Rheinland-Pfalz

KPMG-Prüfauftrag: Bruchlandung trotz teurer Berater

Wie konnte es dazu kommen, dass das Land Rheinland-Pfalz die Shanghai Yiqian Trading Company (SYT) als Käufer des Flughafens Frankfurt-Hahn auswählte? Die Antwort auf diese Frage wird immer undurchsichtiger. Das Land veröffentlichte nun Unterlagen zu den Prüfaufträgen, die an die Beratungsgesellschaft KPMG erteilt wurden. Daraus geht hervor: KPMG schlug dem Land Rheinland-Pfalz umfangreiche Prüfmaßnahmen für die potenziellen Flughafen-Käufer vor.

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Von unserer Mitarbeiterin Gisela Kirschstein

Warum trotzdem niemand erkannte, dass Unterlagen gefälscht waren und SYT weder ein vorzeigbares Unternehmen ist noch erkennbare Geschäftsfelder besaß, bleibt rätselhaft.

Den Unterlagen zufolge empfahl KPMG dem Ministerium von Innenminister Roger Lewentz (SPD) am 12. August 2015 in einer E-Mail „eine weitergehende Recherche zum Hintergrund der einzelnen Bieter“, weil Gesellschafter und/oder handelnde Personen nicht bekannt seien beziehungsweise nicht aus Europa stammten. Eine solche Recherche sei zwar bei Transaktionen in der Privatwirtschaft nicht üblich, man empfehle sie dennoch „angesichts der politischen Öffentlichkeitswirksamkeit“ des Verfahrens, „um etwaige bestehende Regeltreue- und/oder Bonitätsrisiken soweit als möglich frühzeitig zu identifizieren“.

Brisanz des Verkaufs war alles bewusst

Das zeigt zumindest, dass man sich bei KPMG der Brisanz des Verkaufsprozesses bewusst war. Im weiteren Verlauf des Schreibens schlägt KPMG dann ein Vorgehen für den „Know Your Customer Check“ (Verifikationsprozess) vor: Man wolle von den Bietern Unterlagen anfordern, je nach Land Bilanzen, Gesellschafterverzeichnis, Identitätsnummer im Fall von China, Registerunterlagen sowie eine Einstufung der Unternehmensorgane. Man verfüge über eine „weltweit organisierte Abteilung“, die die Unterlagen in der jeweiligen Landessprache prüfe, schreibt KPMG in der E-Mail zudem.

Parallel dazu wolle man eine „umfassende Recherche zu Geschäftsgebaren, Reputation und Integrität der Gesellschaft“ durchführen und „intensive Recherchen“ in Internet und Presse sowie in öffentlich zugänglichen Registern anstellen. Dabei solle nach Gerichtsverfahren, Hinweisen auf Rechtsstreitigkeiten, Netzwerken, politischen Aktivitäten und Ämtern in einem Zeitraum von zehn Jahren gesucht werden. Und es sollten „geschäftliche, politische oder kriminelle Verflechtungen“ recherchiert werden.

Zum letzten Punkt auf der Liste, „Informationen zur Bonität der Gesellschaft“, macht die KPMG zudem die Anmerkung, dass in China eine Einsicht in das Handelsregister und die Auskunft zu Bilanzinformationen „nur mit ausdrücklicher Zustimmung der jeweiligen Gesellschaft“ möglich sei. „Unabhängige Wirtschaftsauskunftsdateien können daher keine verlässliche Angabe zur Bonität chinesischer Gesellschaften geben“, warnt KPMG.

Für die Recherche und Überprüfung der eingereichten Unterlagen veranschlagt KPMG „circa sechs bis acht Werktage“ und fügt hinzu, dass Bonitätsauskünfte auch bis zu sechs Wochen dauern könnten und daher gegebenenfalls erst im Nachgang zum Eingang verbindlicher Angebote vorliegen könnten. Das war im August 2015, zu dem Zeitpunkt lagen KPMG Angebote von sechs Bietern vor. Die Wirtschaftsprüfer kündigten dem Land deshalb an, pro Bieter für die Überprüfung 3000 Euro netto, also insgesamt 18 000 Euro netto berechnen zu wollen.

Offenbar stimmte das Innenministerium daraufhin diesem Vorgehen zu – in einer E-Mail vom 19. August 2015 heißt es: „Entsprechend Ihrer Handlungsempfehlungen wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie die Integrity Due Diligence durchführen würden.“ Gemeint ist damit die sorgfältige Prüfung von Geschäftspartnern im Hinblick auf das Risiko, dass diese Partner unseriöse Geschäftspraktiken betreiben.

Detektivarbeit ist nicht dokumentiert

Ob das Land über die E-Mail vom August 2015 hinaus weitere Prüfaufträge erteilte, geht aus den jetzt veröffentlichten Unterlagen nicht hervor. Keine Rede ist außerdem davon, Geschäftsräume zu überprüfen oder Geldgeber im Hintergrund auszuleuchten. Lewentz hatte nach dem Platzen des Verkaufs betont, dies sei Aufgabe der KPMG gewesen. Diese wiederum hatte schriftlich mitgeteilt, dass sich ein Mitarbeiter die Räume des Käufers SYT angesehen habe, sei zusätzlich zum Auftrag geschehen.

Damit stellt sich weiter die Frage: Was genau fand KPMG über die SYT heraus – und welche Schlussfolgerungen zog das Land? Warum erkannten die Wirtschaftsprüfer nicht, dass die SYT offenbar gefälschte Bankunterlagen als Nachweis ihrer Bonität vorlegte? Die Prüfer stellten Ende Mai eine rote Ampel auf Grün, nachdem SYT Zweifel an der Gesellschafterstruktur ausräumte – der Kaufvertrag wurde am 2. Juni unterzeichnet.

Den finalen Bericht über die SYT übersandte KPMG am 17. Juni 2016 an das Land, er enthielt mehrere früher angefertigte Teilberichte. Den Bericht selbst allerdings veröffentlichte das Land jetzt nicht. „Diese Unterlagen sind nicht vollständig“, sagte denn auch CDU-Fraktionsvize Alexander Licht, die Landesregierung arbeite „schon wieder mit Halbwahrheiten“.

KPMG ist in 155 Ländern aktiv

KPMG International ist ein international tätiges Unternehmen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Unternehmens- beziehungsweise Managementberatung. Mit 173 965 Mitarbeitern in 155 Ländern und insgesamt 24,8 Milliarden US-Dollar Umsatz gehört KPMG zu den sogenannten Big Four unter den internationalen Prüfungsgesellschaften. Die europäische Konzernobergesellschaft KPMG Europe ist mit 32 300 Mitarbeitern an mehr als 140 Standorten die größte europäische Prüfungsgesellschaft. In Deutschland beschäftigt das Unternehmen rund 9600 Mitarbeiter an 25 Standorten; im Geschäftsjahr 2014 betrug der Umsatz 1,38 Milliarden Euro.