Kathmandu

Nach dem großen Beben: Millionen leiden unter der Katastrophe

Zerstörung, wohin man blickt: Viele Menschen haben aus Angst vor Nachbeben die Städte verlassen. 
Zerstörung, wohin man blickt: Viele Menschen haben aus Angst vor Nachbeben die Städte verlassen.  Foto: dpa

Sie sitzen dicht gedrängt auf Bussen, in Lastwagen und auf Motorrädern: Hunderttausende Menschen verlassen nach dem Erdbeben Nepals Hauptstadt. Dort gibt es nur wenig Wasser und Essen. Doch Helfer sagen: Auf dem Land ist es nicht besser. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind etwa acht Millionen Menschen von den Folgen der Katastrophe betroffen, davon bräuchten 1,4 Millionen Menschen Nahrungsmittel.

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Nepals Regierung räumte erstmals öffentlich ein, trotz zahlreicher Warnungen vor einem bevorstehenden großen Beben nicht ausreichend vorbereitet gewesen zu sein.

„Wir haben nicht genügend Mittel, und wir brauchen mehr Zeit, um alle zu erreichen“, erklärte Innenminister Bam Dev Gautam im staatlichen Fernsehen. Die Behörden haben Schwierigkeiten, die Krise zu meistern. „Wir waren auf ein Desaster dieses Ausmaßes nicht vorbereitet.“

Nachbeben erzeugen große Angst

Die Flüchtlinge fühlten sich wegen der Nachbeben in der Stadt unsicher, sagte Roland Steurer, Nepal-Landesbüroleiter der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Die Menschen wollten bei Verwandten in Landesteilen unterkommen, die von der Katastrophe verschont blieben, oder wissen, wie es ihren Angehörigen und den Häusern auf dem Land gehe.

Sie waren in überfüllten Bussen, auf Lastwagen oder Motorrädern unterwegs. Oft zahlten sie den vierfachen Preis oder kämpften mit Händen und Füßen um einen Platz – so wie Sita Bisural. „Mein Mann ist verletzt, und unser Haus auf dem Land ist teilweise zerstört“, sagte die 40-Jährige. Auch hält sie nichts in der Stadt: Ihr Geschäft ist in sich zusammengefallen.

Auf dem Land könnte die Lage noch schlimmer sein

Hilfsorganisationen gehen aber davon aus, dass die Lage in den entlegenen Gebieten Nepals noch viel schlimmer ist als in der Hauptstadt. Laxman Shrestha aus Sindhupalchok, einem der am schlimmsten getroffenen Gebiete, sprach von großer Zerstörung. „Ganze Dörfer in unserer Region wurden ausgelöscht. Sie sind weg, und keiner weiß, wie viele Menschen begraben wurden.“

Die Wut in der Bevölkerung auf die Regierung wächst. Denn viele Menschen – sogar in Kathmandu – beklagen, dass sie noch gar keine oder kaum Unterstützung erhalten haben. „Wir leben hier auf der Straße, ohne Essen und Wasser, und wir haben in den vergangenen drei Tagen (seit dem Beben) keinen einzigen Beamten gesehen“, sagte ein Mann, der mit seiner Familie im Freien campiert. Die meisten leben unter Planen in Parks, auf öffentlichen Plätzen oder auf den Straßen. Zusätzlich leiden die Einwohner weiter unter Nachbeben.

Strom, Wasser und Telefon fehlen

Die Stromversorgung ist zusammengebrochen, sodass weder Wasserversorgung noch Telekommunikation gut funktionieren. „In unserer Gegend gehen die Lebensmittel aus. Die Läden sind so gut wie nicht geöffnet. Und wenn sie doch aufmachen, gibt es einen Ansturm, und alles ist binnen Minuten weg“, beklagte ein Überlebender. Die Menschen kritisieren auch, ihnen mangele es an Gas zum Kochen. Vor Tankstellen bildeten sich lange Schlangen.

So dringend internationale Hilfe benötigt wird – sie kommt kaum durch. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) konnte seinen bereits für den Montagabend geplanten Hilfsflug nach Nepal auch am Dienstagvormittag nicht starten. Der Luftraum ist zu voll. An Bord der Maschine sind 60 Tonnen Hilfsgüter im Wert von 670.000 Euro, darunter Zelte, Decken und Hygienepakete. Der französische Außenminister Laurent Fabius sagte, der Flughafen Kathmandu ist noch immer völlig verstopft. Der einzige internationale Airport Nepals hat nur sechs Parkpositionen. Maschinen mit Hilfsgütern und Helfern müssen deswegen immer wieder umkehren. Viele Touristen können nicht ausfliegen.

Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen schicken auch Teams über den beschwerlichen Landweg in die betroffenen Gebiete. Von Indiens Hauptstadt Neu-Delhi dauert es drei bis fünf Tage.

Am Mount Everest konnten inzwischen fast alle Bergsteiger gerettet werden. Dort hatte eine Lawine Teile des Basislagers zerstört. Viele Bergsteiger saßen außerdem in Höhencamps fest, weil die Abstiegsroute zerstört war. Bekannte Bergsteiger hatten kritisiert, dass zunächst den Ausländern am Mount Everest geholfen werde.