Rheinland-Pfalz

Atomunfall: Wie gut sind wir in Rheinland-Pfalz geschützt?

Das AKW Philippsburg bei Karlsruhe soll bis 2019 vom Netz gehen. Zuletzt wurde bekannt: Prüfer sollen Sicherheitskontrollen vorgetäuscht haben. Das AKW steht wegen einer Revision still. Bei einem schweren Unfall müssten in Rheinland-Pfalz aus der 20-Kilometer-Zone 300 000 Menschen evakuiert oder sogar auf Dauer umgesiedelt werden, so das Ministerium.
Das AKW Philippsburg bei Karlsruhe soll bis 2019 vom Netz gehen. Zuletzt wurde bekannt: Prüfer sollen Sicherheitskontrollen vorgetäuscht haben. Das AKW steht wegen einer Revision still. Bei einem schweren Unfall müssten in Rheinland-Pfalz aus der 20-Kilometer-Zone 300 000 Menschen evakuiert oder sogar auf Dauer umgesiedelt werden, so das Ministerium. Foto: dpa

Wie bereitet sich Rheinland-Pfalz darauf vor, die Bevölkerung vor den Folgen eines atomaren Unfalls möglichst gut zu schützen? Die Konzepte für den Fall eins GAUs – den größten anzunehmenden Unfall – werden noch überprüft, ist auf Nachfragen unserer Zeitung beim Mainzer Innenministerium zu hören.

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Von unserer Chefreporterin Ursula Samary

Konkrete Zeitpläne werden aber nicht genannt. Dabei stehen vor den Grenzen des Landes die als Schrottreaktoren kritisierten Atomkraftwerke Cattenom (Frankreich) und Tihange (Belgien).

Nach Recherchen unserer Zeitung gilt ein von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier erarbeiteter und von Landräten teils heftig kritisierter Katastrophenschutzplan für die Umgebung von Kernkraftwerken vom Mai 2011 als überholt. Doch auch fünf Jahre nach dem GAU von Fukushima, der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Atomausstieg veranlasste, steht er in wichtigen Fragen immer noch „auf dem Prüfstand“. Die Überarbeitung in einem ressortübergreifendem Projekt unter Federführung des Innenministeriums sei „sehr komplex“, heißt es dazu erklärend in Mainz.

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Unsichere Atomkraftwerke: Die Angst vor dem GAU.

Rheinland-Pfalz ist von vier Atomkraftwerken direkt umgeben. Alle gelten als nicht sicher. Tschernobyl und Fukushima haben gezeigt was passieren kann, sollte es zum GAU in einem der Atomkraftwerke kommen. Wie stehen Sie zur Atomkraft?

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Evakuierungsradius vergrößert

Fest steht bisher: Der Evakuierungsradius wurde von 10 auf 20 Kilometer verdoppelt, rund um Cattenom auf 25 Kilometer erweitert. Zum Vergleich: Rund um Tschernobyl gilt noch immer ein Sperrbezirk von 30 Kilometern. Das rheinland-pfälzische Innenministerium geht davon aus, dass bei einem Atomunfall rund um Cattenom maximal 2400 Personen flüchten müssen; der betroffene Kreis Trier-Saarburg rechnet dagegen mit 7000 Personen. Diverse Landkreise bestätigen, dass die ADD sie aufgefordert hat, Listen von Unterkünften vorzuhalten, um Atomflüchtlinge aufzunehmen.

Das gilt nicht nur für Cattenom. Käme es im baden-württembergischen AKW Phillipsburg, das wegen möglicherweise gefälschter Prüfkontrollen ins Gerede gekommen ist, zu einem schweren Reaktorunglück, hätte dies dramatische Folgen. Dann „müssen in einer 20 Kilometerzone auf rheinland-pfälzischem Gebiet etwa 300 000 Menschen evakuiert und möglicherweise sogar auf Dauer umgesiedelt werden“, erklärt das Mainzer Ministerium.

Wie bereitet sich Rheinland-Pfalz darauf vor, die Bevölkerung vor den Folgen eines atomaren Unfalls möglichst gut zu schützen? Die Konzepte für den Fall eins GAUs – den größten anzunehmenden Unfall – werden noch überprüft, ist auf Nachfragen unserer Zeitung beim Mainzer Innenministerium zu hören.
Wie bereitet sich Rheinland-Pfalz darauf vor, die Bevölkerung vor den Folgen eines atomaren Unfalls möglichst gut zu schützen? Die Konzepte für den Fall eins GAUs – den größten anzunehmenden Unfall – werden noch überprüft, ist auf Nachfragen unserer Zeitung beim Mainzer Innenministerium zu hören.
Foto: dpa

Mehr Jodtabletten

Nach Vorgaben der Innenministerkonferenz von 2014 müssen alle Länder „mindestens für ein Prozent ihrer eigenen Bevölkerung Unterbringungsmöglichkeiten für Betroffene einer Evakuierung vorplanen“. So könnten etwa 800 000 Plätze bundesweit bereit stehen. Laut Ministerium werden Jodtabletten künftig in einem größeren Umkreis verteilt. Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima wurde 2011 einen neue 100-Kilometer-Zone dafür festgelegt. Daher werde erwogen, regelmäßige Katastrophenschutzübungen, die sich bisher auf die direkte Umgebung von AKWs beschränkten, möglicherweise auszuweiten. Rund um Cattenom wird auch der Aufbau von Notfallstationen geübt, die Alarmierung monatlich getestet.

Gleichzeitig wächst die Sorge im Kreis Bitburg-Prüm, weil Tihange auch in Belgien nicht mehr als sicher gilt. Und: In Frankreich tauchten 400 fehlerhafte Dossiers für große Kraftwerksbauteile auf. Landrat Joachim Streit appelliert daher an Frankreichs Staatspräsident François Hollande und Belgiens Premier Charles Michel, doch auf Atomkraft zu verzichten, der er sich ausgeliefert fühle. Er befürchte Terroranschläge auf AKWs.