vermeiden. Dem wäre es nicht gewachsen. Noch etwas gilt als sicher: je unsicherer der Kreml im Innern, desto riskanter die außenpolitischen Manöver.