Bernhard Vogel ist mit der CDU im Land versöhnt

Rheinland-Pfalz – Den einstigen Ministerpräsidenten und die jetzige CDU-Chefin Julia Klöckner trennen fast 40 Jahre – RZ-Landeskorrespondent Dietmar Brück führte ein Interview zwischen den Generationen.

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Rheinland-Pfalz – Den einstigen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel und die jetzige CDU-Chefin Julia Klöckner trennen fast 40 Jahre – RZ-Landeskorrespondent Dietmar Brück führte ein Interview zwischen den Generationen.

Fast auf den Tag genau ist Bernhard Vogel 40 Jahre älter als Julia Klöckner. Trotzdem verbindet den 79-jährigen Politiker und die 39-jährige Politikerin eine Menge: Beide sind sie Christdemokraten, beide standen oder stehen an der Spitze der rheinland-pfälzischen CDU. Doch es gibt auch Unterschiede: Vogel hat gleich zweimal erreicht (in Rheinland-Pfalz und Thüringen), was Klöckner noch erreichen möchte: an der Spitze eines Bundeslandes zu stehen. Im Vorfeld des CDU-Landes- und Jubiläumsparteitags in Mainz sprachen wir mit dem charmanten Grandseigneur der CDU und der jungen, quirligen Herausforderin über Generationen- und Geschlechterfragen, aber auch über grundsätzliche politische Themen.

Die CDU Rheinland-Pfalz wird 65 Jahre alt. Was löst das an Emotionen bei Ihnen aus?

Vogel: Ich spüre zuallererst Dankbarkeit. Aus der Neugründung vor 65 Jahren ist eine politische Kraft erwachsen, die das ebenfalls neu entstandene Rheinland-Pfalz über Jahrzehnte mitgestalten durfte. Auch heute ist die CDU eine starke politische Kraft, die einen großen Teil des Landes repräsentiert.

Klöckner: Ich habe viel in alten Dokumenten gestöbert. Dabei habe ich Demut gegenüber den Vätern und Müttern der Gründerzeit empfunden, die die CDU in der schwierigen Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut haben. Wenn ich sehe, dass ich mich jetzt zum ersten Mal als Parteivorsitzende zur Wiederwahl stelle, ist das nur ein ganz kleiner Teil unserer Parteigeschichte.

Herr Vogel, wie erleben Sie am Beispiel von Julia Klöckner den Führungsstil einer Frau?

Vogel: Selbstverständlich führt Julia Klöckner anders als Männer, denn sie ist eine Frau. Aber auch in der bisherigen Geschichte von Rheinland-Pfalz, erst recht bei der CDU, haben sich bereits bedeutende Frauen in hoher Verantwortung bewährt. Ich erinnere nur an die unvergessene frühere Kultusministerin Hanna-Renate Laurien, die Sozialpolitikerin Susanne Hermans, die auch als Vizepräsidentin des Landtags amtierte, oder an Ursula Starlinger, die einige Jahre zuvor das gleiche Amt ausübte.

Wünschen Sie sich nicht manchmal ein kerniges, männliches Machtwort?

Vogel: Mit Machtworten sollte man an der Spitze einer Partei sehr vorsichtig umgehen. Gelegentlich muss man ein Machtwort sprechen. Aber ich habe inzwischen gelernt, dass Frau Klöckner auch zu Machtworten in der Lage ist. Im Übrigen denke ich, dass unsere Generation sich mit guten Ratschlägen an die jüngeren Politiker eher zurückhalten sollte. Das haben wir damals auch nicht gewollt.

Frau Klöckner, die CDU ist wie die SPD überaltert. Wie gehen Sie als junge Frau an der Parteispitze mit den männlichen Honoratioren um? Suchen Sie ihren Rat oder grenzen Sie sich ab, um neue Wege beschreiten zu können?

Klöckner: Wir haben einen großen Zulauf von jungen Menschen. In der rheinland-pfälzischen CDU erlebe ich viel Offenheit. Ich glaube, wir sind viel weiter, als es so manches Image widerspiegelt. Viele unserer älteren Mitglieder sind stolz darauf, dass die CDU zu alter Stärke und Geschlossenheit zurückgefunden hat. Und selbst von den älteren Parteimitgliedern höre ich ganz selten den Satz: „Das haben wir immer schon so gemacht.“ Ich halte Ratschläge und andere Sichtweisen im Übrigen für etwas sehr Wichtiges. Keiner kann allein immer alles wissen.

Vogel: Wenn mir dieser Zwischenruf erlaubt sein darf. Frau Klöckner ist zwar strahlend jung, aber dennoch eine gestandene Frau. Und ich möchte anmerken, in ihrem Alter war ich schon viele Jahre Kultusminister von Rheinland-Pfalz. Als Helmut Kohl Ministerpräsident wurde, war er übrigens erst 39 Jahre alt. Wir waren und wir sind nicht überaltert.

Klöckner: Man kann mit 39 also einiges bewegen. Jugend an sich ist kein Wert, Alter auch nicht. Letztlich zählt, was man tut und vorhat und welche Haltung man einnimmt. Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit sind alterslos.

Herr Vogel, Sie sind seit Jahren erstmalig wieder bei einem rheinland-pfälzischen CDU-Landesparteitag dabei. Wie sehr schmerzt die Wunde noch, die Ihnen 1988 von der eigenen Partei geschlagen wurde und die zu Ihrem Rücktritt als Ministerpräsident führte?

Vogel: Wunden heilen, Narben bleiben.

Empfinden Sie es als ein Stück später Wiedergutmachung, dass Sie jetzt von der CDU auf besonders herzliche Weise willkommen geheißen werden?

Vogel: Wiedergutmachung ist das nicht. Aber es ist die öffentliche Bekundung, dass ich mit meiner Partei hier in Rheinland-Pfalz versöhnt bin. Die heutige Führung möchte ich, soweit ich das noch vermag, mit ganzer Kraft unterstützen.

Zum Schluss die Frage nach dem politischen Profil der CDU. Mit dem Bekenntnis zur Energiewende, der Abkehr vom dreigliedrigen Schulsystem und der Offenheit für Mindestlöhne haben die Christdemokraten viele Positionen geräumt und verändert. Was macht die CDU im Kern noch aus?

Vogel: Die CDU braucht ein klares Profil, mit dem sie sich von anderen Parteien unterscheidet. Nur so kann sie im politischen Wettbewerb erfolgreich sein. Der Markenkern der CDU ist ihr Name, und damit meine ich vor allem das „C“ in ihrem Namen, also das Bekenntnis zu christlichen Grundwerten. Wenn sie das beherzigt, ist sie auch in der Lage, Tagesfragen pragmatisch zu entscheiden.

Klöckner: Nur Ideologen verändern ihre Positionen nicht, man kann Positionen aufgrund neuer Einsichten auch aufgeben und sich dennoch treu bleiben. Konservativ heißt nicht, formal an alten Strukturen festzuhalten. Aber Wandel braucht Werte, die die Zeiten überdauern. Das, was man vom Grundsatz her als richtig erachtet, kann auch in einem neuen, modernen Gewand daherkommen – wie die Familienpolitik. Eine Partei, die sich nicht wandelt, wenn sich die Gesellschaft wandelt, ist bald nicht mehr für diese Welt bestimmt und damit im politischen Alltag überflüssig. Wir aber wollen Zukunft mitgestalten.

Das Gespräch führte Dietmar Brück