Rheinland-Pfalz

Beck-Debatte: SPD macht Schotten dicht

Die Nachricht elektrisierte die gesamte Landespolitik: Ministerpräsident Kurt Beck denkt darüber nach, schon 2012 sein Amt zu übergeben. Die Nachfolge ist ein heikles Thema für die SPD: Die Partei braucht einen Konsens zwischen den aussichtsreichsten Kandidaten, um Lagerkämpfe und Zerreißproben zu verhindern. Folglich werden die Weichen still und leise gestellt.

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Rheinland-Pfalz. Die Nachricht elektrisierte die gesamte Landespolitik: Ministerpräsident Kurt Beck denkt darüber nach, schon 2012 sein Amt zu übergeben. Die Nachfolge ist ein heikles Thema für die SPD: Die Partei braucht einen Konsens zwischen den aussichtsreichsten Kandidaten, um Lagerkämpfe und Zerreißproben zu verhindern.

Folglich werden die Weichen still und leise gestellt. Von daher war man bei den Sozialdemokraten sichtlich bemüht, die Schotten dicht zu machen und den Anschein von Unaufgeregtheit zu erwecken. Ein gut geölter Schutzmechanismus rastete ein. Und doch konnte und wollte die Parteiführung nicht abstreiten, dass ein interner Prozess im Gange ist, in dessen Verlauf die Nachfolge geregelt werden soll. Dass niemand das mögliche Wechseldatum 2012 bestätigte, war selbstredend. Alles andere hätte Kurt Beck unwiderruflich beschädigt.

Nur ein Thema überall

Doch hinter den Kulissen war bei den Sozialdemokraten eine Menge in Bewegung. Bislang war es dem Ministerpräsidenten immer gelungen, große Entscheidungen absolut diskret vorzubereiten. Dass dieses Mal Informationen nach außen sickerten, sorgte für gewaltige Unruhe. „Das schlug ein wie eine Bombe“, hieß es.

Am Rande des Landtagsplenums gab es am Mittwoch nahezu kein anderes Thema. Die Staatskanzlei wurde mit Anfragen überschüttet. In allen Fraktionssitzungen war die nun öffentliche Diskussion über die Beck-Nachfolge Thema.

In der SPD-Fraktion meldete sich der Ministerpräsident und Parteichef selbst zu Wort. Von Zeitpunkten und Zeitplänen wurde dabei überhaupt nicht geredet. Dennoch kam es zu einem Meinungsaustausch. Teilnehmer der Sitzung berichteten nachher, dass es die meisten Sozialdemokraten richtig finden, die Frage der Nachfolge früh und koordiniert anzugehen. Geschlossenheit gehört zum Selbstverständnis der rheinland-pfälzischen SPD. Die will niemand verspielen. Beck erhielt für sein Vorgehen, seine Nachfolge im Konsens mit den Kandidaten zu entscheiden, Rückendeckung.

Raab: „Wir Sozialdemokraten sind entspannt.“

„Um Konflikte zu vermeiden, muss das Thema früh angegangen werden“, so eine Stimme. „Gleich, wer am Ende der Nachfolger wird, die Partei wird sich hinter ihm versammeln“, meinte ein anderer. Heike Raab, SPD- Kreisvorsitzende Cochem-Zell und Innenstaatssekretärin, erklärte gegenüber unserer Zeitung:

Dabei ließ sich nahezu keiner offen auf die Frage ein, ob nun Innenminister Roger Lewentz oder SPD-Fraktionschef Hendrik Hering – das sind die beiden aussichtsreichsten Aspiranten – der bessere Kandidat ist. Nur Michael Maurer, Kreisvorsitzender der SPD Rhein-Hunsrück und Mitarbeiter der Staatskanzlei, gab eine Präferenz zu: „In Diskussionen und Gesprächen, die ich als Kreisvorsitzender erlebe, spüre ich eine große Sympathie für Roger Lewentz als möglichen Nachfolger von Kurt Beck.“ Neben dem Innenminister und dem Fraktionschef wird auch Bildungsministerin Doris Ahnen für das Amt der Regierungschefin gehandelt. Außerdem ist Justizminister Jochen Hartloff im Gespräch – aber ohne wirkliche Chancen.

Unter den Genossen in Berlin herrschte mit Blick auf die Nachfolge-Diskussion ebenfalls demonstrative Gelassenheit. „Kein Kommentar“, hieß es aus dem Willy-Brandt-Haus, der Parteizentrale der Sozialdemokraten. SPD-Landesgruppenchef Gustav Herzog, der den Ministerpräsidenten seit vielen Jahren kennt, geht nicht davon aus, dass Beck vor der Bundestagswahl 2013 aufhört. „Es gibt noch zu viele Themen. Kurt Beck wird erst mal alles aufräumen und dann einem Nachfolger ein bestelltes Haus übergeben. Alles andere würde nicht zu ihm passen“, sagte Herzog unserer Zeitung. Darin, dass ein potenzieller Nachfolger es möglicherweise schwer hätte, sich kurz vor der Landtagswahl 2016 gegen eine CDU-Kandidatin Julia Klöckner in Stellung zu bringen, sieht der Bundestagsabgeordnete kein Problem. „Man muss niemanden lange aufbauen. Die Partei würde das in kürzester Zeit, auch in wenigen Monaten, hinkriegen“, meint er.

Becks Einfluss, etwa im Bundesrat, ist nach wie vor groß. Der frühere SPD-Bundesvorsitzende gilt als gut vernetzt, hat sich jedoch nach dem Zerwürfnis um die Kanzlerkandidatur 2008, als man ihn als Parteichef überging, von der großen bundespolitischen Bühne zurückgezogen. In der Länderkammer gilt er nach wie vor als einflussreicher Strippenzieher, dessen Erfahrung viele schätzen.

Die Protagonisten der rot-grünen Koalition im Land unternahmen derweil alles, um Beck nicht als „Lame Duck“ (lahme Ente) erscheinen zu lassen, dessen Machtbasis schwindet. „Beck wird ganz allein entscheiden, wann er sich aus dem Amt zurückzieht“, hieß es immer wieder. Ein Grünen-Politiker meinte: „Vor der Bundestagswahl 2013 wird er garantiert nicht abtreten.“ Fraktionschef Daniel Köbler erklärte immerhin: „Es ist Aufgabe der SPD, dass die relevanten Entscheider entsprechende Personalfragen besprechen.“ Aber zugleich wurde auch klar, dass die Grünen bei diesem Prozess komplett außen vor sind.

Baldauf: Die Komplotte gehen los

Die CDU, die von den Ereignissen ebenfalls überrascht wurde, nutzte die Gunst der Stunde, um Rot-Grün hart anzugehen. CDU-Chefin Julia Klöckner verlangte Neuwahlen, sollte Beck abtreten. „Wenn sich dieser Ministerpräsident bereits ein Jahr nach der Wahl zurückzieht – was wir begrüßen –, dann muss die Entscheidung über eine neue Landesspitze in die Hände der Wähler gelegt werden.“ Christian Baldauf (CDU) erkennt Zerfallserscheinungen bei der SPD: „Die Komplotte gehen los.“

Die FDP sieht Kurt Beck am Ende. „Es ist offensichtlich, dass dem Ministerpräsidenten die Regierung aus den Händen gleitet“, erklärte Parteichef Volker Wissing.

Von unseren Redakteuren Rena Lehmann und Dietmar Brück