Preissturz: Was ist uns die Milch noch wert?

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Europas Agrarminister waren am Dienstag gerade in Brüssel eingetroffen, als sie neue Hiobsbotschaften hören mussten: Der Preis für den Liter Milch war in Deutschland nochmals um 30 Prozent eingebrochen. Keine 20 Cent bekam ein Bauer für seine Frischmilch in den vergangenen Wochen.

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So wenig wie nie zuvor. Die Folge: Seit Beginn der Milchpreiskrise mussten nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (AbL) rund 4000 Höfe aufgeben. Etwa 75 000 Betriebe produzieren in Deutschland noch – weniger als die Hälfte als noch vor 20 Jahren. Auch in Rheinland-Pfalz werden Betriebe schließen müssen. Davon geht jedenfalls der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau, Michael Horper, aus. „Normalerweise haben wir einen jährlichen Rückgang der Betriebe um 4 Prozent. Ich vermute, dass es in diesem Jahr 10 Prozent sein werden“, sagte Horper unserer Zeitung. Noch vor einem Jahr, als die europaweite Milchquote abgeschafft wurde, zeigte sich Horper zuversichtlich, dass der Rückzug staatlicher Regulierung Chancen für die Bauern bietet. Doch dann schwächelte die Nachfrage für Milchprodukte, und zugleich überschwemmten einige Länder den Markt mit billiger Milch. Die Preise fielen.

Tragen die Bauern eine Mitschuld? Immerhin leiden jetzt besonders diejenigen Betriebe, die auf steigende Exporte gesetzt und massiv investiert haben. „Ich bin davon überzeugt, dass genau diese Betriebe gut dastehen werden, sobald die Preiskrise überwunden ist. Viele rheinland-pfälzische Bauern haben nicht unbedingt mehr Kühe. Aber sie haben ihre Ställe modernisiert, und ihre Tiere geben mehr Milch“, erklärt Horper. Dagegen prangert er die Discounter an, die die Preise für Milch massiv gedrückt hätten: „Der Einzelhandel spielt eine Molkerei gegen die andere aus, um den günstigsten Preis zu bekommen.“ In Rheinland-Pfalz gibt es zwei große Molkereien: Hochwald in Thalfang (Hunsrück) und Arla Foods bei Pronsfeld (Kreis Bitburg-Prüm). Arla zahlt den Milchbauern im Mai 24,73 Cent pro Kilogramm, Hochwald 22,51 Cent.

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hatte schon vorher sein Credo „Die Milchkrise muss im Markt gelöst werden“ unterstrichen. Dennoch wiederholte er mit Blick auf den deutschen Milchgipfel Ende Mai in Berlin, die Bundesregierung werde „den Bauern mit Steuererleichterungen und Liquiditätshilfen zur Seite stehen“. Der Vorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM), Romuald Schaber, nannte das am Dienstag „völligen Quatsch“, weil „das verpufft“. Die Rede ist inzwischen von einem Betrag zwischen 60 und 100 Millionen Euro, die als Kredite und Betriebshilfen ausgeschüttet werden könnten. Doch sie beseitigen nicht das Problem der Überproduktion, die nach dem Wegfall der Milchquote 2015 eingesetzt hat.

Eine Neuauflage aber lehnt die Koalition ebenso ab wie die Europäische Kommission. Hinzu kommt, dass die Milchbauern das Nahrungsmittelembargo Russlands hart trifft, mit dem sich Moskau für die EU-Sanktionen wegen der Krimintervention revanchiert. Zu schaffen macht den Herstellern aber auch das Verhalten der großen Einzelhandelsketten, die Milch zu Dumpingpreisen abgeben. Erst Anfang Mai setzte der Discountmarktführer Aldi die Preise für einen Liter Vollmilch von 59 auf 46 Cent herunter. Beim Bauern kommen davon knapp 30 Cent an – bisher. Inzwischen sind es noch weniger. 40 Cent bräuchten die deutschen Hersteller aber, um kostendeckend arbeiten zu können.

Die europäischen Agrarminister versprachen, den Markt weiter zu beobachten. Erst in zwei Monaten wollen sie entscheiden, ob ihre bisherigen Beschlüsse gewirkt haben oder man noch „nachsteuern muss“, wie EU-Agrarkommissar Phil Hogan es ausdrückte. Bis dahin hoffen die Vertreter der Mitgliedstaaten immer noch, dass sich die Lage irgendwie beruhigt – was unterm Strich nichts anderes heißt als: Die Bauern sollen ihre Produktion herunterfahren, um die Preise in die Höhe zu treiben. Laut Bauernpräsident Horper wird das auch bedeuten, dass Tiere geschlachtet werden. Vor einem ausgedehnten Schlachtprogramm, wie es jetzt manche fordern, warnt Horper aber: „Gott sei Dank sind die Preise für Rindfleisch derzeit relativ stabil. Was glauben Sie, was passiert, wenn jetzt Unmengen Fleisch produziert werden?“ dr/htz