Koblenz

ENF-Treffen in Koblenz: Europas Rechtspopulisten feiern Trump

Von Hartmut Wagner
Die Hauptredner entern noch einmal das Podium, lassen sich feiern. Das Publikum filmt mit Handys, hält „Frauke“- oder „Marine“-Schilder in der Luft. Einer ruft „Zugabe!“
Die Hauptredner entern noch einmal das Podium, lassen sich feiern. Das Publikum filmt mit Handys, hält „Frauke“- oder „Marine“-Schilder in der Luft. Einer ruft „Zugabe!“ Foto: Sascha Ditscher

Er schockiert mit seinem radikalen Nationalismus, treibt weltweit Millionen Menschen auf die Straße, in Washington, Berlin und Hunderten anderen Städten. Aber: Beim Rechtspopulistengipfel in Koblenz war Donald Trump der Star. Keiner bekam in der Rhein-Mosel-Halle so viel Lob wie der neue US-Präsident.

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Als Marine Le Pen ans Rednerpult tritt, springen die Menschen von ihren Stühlen. Die Vorsitzende des rechtsextremen Front National, die von einem Moderator als „die Frau mit dem schönsten Lächeln Frankreichs“ angekündigt wurde, erntet tosenden Applaus – noch bevor sie ein Wort gesagt hat. Sie blickt runter in den Saal, auf Hunderte johlende Gäste, die Schilder mit „Marine“ hochhalten. Und sie blickt rauf in die Fernseh- und Handykameras auf der Empore. Dort sitzen gut 350 Journalisten, aus EU-Staaten, Russland und Japan.

Marine Le Pen spricht zwei Minuten, dann feiert sie den neuen US-Präsidenten als Wegbereiter einer rosigen Zukunft: „Wir erleben das Ende einer Welt und die Geburt einer neuen.“ Sie nennt dafür zwei Gründe: den Brexit als „Anschub für alle europäischen Dominosteine“ und die Wahl Trumps.

Später erklärt AfD-Chefin Frauke Petry den US-Präsidenten bei einer Pressekonferenz zu ihrem politischen Vorbild: Die EU sei in einer Sackgasse gelandet, beim Euro, in der Migrations- und Sozialpolitik. „Und so wie in Amerika Donald Trump den Weg aus einer Sackgasse weist und neue Perspektiven auch für internationale Konflikte aufzeigt – genauso wollen wir das in den nächsten Monaten und Jahren für Europa tun.“

Der Rechtspopulistengipfel war eine Veranstaltung der Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“. Die ENF ist mit 40 Mitgliedern die kleinste Fraktion im Europäischen Parlament. Die Hälfte der Abgeordneten stellt Marine Le Pens Front National. Ein ENF-Mitglied ist Marcus Pretzell. Der AfD-Chef von Nordrhein-Westfalen und Ehemann von Frauke Petry war Organisator des Gipfels.

Koblenz befindet sich am Veranstaltungstag im Ausnahmezustand. 1000 Polizisten sind im Einsatz. In der Rhein-Mosel-Halle tagen Hunderte Rechtspopulisten – vor der Halle protestieren 5000 Menschen. Beide Seiten nehmen für sich in Anspruch, für das gleiche Ziel zu kämpfen: die Freiheit. Marine Le Pen und Frauke Petry preisen sie, der ENF-Gipfel hat das Motto „Freiheit für Europa“. Aber auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die an den Protesten teilnimmt, erklärt: „Es ist eine Demonstration für die Freiheit, für den Zusammenhalt in unserem Land, für Weltoffenheit, für Toleranz.“

Der Österreicher Harald Vilimsky (FPÖ) verunglimpft die Gegendemonstranten als „unsere Glücksschweinchen“ – die Halle tobt. Er legt nach: Immer wenn „diese Leute“ auf die Straße gingen, hätten Rechtspopulisten Erfolg. Es sei ein gutes Bild, sie hinter Gittern zu sehen. Er sei aber aus Tierschutzgründen gegen Käfighaltung.

Zu Beginn des Gipfels ertönt in der Halle pompöse Musik, das Licht wird gedimmt. Frauke Petry, Marine Le Pen und die anderen Redner schreiten wie Volkstribunen durch die tosende Menschenmenge. Neben ihnen Leibwächter, hinter ihnen junge Frauen und Männer. Sie schwenken die Nationalfahnen der ENF-Mitglieder.

Zum Gipfel der Rechtspopulisten in Koblenz kamen gut 350 Journalisten. Bei der Pressekonferenz lieferten sie sich ein Hauen und Stechen um die besten Plätze. Foto: Wagner
Zum Gipfel der Rechtspopulisten in Koblenz kamen gut 350 Journalisten. Bei der Pressekonferenz lieferten sie sich ein Hauen und Stechen um die besten Plätze.
Foto: Wagner

In der Eröffnungsrede schwärmt Pretzell von Trumps Wahlsieg. Er ruft in den Saal, dass der US-Präsident das Freihandelsabkommen TTIP stoppen werde: „Er ist der Mann, der die Arbeit macht, die eigentlich die SPD ihren Wählern versprochen hat.“ Der niederländische Islamkritiker Geert Wilders (Partei für die Freiheit), der nach eigener Aussage auf der Todesliste der Terrororganisation Islamischer Staat steht, formuliert seine Freude über Trump so: „Es gibt Grund zur Hoffnung! Licht am Ende des Tunnels! Es kommen bessere Zeiten!“

Die Rechtspopulisten treten sehr selbstbewusst auf. Sie bezeichnen die Redner ihres Gipfels als „Spitzenpolitiker des neuen Europas“, die kurz davor stünden, in ihren Ländern die Regierung zu übernehmen. Der Österreicher Harald Vilimsky (FPÖ) ernennt Frauke Petry in seiner Rede zur „Bundeskanzlerin in spe“. Wilders lässt wissen: „Ich bin völlig davon überzeugt, dass mit Frauke Petry die Zukunft Deutschlands gesichert ist.“

Im Saal geht es zu wie im Bierzelt. Wenn Pretzell den Namen von SPD-Chef Sigmar Gabriel erwähnt, ertönen Buhrufe. Wenn Wilders fordert, „Europa braucht Frauke statt Angela!“, grölen Zuhörer: „Merkel muss weg!“ Immer wieder, immer lauter. Es sind die üblichen Rituale bei AfD-Veranstaltungen.

Der Rechtengipfel hatte seit zehn Tagen für Debatten gesorgt. Denn Pretzell verweigerte einigen Journalisten die Akkreditierung – allen Mitarbeitern von ARD, ZDF und SWR, Justus Bender von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und anderen.

Als Pretzell die Veranstaltung eröffnet, setzt er den Kleinkrieg mit Bender auf großer Bühne fort. Er begrüßt ihn „ganz besonders“ und blickt selbstgefällig in die Kameras. Er macht sich lustig, weil der Journalist vergeblich versuchte, seine Teilnahme vor Gericht zu erzwingen. Zuhörer skandieren: „Lügenpresse! Lügenpresse!“ Später schreibt Bender: Er sei trotz fehlender Akkreditierung in der Halle gewesen, ein Ordner habe ihn versehentlich hineingelassen.

Doch grundsätzlich überwacht der ENF als Mieter der Halle penibel, dass seine Regeln eingehalten werden. Am Eingang müssen alle Teilnehmer Speisen und Getränke abgeben. Ordner erklären, Bananen oder Äpfel könnten als Wurfgeschoss missbraucht werden. Jeder Teilnehmer erhält ein Armband oder Umhängekärtchen. Es gibt sie in acht verschiedenen Farben, für VIPs, AfD-Gäste oder Journalisten. Ordner verbieten Reportern, vor dem Saal zu filmen. Einer, der für das „Göttinger Tageblatt“ im Einsatz ist, berichtet später, ein Ordner habe ihn aus der Halle geworfen, weil er einen Teilnehmer am falschen Ort interviewt hatte.

Die Gäste des Gipfels sind überwiegend AfD-Mitglieder. Sie kommen aus dem ganzen Bundesgebiet, hoffen auf eine politische Veränderung und schildern die gleichen Ängste – vor einer massiven Finanzkrise, vor einer Überfremdung, vor einer Zunahme von Gewalt und Terror durch Migranten.

Die AfD stand zuletzt massiv in der Kritik. Auslöser war eine Rede des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke zum Gedenken an die Opfer des Holocaust. In Koblenz will sich Pretzell offenbar erneut von Höcke distanzieren und erklärt: „Israel ist unsere Zukunft.“ Als er das tut, brüllt ein Zuhörer unverständliche Worte dazwischen. Zwei Ordner bringen ihn aus dem Saal.

Es war der erste gemeinsame öffentliche Auftritt von Frauke Petry und Marine Le Pen. In der AfD hatte es dazu einen jahrelangen Meinungsfindungsprozess gegeben. Noch vor einem Jahr sagte Petry der „Stuttgarter Zeitung“: „Der Front National hat in vielen Punkten eine sozialistische Ausrichtung und passt nicht zur AfD. Wir haben auch keine Verbindung zum Front National.“ Im Herbst gab es erste Meldungen über ein Treffen von Petry und der Front-National-Chefin. Ihr Schulterschluss ist in der AfD noch immer ein Streitthema.

In Koblenz lobt Marine Le Pen, dass sich die Großmacht USA wieder auf sich selbst beschränken will. Sie schwärmt von der Rückkehr der Nationalstaaten, geißelt Merkels Einwanderungspolitik und macht klar, dass sie den Frexit will – den Austritt Frankreichs aus dem Euro. Sie beschimpft die EU als Tyrannei und deren Politiker als Antidemokraten, die sich von einer Finanzoligarchie instrumentalisieren lassen, statt den nationalen Interessen ihrer Länder zu dienen.

Petry behauptet in ihrer Rede, weder die EU-Politiker noch Angela Merkel, die Grünen, die SPD oder andere etablierte Parteien setzen sich für ein Recht auf ein freies und selbstbestimmtes Leben ein. Sie referiert, die etablierten Politiker hätten das Volk einer Gehirnwäsche unterzogen. Sie sei „weit davon entfernt, die Diktaturen des sozialistischen und kommunistischen Ostens mit der aktuellen Situation zu vergleichen“. Doch dann versteigt sie sich unter donnerndem Applaus zu einem noch kühneren Vergleich: Europa habe nie lange eine Vormacht geduldet – weder das „napoleonische Frankreich noch Nazideutschland noch Sowjetrussland. Und es wird auch die Europäische Union, so Gott will, nicht länger dulden“.

Am Ende verlassen die Rechtspopulisten weitgehend unbemerkt von den Gegendemonstranten die Rhein-Mosel-Halle. Viele nehmen die Schilder aus dem Saal mit – als ein Souvenir für zu Hause. Auf ihnen stehen die Namen ihrer Idole: Geert, Marine und Frauke.

Von unserem Chefreporter Hartmut Wagner

Kommentar: Das Gipfeltreffen war ein Symbol – mehr nicht

Das Gipfeltreffen der europäischen Rechtspopulisten sorgte für Spekulationen: Warum treffen sich Frauke Petry, Marine Le Pen und Geert Wilders zu einer Großveranstaltung mit 1000 Teilnehmern? Und warum in Koblenz? Es gibt noch immer keine klaren Antworten. Aber das Treffen zeigte: Seht her, wir sind viele, wir haben gleiche Positionen und wir wollen irgendwie kooperieren. Der Gipfel war ein Symbol. Ein Treffen ohne Ergebnis, ohne Koblenzer Erklärung, ohne konkrete Ziele für die künftige Zusammenarbeit.

Hartmut 
Wagner zum ENF-Gipfel in Koblenz

Dass sich Europas Rechtspopulisten in der Rhein-Mosel-Halle trafen, war wohl Zufall. Dass dies ausgerechnet am Tag nach der Amtseinführung von Donald Trump geschah, sicher nicht. Der neue US-Präsident ist eine Art Idol der Rechtspopulisten geworden. Alle Redner in Koblenz begrüßten seine Wahl. AfD-Chefin Petry erklärte ihn gar zum politischen Vorbild.

Das hat nicht nur mit ähnlichen Zielen zu tun. Das dürfte auch Kalkül sein. Zum einen können die Rechtspopulisten als Trump-Versteher einen Präsidenten hofieren, der in Europa mächtig unbeliebt ist. Sie können anders sein als die meisten anderen. Das tun sie am liebsten. Zum anderen können sie anhand von Trumps Wahlsieg zeigen, dass das, was lange für unmöglich galt, Realität werden kann. Nach dem Motto: Trump kann Präsident werden, warum dann Petry nicht Kanzlerin, Le Pen französische Präsidentin und Wilders niederländischer Ministerpräsident.

Petry bezeichnete den Rechtspopulistengipfel in Koblenz als europäischen Wahlkampfauftakt. Ob er letztlich politische Folgen hat, wird das Wahljahr 2017 zeigen. Im März wählen die Niederländer ein neues Parlament, im April die Franzosen einen neuen Präsidenten und im September die Deutschen einen neuen Bundestag.

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