Rheinland-Pfalz

RING-DRAMA 8: Goldgräberzeiten sind am Nürburgring vorbei

Reizfigur Richter: Der Düsseldorfer Unternehmer hat wenig Freunde am Nürburgring. Denn spätestens der jüngste geheime Berichtsentwurf des Rechnungshofs zur Cash Settlement & Ticketing GmbH (CST) dokumentiert, wie dreist der Unternehmer lange versucht hat, an der Rennstrecke mit geringem Einsatz maximale Profite rauszuschlagen.

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Rheinland-Pfalz. Reizfigur Richter: Der Düsseldorfer Unternehmer hat wenig Freunde am Nürburgring.

Denn spätestens der jüngste geheime Berichtsentwurf des Rechnungshofs zur Cash Settlement & Ticketing GmbH (CST) dokumentiert, wie dreist der Unternehmer lange versucht hat, an der Rennstrecke mit geringem Einsatz maximale Profite rauszuschlagen.

Das Land ließ sich dabei bereitwillig über den Tisch ziehen (wir berichteten). Und dennoch ist Richter nach wie vor im Geschäft. Mit seiner Firma Mediinvest hält er 50 Prozent an der Automotive GmbH. Damit ist er nicht nur Partner der nahezu landeseigenen Nürburgring GmbH, sondern auch Pächter des gesamten Nürburgrings. Warum konnte bislang niemand Richter ausbremsen? Dazu eine Analyse, in die intensive Gespräche mit dem Wirtschaftsministerium, neuen und alten Aufsichtsräten der Nürburgring GmbH sowie Erkenntnisse aus dem Untersuchungsausschuss einfließen.

Was ist die Vorgeschichte zum Festhalten an Kai Richter?

Nachdem die Finanzierung des Freizeitparks im Juli 2009 spektakulär zusammengebrochen war, was den damaligen Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) und in der Folge auch Walter Kafitz, den Hauptgeschäftsführer am Ring, seinen Job kostete, war an der Eifel-Rennstrecke ein riesiger Scherbenhaufen entstanden. Wirtschaftsminister Hendrik Hering (SPD) fiel innerhalb der Landesregierung die Aufgabe zu, die Kostenbremse zu ziehen und den Ring danach wie Phoenix aus der Asche wiederauferstehen zu lassen. Dazu wurde der Aufsichtsrat der Nürburgring GmbH zu einem „Aufräumteam“ umfunktioniert und fast komplett neu besetzt. Den Vorsitz übernahm der frühere nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Ernst Schwanhold (SPD). Zudem ließen sich Ex-Finanzminister Gernot Mittler (SPD) und Ex-Landesbankchef Friedhelm Plogmann für den Knochenjob gewinnen. Der Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), behielt seinen Platz.

Ministerium und Aufsichtsrat sahen nicht nur Misswirtschaft, so weit der Eifel-Horizont reichte, sie hatten auch einen Wust von 20 Firmen und rund 1300 Verträgen zu entwirren. „Bei den meisten war schnell ersichtlich, warum die Vertragspartner sie abgeschlossen hatten, und kaum nachvollziehbar, warum die Nürburgring GmbH darauf eingegangen ist“, so Wirtschaftsminister Hendrik Hering. Meist war der Staat der Dumme.

Doch nicht nur ein schier unüberschaubares Vertragsgeflecht war das Problem. Es fehlte auch ein solventer Investor. Der wenig finanzstarke Projektmanager Richter war ja von Finanzminister Ingolf Deubel lange und fälschlicherweise zum „Investor“ hochstilisiert worden, um eine Privatfinanzierung vorzugaukeln. Die nötigen Millionen sollten mit einem abenteuerlichen Finanzgeschäft verdient werden, bei dem der angeblich so gewiefte Stratege Deubel auf einen Schweizer Betrüger hereinfiel. Nach diesem Debakel fehlte am Nürburgring im Sommer 2009 viel Geld. Es musste also ein Investor mit reichlich Kapital und einem guten Namen her. Doch zunächst machten alle potenziellen Geldgeber einen großen Bogen um den Nürburgring – dessen Image war, gelinde gesagt, bescheiden.

Wie kam es dann zum Engagement von Richter und Lindner?

Wirtschaftsminister Hering gelang es dennoch über einen persönlichen Kontakt, Otto Lindner von der millionenschweren Lindner-Hotelkette für den Ring zu interessieren. Diese betrieb ein Hotel im Westerwald, aus dem Hering stammt. Im Lindnerschen Familienrat wurde schließlich Ottos Bruder Jörg ausgeguckt, das Mammutprojekt in der Eifel zu schultern. Er hatte am ehesten Kapazitäten frei. Bei den Vertragsgesprächen, die im November 2009 in Köln liefen, nannte die Lindner-Gruppe für ihren Einstieg eine heikle Bedingung: Kai Richter sollte mit an Bord kommen. Die Lindner-Familie kannte den Unternehmer aus Düsseldorf und hatte bereits auf anderen Geschäftsfeldern mit ihm kooperiert – wohl ohne negative Nachwehen. Zudem wollte Jörg Lindner einen versierten Nürburgring-Kenner an seiner Seite.

Gab es nicht dennoch massive Bedenken gegen Richter?

Vonseiten des Landes und des Nürburgring-Aufsichtsrats ganz klar. Im Aufsichtsrat wurden ausgiebig Möglichkeiten diskutiert, sich von Richter zu trennen (übrigens eine alte Forderung der rheinland-pfälzischen Opposition). Begründung: Mit ihm würde jeglicher Neuanfang auf Misstrauen stoßen. Doch um den Geschäftsmann gegen seinen Willen loszuwerden, hätte man seine Firmen insolvent gehen lassen müssen – etwa die MSR (Motorsport Resort Nürburgring), die zu knapp 50 Prozent der Richter-Firma Mediinvest gehörte. Ein solch rabiater Schritt hätte den Nürburgring möglicherweise komplett in den wirtschaftlichen Abgrund gerissen. Der laufende Betrieb wäre gefährdet gewesen. Zudem war die Nürburgring GmbH, also das Land, ja selbst an dem Firmenkonstrukt beteiligt.

Konnte man Richters Geschäftspraktiken wenigstens einen Riegel vorschieben?

Zunächst ließ das Land Richter gründlich überprüfen. Dabei trat nichts Belastendes zutage. Danach versuchte man, den gordischen Knoten mit einer Neukonstruktion zu zerschlagen. Die Nürburgring GmbH übernahm den gesamten Besitz, den das Land sowieso weitgehend bezahlt hatte. Das verschachtelte Firmenkonstrukt wurde unter dem Dach der Automotive GmbH gebündelt, die Ringwerk, Hotel, Gastronomiedorf und später die Rennstrecke pachten und betreiben sollte. Ziel: Schluss mit Doppel- und Nebenstrukturen und der am Ring so beliebten Abzocke.

Die MSR (mit einem Teil der Ring-Immobilien) ging in den Besitz der Nürburgring GmbH über. Alleiniger Geschäftsführer der Automotive GmbH wurde nach der Neukonzeption im Mai 2010 Jörg Lindner. Die Gesellschafteranteile verteilen sich wie folgt: 50 Prozent Lindner-Gruppe, 50 Prozent Richters Mediinvest.

Der härteste Punkt bei den 30-stündigen Verhandlungen zwischen Nürburgring GmbH und Wirtschaftsministerium sowie Richter und Lindner Ende März 2010 war das einseitige Kündigungsrecht der Nürburgring GmbH. Bringt die Automotive GmbH nicht eine Million mehr als die vereinbarte Mindestpacht, kann die Nürburgring GmbH, also das Land, die Verträge lösen und sich auf die (nicht einfache) Suche nach einem neuen Partner begeben. „Damit trägt die Automotive das wirtschaftliche Risiko“, sagt Wirtschaftsminister Hering. „Wir haben bei den Verträgen peinlich darauf geachtet, dass Richter sich nicht mehr irgendwie bedienen kann.“

Wie ernst zu nehmen ist das Engagement der Lindner-Gruppe?

Zunächst bürgt die renommierte Hotelkette mit ihrem Namen. Dann riskierte das Land einen Lackmustest. Eine der Richter-Firmen geriet während der Verhandlungen in Finanznot. Sofort wurde wieder der Ruf nach dem Land laut, dass erneut mit einer größeren Summe helfen sollte. Das Wirtschaftsministerium stellte sich stur. Schließlich sprang die Lindner-Gruppe ein. Die Botschaft: Die Zeit, in der das Land jedes Risiko mit Steuergeld absichert, ist vorbei.

Wie wurden die unhaltbaren Zustände bei der CST abgestellt?

Die Cash Settlement Ticketing GmbH (CST), für das bargeldlose Bezahlsystem am Ring zuständig, wurde im Dezember 2010 in die Automotive GmbH überführt. Der Grund: Damit sind Lindner/Richter für den Erfolg (oder Misserfolg) verantwortlich. Das Land kann nicht mehr geschröpft werden. Von einem aus Steuergeldern gewährten Zehn-Millionen-Euro-Darlehen muss die Automotive sieben Millionen Euro im Zeitraum von rund zehn Jahren (sechs Prozent Verzinsung) an die Nürburgring GmbH zurückzahlen. Drei Millionen fallen weg, weil Zutritt- und Kontrollsysteme (wie Drehkreuze und Schranken) in den Besitz der (dem Land gehörenden) Nürburgring GmbH übergingen.

Kann Richter auch etwas Positives vorweisen?

Kai Richter verhält sich am Nürburgring im Umgang mit Kritikern höchst undiplomatisch, frei nach der Devise: lieber Klagen androhen statt zu reden. Dennoch muss man anerkennen: Die von ihm forcierten Projekte wie das Feriendorf, die Hotels und die gastronomischen Betriebe („Grüne Hölle“) sind halbwegs profitabel und technisch okay. Das kann man vom Part der Nürburgring GmbH unter Walter Kafitz nicht behaupten: Die Achterbahn „Ringracer“ läuft immer noch nicht. Boulevard und Ring-Arena sind bislang ein Flop.

Von unserem Redakteur Dietmar Brück