Berlin

Punktereform – der Führerschein ist schneller weg

Erwischt! Mit dem neuen Punktesystem der Flensburger Verkehrssünderkartei wird es für betroffene Autofahrer teurer. Vor allem Raser und Rotlicht-		Ignoranten werden künftig deutlich heftiger zur Kasse gebeten als bisher. Foto:  Fotolia
Erwischt! Mit dem neuen Punktesystem der Flensburger Verkehrssünderkartei wird es für betroffene Autofahrer teurer. Vor allem Raser und Rotlicht- Ignoranten werden künftig deutlich heftiger zur Kasse gebeten als bisher. Foto: Fotolia

Am 1. Mai wird aus dem Verkehrszentralregister in Flensburg das Fahreignungsregister. Und es ändert sich nicht nur die offizielle Bezeichnung der von vielen Kraftfahrern gefürchteten Punktesammelstelle: Eintragungen für Verkehrsdelikte erfolgen ab Mai nach einem neuen System, zugleich steigen für viele Verstöße die Bußgelder.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Was sind die wesentlichen Änderungen?

Im reformierten Punktesystem wird neu gezählt. Je nach Schwere einer Tat handeln sich Verkehrssünder künftig 1 bis maximal 3 Punkte statt wie zuvor bis zu 7 Punkte ein. Dafür wird der Führerschein schon nach 8 statt 18 Punkten einkassiert. Neu ist auch, dass es nur noch für sicherheitsgefährdende Verstöße Eintragungen gibt, also zum Beispiel fürs Rasen, Handytelefonieren am Steuer oder die Missachtung der Kindersicherungspflicht, und nicht mehr für Delikte wie das unberechtigte Befahren einer Umweltzone. Und: Punkte für einzelne Verstöße verjähren, unabhängig von neuen Eintragungen.

Nach Ansicht von Daniela Mielchen aus dem Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins werden die Regelungen „insgesamt erheblich verschärft“. Das begründet sie vor allem damit, dass „fast alle 1-Punkt-Verstöße trotz einer von 18 auf 8 Punkte verkürzten Skala 1-Punkt-Verstöße bleiben“. Erklärtes Ziel des Bundesverkehrsministeriums bei der großen Reform war es, den Punktekatalog „einfacher, gerechter und transparenter“ zu gestalten.

Und was geschieht mit den alten Punkten?

Die werden umgerechnet und in das neue System übertragen. Aus bis zu 3 alten Punkten wird zum Beispiel einer in der neuen Kartei, aus 8 bis 10 werden 4 Punkte, und 16 bis 17 Punkte auf dem alten Konto sind 7 Punkte auf dem neuen. Verkehrsrechtsanwältin Mielchen sieht in der Umrechnung eine Ungleichbehandlung: „Wer zum Beispiel wegen eines Handyverstoßes einen Punkt hat, steht auf der neuen Punkteskala genauso da wie Wiederholungstäter, die schon dreimal telefonierend am Steuer erwischt wurden.“ Alte Einträge für Delikte, von denen keine Verkehrsgefährdung ausgeht und für die es deshalb ab Mai keine Punkte mehr gibt, werden gelöscht.

Wie schnell verjähren eigentlich neue Einträge?

Ordnungswidrigkeiten mit 1 Punkt, zum Beispiel fürs Handy-Telefonieren beim Fahren oder für Tempoverstöße ohne Fahrverbot, verschwinden neuerdings nach zweieinhalb Jahren automatisch wieder vom Konto. Bei groben Ordnungswidrigkeiten mit 2 Punkten und Straftaten ohne Führerscheinentzug dauert das fünf Jahre. Dazu zählen etwa das Missachten einer Ampel, die schon eine Sekunde lang rot zeigt, oder eine deutlich überhöhte Geschwindigkeit, nämlich ab 31 km/h innerorts und 41 km/h außerorts zu viel. Die 3 Punkte für Straftaten mit Führerscheinsperre wie Alkoholdelikte bleiben zehn Jahre. Laut dem TÜV Süd bedeutet das für Betroffene unterm Strich längere Tilgungsfristen als bisher.

Ist der Führerschein künftig schneller in Gefahr?

Anwältin Mielchen sagt: „Unter Umständen ja.“ Zur Veranschaulichung macht sie folgende Beispielrechnung auf: „Im neuen System wird der Führerschein nach vier Ordnungswidrigkeiten mit Fahrverbot entzogen, bislang war das nach fünf bis sechs der Fall.“

Was ändert sich an den Bußgeldern?

Die Bußgelder für viele Verkehrsverstöße steigen. Handytelefonierer beispielsweise werden mit 60 statt 40 Euro zur Kasse gebeten – dieser Betrag ist die neue Punkte-Eintragungsgrenze. Das Gleiche zahlt laut dem DAV unter anderem auch, wer Kinder im Auto nicht richtig sichert, wer bei Regen, Nebel oder Schnee die falsche Fahrzeugbeleuchtung einschaltet, Ladung nicht ausreichend verzurrt, im Tunnel wendet, den Termin für die Kfz-Hauptuntersuchung mehr als vier Monate überzieht oder bei Schnee und Eis auf Sommerreifen unterwegs ist. Vorfahrt- und Ampelverstöße, Fahren ohne Zulassung oder das Widersetzen gegen eine polizeiliche Anweisung werden mit 70 Euro geahndet. Für all diese Verstöße gibt es mindestens 1 Punkt. Weitere Ordnungswidrigkeiten, die ab Mai zwar keinen Punkt mehr nach sich ziehen, dafür aber ein teils deutlich höheres Bußgeld, sind nach Angaben des Deutschen Anwaltsvereins zum Beispiel: Halten in Feuerwehrzufahrten, verdecktes oder fehlendes Nummernschild, Verstoß gegen eine Fahrtenbuchauflage (je 65 Euro) oder das Fahren in einer Umweltzone ohne gültige Plakette (80 Euro).

Wie erfahre ich meinen neuen Punktestand?

Die Auskunft über ihren Punktestand im Fahreignungsregister erhalten Autofahrer nicht automatisch, sie müssen dafür beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einen Antrag stellen. Das Formular finden sie auf der KBA-Homepage (http://dpaq.de/XFd6Q), die Auskunft ist kostenlos. Wer einen neuen Personalausweis mit Datenchip hat, kann sich den Papierkram sparen und die Info online anfordern.

Post vom KBA bekommen Verkehrssünder, wenn sie sogenannte Maßnahmestufen erreichen, erläutert der TÜV Süd: Bei 4 bis 5 Punkten kommt eine Ermahnung mit dem Hinweis, durch die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar 1 Punkt abbauen zu können. Bei 6 bis 7 Punkten folgt die Verwarnung, dass der Führerscheinentzug droht, bei 8 Punkten die Information über die Führerscheinsperre. Um die Lizenz wiederzubekommen, müssen Betroffene die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) – auch als „Idiotentest“ bekannt – erfolgreich absolvieren.

Verkehrssünder können also auch weiterhin noch freiwillig Punkte abbauen?

Ja, aber nur noch einen Punkt innerhalb von fünf Jahren, und auch nur dann, wenn sie maximal 5 Punkte auf ihrem Konto haben. Betroffene müssen dazu ein Fahreignungsseminar mit vier obligatorischen Sitzungen besuchen – je zwei in der Fahrschule und bei einem Verkehrspsychologen. Das Fahreignungsseminar ersetzt die bisherigen Aufbauseminare und kostet nach Angaben des ADAC je nach Anbieter um die 400 Euro.