Düsseldorf

Nach Köln, Bochum und Freiburg: Sind Zuwanderer besonders kriminell?

Erst die Kölner Silvesternacht, jetzt die Sexualverbrechen in Freiburg und Bochum. Gelten Zuwanderer als besonders kriminell? „Blanker Populismus“, sagen Experten wie Udo Küch vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. Es gebe aber durchaus Probleme mit einzelnen Zuwanderergruppen.

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Gleichzeitig weisen Polizei und Staatsanwaltschaften auch darauf hin, dass vor allem junge Männer zugewandert sind. Jugendliche und heranwachsende Männer sind aber auch unter Deutschen die Bevölkerungsgruppe, die am ehesten straffällig wird.

Wie hat sich die Kriminalität in Deutschland entwickelt?

Die schwere Gewaltkriminalität sinkt in Deutschland laut Kriminalstatistik seit Jahren deutlich. Die Zahl der Straftaten insgesamt war zuletzt stabil, wenn man die ausländerrechtlichen Verstöße durch die illegale Einreise ausnimmt. Zugenommen haben Delikte wie Einbrüche und Diebstähle. Dahinter stecken zum Teil professionelle Banden aus Südosteuropa, sagt Christian Walburg vom Kriminalwissenschaftlichen Institut der Uni Münster.

Gibt es Zusammenhänge zwischen Flüchtlingskrise und Kriminalität?

Die Polizei Braunschweig hat für ihren Bezirk errechnet, dass nur ganz wenige Straftaten von Flüchtlingen begangen werden. Ein Generalverdacht gegenüber Flüchtlingen wäre demnach falsch.

Zwar hat die Anzahl der durch Zuwanderer begangenen Straftaten im Jahr 2015 im Vergleich zu 2014 nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) um 79 Prozent zugenommen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass 2015 insgesamt 890.000 Schutzbedürftige nach Deutschland kamen und beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 476 649 Asylanträge gestellt wurden. 2014 dagegen gab es mit 202.834 Anträgen weniger als halb so viele. Der Zusammenhang ist also ziemlich klar: Wo mehr Menschen sind, da gibt es auch mehr Straftaten. Das gilt natürlich auch für Flüchtlinge.

In einer neueren Auswertung hat das BKA überdies bestätigt, dass im ersten Halbjahr 2016 die Zahl der durch Zuwanderer begangenen und versuchten Straftaten um 36 Prozent zurückgegangen ist – auf immer noch 142.500 Fälle. Dass es also im Zusammenhang mit Zuwanderung ein Problem mit Kriminalität gibt, ist offenkundig. Aber dass dieses Problem überproportional groß wäre, hält den Fakten einfach nicht stand. Zuwanderer sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums nicht krimineller als Deutsche. Bei syrischen, irakischen und afghanischen Asylsuchenden liegt die Kriminalität demnach sogar unter dem Durchschnitt.

Werden die Verbrechen, die von Zuwanderern begangen werden, also nur mehr beachtet?

Laut Statistik ist die Zahl der Straftaten von Zuwanderern insgesamt deutlich rückläufig. Unter den Zuwanderern gibt es aber große Unterschiede. „Es gibt – schon seit Jahren – Probleme mit bestimmten Zuwanderergruppen aus Nordafrika und dem Kosovo. Die Politik tut jetzt überrascht, aber da lügt sie“, sagt Ulf Küch vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). „Diese Gruppen sind nicht abschiebbar, weil die Politik ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. Das fällt jetzt anderen – wie den Flüchtlingen – auf die Füße“, kritisiert Küch. Das Bundeskriminalamt hält in einem Bericht fest: Von den seit Januar 2015 erfassten Zuwanderern seien Marokkaner, Algerier und Tunesier, aber auch Georgier und Serben bundesweit überproportional häufig unter den Tatverdächtigen.

Wie sieht es denn im Detail bei den Sexualstraftaten aus?

Beim Blick auf die Delikte wird klar, dass Sexualstraftaten – so grausam sie sind – zu den Ausnahmen gehören. So wurden im Jahr 2015 insgesamt 1683 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung durch Zuwanderer erfasst. Dies entspricht migrationsbedingt einer Steigerung von 77 Prozent gegenüber dem Jahr 2014 mit 949 Straftaten. Damit hatten Zuwanderer einen Anteil von 4,6 Prozent an allen Straftaten gegen sexuelle Selbstbestimmung. Insgesamt machen Sexualdelikte in der Kriminalstatistik Deutschlands aber weiterhin nur 0,7 Prozent aus.

Bei Sexualmorden sind „90 bis 95 Prozent der Tatverdächtigen Deutsche“, sagt Walburg. „Bei insgesamt elf Verdächtigen wegen Sexualmorden im vergangenen Jahr gab es einen nicht-deutschen Tatverdächtigen. Der Fall jetzt in Freiburg ist also eine Ausnahme.“ Die Mehrheit der Verdächtigen der Kölner Silvesternacht waren allerdings aus Nordafrika. Dort sei das Phänomen der massenhaften Übergriffe auf Frauen unter dem Begriff „Taharrush Gamea“ seit etwa zehn Jahren aus Ägypten bekannt, berichtet das Polizeimagazin „Die Streife“. Gruppendynamik, Alkohol, Frust und Perspektivlosigkeit dürften zu den Gewaltexzessen dieser Gruppe beigetragen haben, sagen die Kriminologen Christian Walburg und Christian Pfeiffer.

Was hat sich seit der Silvesternacht in Köln verändert?

Nicht viel, sagt Experte Küch. „Die EDV-Systeme der Polizei in den Bundesländern sind nach wie vor nicht bundeseinheitlich. Wir können immer noch nicht auf Vorgänge aus Bayern zugreifen“, kritisiert Küch, der in Niedersachsen Polizist ist. Das mache es schwierig, überregionale Serien reisender Täter, etwa Einbrecherbanden, zu erkennen. Gleiches gelte für die Abschiebung von Intensivtätern der Problemgruppen in ihre Herkunftsländer: „Die Staaten nehmen uns diese Leute nicht ab.“

Frank Christiansen, Jan Drebes, Saskia Nothofer