Verdun

Gedenken an Kriegsopfer in Verdun: Signal gegen Rechtsruck gesetzt

Das Projekt Europa im Kampf gegen Rechtspopulisten beschworen: Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande legen auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Consenvoye bei Verdun (Lothringen) gemeinsam mit Pfadfindern einen Kranz nieder. Bei der Schlacht im Ersten Weltkrieg zwischen deutschen und französischen Truppen fielen 1916 innerhalb von rund 300 Tagen mehr als 300 000 Soldaten. Foto: dpa
Das Projekt Europa im Kampf gegen Rechtspopulisten beschworen: Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande legen auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Consenvoye bei Verdun (Lothringen) gemeinsam mit Pfadfindern einen Kranz nieder. Bei der Schlacht im Ersten Weltkrieg zwischen deutschen und französischen Truppen fielen 1916 innerhalb von rund 300 Tagen mehr als 300 000 Soldaten. Foto: dpa

Vor 50 Jahren durften die Deutschen nicht dabei sein. Beim Gedenken an die „Hölle von Verdun“ genannte Schlacht des Ersten Weltkrieges wollte Frankreichs Präsident Charles de Gaulle am 29. Mai 1966 keinen Vertreter des ehemaligen Kriegsgegners an seiner Seite haben.

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Von Gerd Roth

Auf den Tag genau ein halbes Jahrhundert später festigen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande am Sonntag mit dem gemeinsamen Gedenken an mehr als 300 000 Tote die Basis deutsch-französischer Freundschaft.

Sie setzen dabei ein sichtbares Zeichen ihrer Verbundenheit, lassen aber eine Geste wie bei ihren Vorgängern Helmut Kohl und François Mitterrand aus. Deren Moment im Jahr 1984 Hand in Hand vor dem Beinhaus von Douaumont über den Gräbern von Verdun steht inzwischen sinnbildlich für die Aussöhnung beider Länder.

Auch Merkel und Hollande drücken sich an diesem Tag mehr als einmal die Hände. Besonders intensiv wirkt diese Nähe zwischen den beiden im lang gezogenen Beinhaus, nachdem sie gemeinsam eine ewige Flamme zum Gedenken an die Toten entzündet haben. Lange stehen Merkel und Hollande mit nachdenklichen Gesichtern vor der Flamme. In der Gedenkstätte wird seit Sonntag erstmals über eine Inschrift in der Decke daran erinnert, dass hier die Gebeine von etwa 130 000 französischen und deutschen Soldaten liegen. Dagegen hatten sich französische Verbände 100 Jahre lang gewehrt.

Schon auf dem Soldatenfriedhof von Consenvoye nördlich von Verdun sind Hollande und Merkel allein zu schwarzen Metallkreuzen unterwegs. Deutsche Soldatenfriedhöfe sind in Frankreich leicht an der schwarzen Farbe der Kreuze zu erkennen.

Der zunächst strömende Regen im Nordosten Frankreichs bringt das Protokoll gleich zu Beginn des Tages durcheinander. Die Hubschrauber von Hollande und Merkel können nicht wie geplant in der Nähe des kleinen Ortes landen, die Wagenkolonnen benötigen mehr Zeit. Hollande, wegen seiner mehrfach von strömendem Regen begleiteten Gedenkauftritte auch „Rain Man“ genannt, ließ die Kanzlerin nicht im Regen stehen. Für den Weg am Soldatenfriedhof ist es Hollande, der den Regenschirm für die beiden ganz allein gehenden Politiker trägt. Auch in Consenvoye sind Hollande und Merkel auf den Spuren Kohls und Mitterrands, die dort erklärten: „Wir haben uns versöhnt, wir haben uns verständigt, wir sind Freunde geworden.“

32 Jahre später beschwören die einstigen Kriegsgegner bei einer symbolträchtigen Veranstaltung erneut ihre Freundschaft. „Verdun steht für die Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges schlechthin“, sagt Merkel. Zugleich sei es aber auch ein Symbol der Sehnsucht nach Frieden und der deutsch-französischen Aussöhnung: „Uns trennen keine Gräben mehr.“ Nach den Worten Merkels wird den Toten der Schlacht dann ein ehrendes Andenken bewahrt, „wenn wir uns die Lehren, die Europa aus den Katastrophen des 20. Jahrhunderts gezogen hat, immer wieder bewusst machen.“ Dazu zählten die Fähigkeit und die Bereitschaft zu erkennen, wie lebensnotwendig es sei, sich „nicht abzuschotten, sondern offen füreinander zu sein“. In Richtung der europäischen Rechtspopulisten sagt Hollande: „Sie denunzieren Europa als Ursache des Übels und vergessen dabei, dass Europa aus dem Unglück geboren wurde.“ Der Staatschef beschwört das Friedensprojekt Europa: „Wir wissen ganz genau, dass die Zeit, um es zu zerstören, unendlich viel kürzer wäre als die lange Zeit, die nötig war, um es zu bauen.“

Der Regen lässt später in Douaumont nach. Dort wünscht sich der deutsche Regisseur Volker Schlöndorff für seine Inszenierung mit fast 4000 Jugendlichen sogar schlechtes Wetter: „Wenn es dazu bei Regen ist – noch besser.“ Die jungen Menschen laufen aus den umliegenden Wäldern auf Abertausende Kreuze und Gräber zu. Ein für Schlöndorff „donnerndes Kriegsgeräusch“ von Stahltrommlern begleitet kampfartige Szenen, die ein Tod auf Stelzen für alle auf dem Feld beendet.

Doch die Jugendlichen stehen wieder auf über den Gräbern von Verdun. Sie formieren sich zu einem Aufbruch, ihrer Zukunft. Auf Deutsch und Französisch schmettern sie mit Tausenden Stimmen Militärs, Festgästen, Kanzlerin und Präsident entgegen: „Wir sind da – wir sind jung – wir bleiben!“