Berlin/Athen

Rettungsschirm für Athens Luxusarmee

Griechenland hat mehrere deutsche Unterseeboote gekauft – ein Milliardengeschäft für die deutschen Werften und in der Exportkrise dringend notwendig. Dass Griechenland allerdings zugleich auf eine Insolvenz zusteuert, scheint dabei kaum zu stören.
Griechenland hat mehrere deutsche Unterseeboote gekauft – ein Milliardengeschäft für die deutschen Werften und in der Exportkrise dringend notwendig. Dass Griechenland allerdings zugleich auf eine Insolvenz zusteuert, scheint dabei kaum zu stören. Foto: picture alliance / dpa

Seit Jahrzehnten sind die Griechen gern gesehener Gast bei deutschen und französischen Rüstungsfirmen. Konzerne und Industriestaaten wollen sich den Absatzmarkt Griechenland mit aller Macht und allen Tricks erhalten – Rettungsschirm hin oder her.

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Berlin/Athen – In den Straßen stapelt sich der Müll, die Menschen streiken für ihre Arbeitsplätze, und die Regierung geht mit dem Klingelbeutel durch Europa, um mit den nächsten Hilfsmilliarden die Insolvenz zu vermeiden beziehungsweise hinauszuzögern – doch zugleich rüstet Griechenland auf wie kein anderer Staat in Europa.

Die Einkaufsliste ist lang und vom Feinsten: 183 deutsche Panzer vom Typ „Leopard 2-A4“, sechs U-Boote der Klasse 214 oder 40 neue Jagdflugzeuge. Hinzu kommen sechs französische Fregatten und Hunderte russische Schützenpanzer. Allein die U-Boote sollen mehr als 3 Milliarden Euro kosten.

Kauflust aus Angst vor Türkei

Seit Jahrzehnten sind die Griechen gern gesehener Gast bei deutschen und französischen Rüstungsfirmen. „Athen rüstet seit Jahren aus Angst vor der Türkei. Das ist immer der Grund für die exorbitanten Ausgaben gewesen“, erklärt Christian Mölling, Rüstungsexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Bei den Griechen sind die Ängste vor dem ebenfalls hochgerüsteten Nachbarn im Osten riesig – auch wenn beide Staaten der Nato angehören.

Es ist ein gewagtes Geschäft, das die Konzerne in Südeuropa betreiben. Denn: „Die Rüstung Griechenlands ist weder der Bedrohungs- noch der Finanzlage angemessen.“ Seit Jahren liegen die Ausgaben auffallend weit über dem EU-Schnitt.

Doch solange die Industrie daran verdiente, erhob niemand Einspruch gegen den Sicherheitswahn der Hellenen. Und das Geld fließt weiter. „Die Verträge sind weitgehend in der Vergangenheit geschlossen worden. Wo Athen nicht gezahlt hat, sind Waffen nicht ausgeliefert worden. Aber die Branche hat lange daran geglaubt, dass Griechenland immer weiter bestellen wird“, sagt Mölling. Nun drohen die Gelder zu versiegen.

Die Rüstungskonzerne lassen sich deshalb neue Modelle einfallen, um die Griechen auch weiterhin auf der Kundenliste zu führen. Denn das verspricht Folgeaufträge und kostenintensive Instandhaltung in den folgenden Jahren, die man nicht an die Konkurrenz verlieren will. Paris hat Athen beispielsweise zwei bis vier Fregatten zum Nulltarif angeboten, schreibt der „Spiegel“. 300 Millionen Euro kostet ein Schiff. Die Griechen sollen es fünf Jahre kostenlos nutzen und erst dann bezahlen. „Vor allem die französischen Werften sind offenbar sehr erfinderisch, wenn es darum geht, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Ihnen steht in der Krise das Wasser bis zum Hals. Über Umwege finanziert der französische Staat diese Geschäfte wieder mit“, schildert Mölling.

Und auch Deutschland sitzt über den Rettungsschirm mit im Boot: „Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass wir mit unseren Steuern und Rettungsfonds Griechenlands Aufrüstung ermöglichen“, bilanziert Mölling. Doch offiziell schweigen die EU-Staaten dazu.

„Ich gehe davon aus, dass bei den Verhandlungen über die Finanzkrise und ihre Bewältigung die Rüstungsfragen immer weitgehend ausgeklammert sind“, sagt Jan Grebe, Fachmann für Rüstungsexporte beim Bonn International Center for Conversion (BICC). Auch wenn es weltweit einen kleinen Einbruch gibt, läuft das Geschäft mit den Waffen weiter. „Es gibt aus sicherheitspolitischer Sicht keinen Grund, warum Griechenland weiter aufrüsten müsste“, urteilt Grebe. Athen habe genug Waffen, um seine Sicherheit zu gewährleisten, und auch die Türkei fahre seit einigen Jahren einen recht moderaten Kurs.

Finanzhilfe gegen Rüstungsaufträge

Warum rüstet Griechenland also trotz geschwundener Bedrohung, aber drohender Insolvenz weiter? Der ehemalige Chef der Europäischen Verteidigungsagentur, Nick Witney, ging bereits vor einem Jahr im „Spiegel“ davon aus, dass Deutschland und Frankreich „die Griechen in der Hand“ hätten. Vieles habe dafür gesprochen, dass sich die Griechen das Entgegenkommen bei der Finanzhilfe mit weiteren Aufträgen an die Rüstungsunternehmen der Helferstaaten erkauft hätten. Es würde erklären, warum man sich in Brüssel in Sachen Rüstung so bedeckt hält.

Denn dort fürchtet man nur eines mehr als die Auftragsstornierungen aus Athen: die Vergabe an Dritte wie China, Russland und die USA. Letztere haben kürzlich 400 Panzer zum Schleuderpreis angeboten – Panzer, die natürlich teuer gewartet werden müssen.

Peter Lausmann