Rheinland-Pfalz

Der „Hitler von Köln“ will raus aus der rechten Szene

Foto: Denise Hülpusch

Schwarzer Hut, schwarzer Mantel, schwarzer Schal: Als Axel Reitz (29) 2011 bei der Neonazi-Demonstration in Remagen auftauchte, erinnerte seine Kluft an die Dienstkleidung der Geheimen Staatspolizei im Dritten Reich. Und das war gewollt.

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Der sogenannte „Hitler von Köln“ ist einer der bekanntesten und radikalsten deutschen Neonazis. Doch seit einigen Wochen sorgt er aus anderen Gründen für Aufsehen. Er will aus der Szene aussteigen – das erklärte er gegenüber der Staatsanwaltschaft Koblenz. Unter Rechtsradikalen gilt er seither als Verräter.

Reitz lebt in Pulheim, ist Hartz-IV-Empfänger und bezeichnete sich bisher als „hauptberuflichen politischen Funktionär“. Laut der Staatsanwaltschaft war er Unterstützer des mutmaßlich kriminellen „Aktionsbüros Mittelrhein“. Er wurde am 13. März festgenommen, kam in Rohrbach in Haft, sagte mehrfach zu den Anklagevorwürfen aus – und belastete einige Mitangeklagte. Nach zwei Monaten Haft kam er frei, im Gegensatz zu den meisten anderen Angeklagten. Mit der Presse spricht er derzeit nicht, teilte er unserer Zeitung mit.

Erste Straftat als 14-Jähriger

Reitz verehrt Adolf Hitler. Und er machte aus seiner menschenverachtenden Gesinnung nie einen Hehl. In seiner Jugend trat er gern wie ein SA-Mann auf – gegelter Seitenscheitel, braunes Hemd, schwarze Krawatte. Als 14 Jähriger wurde er von einem Gericht verwarnt, weil er Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen verbreitet hatte. Als 16-Jähriger soll er sich eine Krawatte mit SA-Abzeichen umgebunden und in in einer Kölner Kneipe vor „Kameraden“ erklärt haben: „Diejenigen, die uns über Jahre hinweg bekämpft haben, uns aus der Arbeit gedrängt und ins Gefängnis gebracht haben, die werden eines Tages auf den Marktplatz gestellt und erschossen. In diesem Sinne: Sieg Heil!“ Als 22-Jähriger ließ sich Reitz für eine Fernsehdokumentation in seinem Büro filmen. An der Wand hingen Porträtbilder von Adolf Hitler, Joseph Goebbels und SA-Chef Ernst Röhm. Reitz erklärte: „Ich bin Nationalsozialist.“ Er ist mehrfach vorbestraft, wurde 2005 wegen Volksverhetzung und eines Verstoßes gegen das Uniformverbot zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt.

Reitz war „Gauleiter Rheinland“ im 2008 aufgelösten „Kampfbund Deutscher Sozialisten“. Einem bizarren Zusammenschluss von Ultrarechten, der sich laut Berliner Verfassungsschutz zugleich auf Joseph Goebbels, Friedrich Engels und Ernst Thälmann berief. Er unterhielt angeblich gute Kontakte zum irakischen Regime von Saddam Hussein.

Propaganda für ein viertes Reich

Reitz war jahrelang Führer der rechtsextremen Kölner Kameradschaft „Walter Spangenberg“, die nach einem SA-Mann benannt war. Im Mai ließ der nordrhein-westfälische Innenminister sie verbieten, kurz nachdem Reitz aus der Haft entlassen worden war. Begründung: Die Kameradschaft glorifizierte den Nationalsozialismus, lehnte die Rechtsordnung der Bundesrepublik ab und wollte ein viertes großdeutsches Reich schaffen. Ihre ideologischen Grundlagen waren vor allem Adolf Hitlers „Mein Kampf“ und das Programm der NSDAP.

Reitz trat immer wieder als Redner auf, auch bei Kundgebungen der NPD. Er kandidierte für die Partei 2009 als Parteiloser für den Bundestag, holte 1,5 Prozent der Erststimmen im Wahlkreis Erftkreis I. Doch Ende 2011 erklärte der neue NPD-Chef Holger Apfel, man müsse zu den extremen Auswüchsen von Reitz Distanz halten.

Heute gilt Reitz als Verräter, als „Judas von Köln“. Weil er aus der Szene aussteigen will. Und weil er „Kameraden“ mit seinen Aussagen belastet hat. Die NPD ging endgültig auf Konfrontationskurs, erklärte auf Facebook, diese „Reitz-Typen“ seien „staatlich gelenkte Provokateure, Dummköpfe oder Charakterschwächlinge“. Auch der bundesweit bekannte Neonazi Christian Worch, der gerade die Partei „Die Rechte“ gegründet hat, wirft Reitz Verrat vor. Beide hatten in der Vergangenheit oft gemeinsam demonstriert. Jetzt will Worch allein auf die Straße. Er hat für den 18. August in Koblenz eine Protestdemo angemeldet – aus Solidarität mit den Betreibern des „Aktionsbüros Mittelrhein“. Ob sie genehmigt wird, ist unklar.

haw