Grenoble

Presseansturm: Medien belagern Schumi-Klinik

Die Klinik in Grenoble ist um Normalität bemüht. Doch die Prominenz des Patienten Michael Schumacher und der weiterhin kritische Zustand des Formel-1-Rekordweltmeisters stellen die Abläufe im Universitätskrankenhaus der französischen Stadt auf den Kopf.

Lesezeit: 3 Minuten
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Von Gerd Roth und Jens Marx

Vor der Klinik, in der Michael Schumacher im Koma liegt, versucht seine Managerin Sabine Kehm, der Anfragen von Journalisten aus aller Welt Herr zu werden.
Vor der Klinik, in der Michael Schumacher im Koma liegt, versucht seine Managerin Sabine Kehm, der Anfragen von Journalisten aus aller Welt Herr zu werden.
Foto: dpa

Das weltweite Medieninteresse ist riesengroß, zu erkennen an unzähligen Übertragungswagen vor dem Klinikgebäude. Seit Schumachers Einlieferung nach dem schweren Skiunfall am Sonntag können Journalisten ebenso im Krankenhaus ein- und ausgehen wie normale Besucher oder Angehörige von Patienten. Nur im fünften Stockwerk verwehren Sicherheitsleute den Zugang. Draußen vor der Tür versucht Schumachers Managerin Sabine Kehm, die mediale Neugier zu befriedigen.

„Wir schätzen die Arbeit der Medien sehr, dennoch sollten bitte Privatsphäre und Gefühle der Familie respektiert werden“, appelliert die ehemalige Journalistin an ihre Ex-Kollegen. Der dreisteste Versuch, an Schumacher heranzukommen, soll auch auf einen Journalisten zurückgehen: Sicherheitskräfte fingen einen als Priester verkleideten Mann ab, der zu Schumacher vorstoßen wollte.

„Es gibt besondere Sicherheitsvorkehrungen, weil wir ständig Versuche von Medien haben, nah an Michael oder die Familie heranzukommen“, sagt Kehm. Die Klinik muss inzwischen um ungehinderte Abläufe fürchten. Schon mehrfach haben Übertragungswagen, Berichterstatter, Kameraleute, Beleuchter, Toningenieure oder Fotografen die Arbeit von Ärzten und Angestellten erschwert – bis hin zu Behinderungen in der Einfahrt zur Notfallaufnahme.

Ein angrenzendes Gelände wurde nun für die Übertragungswagen zur Verfügung gestellt. Die offensive Informationspolitik von Klinik und Ärzten offenbarte bei den beiden Pressekonferenzen am Montag und Dienstag die ganze Dramatik von Schumachers Lage. Nach 48 Stunden zwischen Leben und Tod hat sich der Zustand von Ex-Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher zumindest stabilisiert. „Das ist für den Moment eine gute Nachricht. Ich betone: für den Moment“, sagte Managerin Kehm vor Schumachers 45. Geburtstag an diesem Freitag.

Die Lage bleibe unverändert kritisch. Schumacher hatte sich bei einem Skiunfall schwer am Kopf verletzt, musste zweimal operiert werden und ist im künstlichen Koma. „Michael wird weiter rund um die Uhr überwacht, die Ärzte kümmern sich sehr um ihn“, berichtete Kehm. Prognosen wollten die behandelnden Ärzte und Kehm nicht machen. „Es lässt sich nicht sagen, was in den kommenden Tagen passiert“, sagte die Managerin.

„Es liegt noch ein langer Weg vor ihm“, sagte Jean-François Payen vom behandelnden Ärzteteam. Schumachers Kopfverletzungen sind gravierend. Er erlitt bei dem Aufprall auf einen Felsen im Skigebiet von Méribel ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. In einer zweiten Operation am Montagabend war dem siebenmaligen Rekordchampion ein Hämatom in der linken Gehirnseite entfernt worden. Der zweistündige Eingriff war ohne Komplikation verlaufen. Der Innendruck auf den Schädel konnte so verringert werden. „Wir haben mehr Zeit gewonnen“, sagten die Mediziner in einer Pressekonferenz am Dienstag.

Weitere 24 Stunden später betonte Kehm bei einer chaotischen Presserunde vor zahlreichen Kameras und Journalisten: „Wir sind erst am dritten Tag nach dem Unfall, wir müssen mit den Einschätzungen alle sehr vorsichtig sein.“ Schumacher, dessen Helm Medienberichten zufolge bei dem Aufprall gebrochen war, hat offensichtlich noch weitere Blutgerinnsel im Gehirn. Die anderen Hämatome sind schwerer zugänglich, erklärten die Ärzte.

Ein Team von sieben Spezialisten kümmert sich um den 44-Jährigen, alles geschieht in enger Absprache mit Schumachers Familie, die sich in Grenoble aufhält. Sohn Mick (14) hatte zur Ausflugsgruppe gehört. Gattin Corinna, Tochter Gina-Maria (16), Bruder Ralf und Vater Rolf sind auch da. „Es ist immer jemand von der Familie bei ihm“, schilderte Kehm, die Schumacher zuerst als Sprecherin und jetzt als Managerin nahe steht.

„Der Familie geht es nicht besonders gut, nähere Angaben kann und will ich dazu nicht machen.“ Langjährige Wegbegleiter wie Ross Brawn, zuletzt sein Teamchef bei Mercedes, oder Jean Todt, einst Teamchef bei Ferrari und jetzt Präsident des Internationalen Automobilverbandes, sind angereist.

Weltweit ist die Anteilnahme groß. Sogar der ehemalige US-Präsident Bill Clinton bangt um Schumacher: „Ich bete für ihn und seine Familie“, schrieb Clinton im Kurznachrichtendienst Twitter. Im Rennwagen und auf dem Motorrad hat Schumacher schwere Unfälle überlebt. Nun kam die verhängnisvolle Skiausfahrt in Méribel.

Dort verbringt er oft Weihnachten, Silvester und Geburtstage mit Familie und Freunden. Nachdem er am Sonntag einem Freund geholfen hatte, der auf einer markierten Piste gestürzt war, war Schumacher in den Tiefschneebereich zwischen zwei Pisten gefahren. Dort fuhr er beim Ansatz zu einer Wende gegen eine Felsen, flog durch die Luft und stürzte kopfüber auf einen Felsen.

Wie schlimm es um den 44-Jährigen gestanden hatte, wurde bei den Ausführungen der Mediziner deutlich. „Wir müssen realistisch sein. Die ganze Familie ist sich im Klaren darüber, dass die Situation kritisch ist“, sagte Prof. Gérard Saillant. Der Arzt ist seit Jahren mit Schumacher und dessen Familie befreundet. Er hatte Schumacher nach dessen schwerstem Formel-1- Unfall 1999 in Silverstone behandelt.