Ankara

Ausnahmezustand: Was nun in der Türkei passieren könnte

Türkische Sicherheitskräfte haben während des Ausnahmezustands weitgehende Rechte, Gegenden abzusperren und Menschen zu kontrollieren. Grundrechte können eingeschränkt oder ausgesetzt werden.
Türkische Sicherheitskräfte haben während des Ausnahmezustands weitgehende Rechte, Gegenden abzusperren und Menschen zu kontrollieren. Grundrechte können eingeschränkt oder ausgesetzt werden. Foto: dpa

Die türkische Verfassung gibt dem Kabinett unter Vorsitz des Staatspräsidenten das Recht, nach Beratungen mit dem Nationalen Sicherheitsrat den Ausnahmezustand zu verhängen. Auslöser können nach Artikel 120 „weit verbreitete Gewaltakte zur Zerstörung der freiheitlich-demokratischen Ordnung“ oder ein „gravierender Verfall der öffentlichen Ordnung“ sein.

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Das Kabinett kann den Ausnahmezustand im ganzen Land oder in Teilen davon für maximal sechs Monate verhängen. Der nun verkündete Ausnahmezustand gilt für 90 Tage. Der Beschluss muss im Amtsanzeiger veröffentlicht werden und tritt damit in Kraft. Er muss dann ans Parlament übermittelt werden, das die Dauer des Ausnahmezustands verändern, ihn aufheben oder ihn auf Bitte des Kabinetts um je vier Monate verlängern kann.

Während der Dauer des Ausnahmezustands kann das türkische Kabinett unter dem Vorsitz des Präsidenten Dekrete mit Gesetzeskraft erlassen. Diese Erlasse werden im Amtsanzeiger veröffentlicht und treten damit in Kraft. Noch am selben Tag müssen sie dem Parlament zur (nachträglichen) Zustimmung vorgelegt werden. Gegen die Dekrete kann dabei nicht vor dem Verfassungsgericht vorgegangen werden.

Während des Ausnahmezustands können nach Artikel 15 Grundrechte eingeschränkt oder ausgesetzt werden. Auch dürfen Maßnahmen ergriffen werden, die von den Garantien in der Verfassung abweichen. Voraussetzung ist allerdings, dass Verpflichtungen nach internationalem Recht nicht verletzt werden. Unverletzlich bleibt (außer bei rechtmäßigen Kriegshandlungen) das Recht auf Leben.

Niemand darf zudem gezwungen werden, seine Religionszugehörigkeit, sein Gewissen, seine Gedanken oder seine Meinung zu offenbaren oder deswegen bestraft werden. Strafen dürfen nicht rückwirkend verhängt werden. Auch im Ausnahmezustand gilt die Unschuldsvermutung: Niemand ist schuldig, bevor ein Gericht ihn nicht verurteilt hat.

Im Folgenden gibt es eine Auswahl von Maßnahmen, die das Kabinett unter Erdogan nach dem Gesetz zum Ausnahmezustand beschließen kann, aber nicht beschließen muss:

1 Ausgangssperren können verhängt werden.

2 Der Fahrzeugverkehr könnte zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Gegenden verboten werden.

3 Versammlungen und Demonstrationen können verboten werden – sowohl unter freiem Himmel als auch in geschlossenen Räumen.

4 Sicherheitskräfte dürfen Personen, Fahrzeuge oder Anwesen durchsuchen und mögliche Beweismittel beschlagnahmen.

5 Bestimmte Gegenden können abgeriegelt oder evakuiert werden.

6 Der Verkehr zu Land, See und Luft kann kontrolliert werden.

7 Druckerzeugnisse wie Zeitungen, Magazine oder Bücher können verboten oder mit der Auflage versehen werden, dass sie nur mit Genehmigung erscheinen dürfen.

8 Alle Arten von Rundfunkausstrahlung und die Verbreitung von Texten, Bildern, Filmen oder Tönen können kontrolliert und nötigenfalls eingeschränkt oder ganz verboten werden.