Berlin

Katerstimmung bei Künast

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Im Festsaal Kreuzberg wollte am Abend kurz nach den ersten Hochrechnungen trotz starker Zuwächse für die Grünen kein großer Jubel ausbrechen. Immerhin: Die Partei hat mit etwa 18 Prozent der Stimmen fast 5 Prozent mehr geholt als bei der letzten Wahl in der Hauptstadt. Doch die prominente Spitzenkandidatin Renate Künast hatte mehr gewollt.

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Berlin – Im Festsaal Kreuzberg wollte am Abend kurz nach den ersten Hochrechnungen trotz starker Zuwächse für die Grünen kein großer Jubel ausbrechen.

Immerhin: Die Partei hat mit etwa 18 Prozent der Stimmen fast 5 Prozent mehr geholt als bei der letzten Wahl in der Hauptstadt. Doch die prominente Spitzenkandidatin Renate Künast hatte mehr gewollt. Sie wollte wiederholen, was Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg geschafft hatte. Eine Grüne sollte in Berlin regieren. Dieses Ziel wurde „krachend verfehlt“, wie es der Alt-Grüne Christian Ströbele zusammenfasste.

Das rechte Augenmaß fehlte auch bei der Wahl des Festsaals. Viele grüne Wahlkämpfer mussten im Regen stehen, der Festsaal im Stadtteil Kreuzberg, einer Hochburg der Grünen, platzte aus allen Nähten. Applaus brandet auf, als Künast sich den Weg zur Bühne bahnt. Die Strapazen der vergangenen Wochen sind ihr anzusehen. Sie wirkt noch immer angespannt, aber auch sichtbar gerührt. Mehrfach dankt sie den Wahlhelfern, die einen „wahnsinnigen Wahlkampf“ geführt hätten. An ihrem persönlichen Wahlkampf hatte es zuletzt auch in den eigenen Reihen viel Kritik gegeben. Sie habe es nicht geschafft, die Grünen in der Hauptstadt mitzunehmen, sagte mancher hinter vorgehaltener Hand. Die gestandene Bundespolitikerin versagte auch am Klein-Klein der Themen der Menschen im Kiez. Sie selbst aber verteidigt ihren Kurs am Wahlabend: Das Ergebnis der Grünen habe gezeigt, dass die Berliner eben doch Veränderung wollten. „Rot-Rot ist abgewählt“, suchte sie ihre Parteifreunde mit dem Wahlergebnis zu versöhnen. „Jetzt ist Schluss mit Dornröschenschlaf. Wir wollen keinen Stillstand“, ruft sie noch einmal kämpferisch. Was eine Koalitionsbeteiligung der Grünen angeht, gibt sie sich aber nicht zu selbstbewusst. „Die SPD muss sich nun überlegen, mit wem sie es machen möchte.“ Der Grünen-Fraktionsvorsitzende in Berlin, Volker Ratzmann, bittet noch einmal um Applaus für „Renate“. „Du hast es geschafft, dass wir in eine andere Liga aufgestiegen sind“, ruft er ihr ermunternd zu. Ein verhaltener Jürgen Trittin stimmt in den Applaus mit ein. Jubel sieht allerdings anders aus.

„Na ja, es wäre schon mehr drin gewesen“, sagt ein junger Grüner im Publikum. Andere sind da gelassener. Es sei doch allen klar gewesen, dass sie das Hoch von 28 Prozent, das sie Umfragen zufolge vor einem Jahr erreicht hätten, nicht würden halten können, meint eine Wahlkämpferin nüchtern. Der amtierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) habe außerdem mitten im Wahlkampf seine Taktik geändert und doch noch Inhalte präsentiert. Fast still wird es im vollen Saal, als die fulminanten Ergebnisse der Piratenpartei über die Leinwand laufen. Viele blicken ratlos. „Wir haben eben dieselbe Klientel“, versucht sich eine junge Frau an einer Erklärung.

Renate Künast wirkt jetzt, nachdem sie gesagt hat, was zu sagen war, etwas verloren auf der Bühne. Immer wieder versucht sie ein Lächeln, doch es gerät mehr zu einer Grimasse. Sie streckt beide Daumen hoch, zum Publikum gewandt. Ihr klares Signal, dass der Zugewinn der Erfolg der Basis ist, ist auch gleichzeitig eine Abschiedsgeste. Renate Künast, das hat sie immer offen gesagt, wird die Berliner Politik jetzt wieder hinter sich lassen. Sie wollte Regierende Bürgermeisterin werden. Sonst nichts. In einer rot-grünen Koalition in Berlin wird sie keine Rolle mehr spielen. Rena Lehmann