Paris

Anschlag in Paris: Der Terror trifft ein verunsichertes Frankreich

Rettungskräfte
Rettungskräfte kümmern sich um die Überlebenden des Pariser Anschlags. Foto: Ian Langsdon

Blutbad in einer Redaktion, zerschossene Fenster in der Straße, Videos von vermummten, kaltblütig agierenden Tätern – ein Terroranschlag versetzt Paris und Frankreich in Schock. Das mehrfach bedrohte und angegriffene Satiremagazin „Charlie Hebdo“ ist Ziel dreier Terroristen geworden. Mindestens zwölf Menschen sterben beim blutigsten Anschlag seit Jahrzehnten in Frankreich.

Lesezeit: 4 Minuten
Anzeige
Mit dem öffnen des externen Inhaltes erklären Sie sich einverstanden, dass Ihre Daten an //embed.scribblelive.com/Embed/v7.aspx?Id=1011604&ThemeId=18827 übermittelt werden und Sie die Datenschutzerklärung gelesen haben.

Die Täter schlagen am späten Vormittag in dem belebten Viertel der Stadt zu. Eine Nachbarin hört ohrenbetäubenden Lärm, glaubt an einen Film. Schüsse aus den Schnellfeuerwaffen der Terroristen hallen durch die engen Straßen. Menschen fliehen aus einem Gebäude über ein Dach in Sicherheit. Viele Anwohner sind verängstigt. Im Internet kursieren rasch Videos, die die ganze Kaltblütigkeit der Täter belegen. Eine der Aufnahmen zeigt die Erschießung eines bereits am Boden liegenden Polizisten. Auch die Zeichnerin Corinne Rey schildert die Härte des Anschlags: „Zwei vermummte und bewaffnete Männer haben uns am Eingang brutal bedroht.“ Das Innenministerium wird später von insgesamt drei Tätern sprechen.

Mit dem öffnen des externen Inhaltes erklären Sie sich einverstanden, dass Ihre Daten an //storify.com/larswienand/massaker-bei-satirezeitschrift-szenerie-danach/embed?header=false&border=false&template=slideshow übermittelt werden und Sie die Datenschutzerklärung gelesen haben.

Auf der Straße im elften Arrondissement der Stadt sehen die Menschen in dem Anschlag eine Kriegserklärung. Der Angriff kommt möglicherweise von innen, direkt aus Frankreich. „Sie sprachen perfekt Französisch“, sagte Rey der Zeitung „l'Humanité“. Rey berichtet, dass sie sich unter einem Schreibtisch in Deckung gebracht hat. Der Überfall dauert ihr zufolge etwa fünf Minuten.

Nach dem Anschlag rufen die Terroristen mehrfach „Allah ist groß“. Augenzeugen berichten, dass sie zudem „Wir haben den Propheten gerächt“ gerufen haben sollen. Mit dem Anschlag auf das religionskritische Magazin wird die Redaktion ins Mark getroffen. Unter den Opfern sind die bekanntesten Zeichner des Blattes, auch der als Charb bekannte Redaktionsleiter Stéphane Charbonnier.

Schon zuvor mehrere Anschläge

Bereits vor Weihnachten hatten drei Einzeltäter Angst und Schrecken in Frankreich verbreitet. In Dijon war ein psychisch kranker Mann unter „Allah ist groß“-Rufen an fünf Orten in Passantengruppen gefahren und hatte 13 Menschen verletzt. Im zentralfranzösischen Joué-lès-Tours erschossen Polizisten einen Mann, der mit „Allah ist groß“-Rufen ein Kommissariat gestürmt und mit einem Messer drei Beamte verletzt hatte. In Nantes starb ein Mensch, als ein Mann mit einem Kleinlaster in einen Glühweinstand fuhr.

Und auch in den Jahren zuvor war Frankreich immer wieder Ziel von Terroristen. Im Oktober 2012 erschoss die Polizei bei einem Antiterroreinsatz einen 33-jährigen Dschihadisten in Straßburg und nahm elf weitere mutmaßliche Islamisten fest. Die Männer wurden für einen Anschlag auf ein jüdisches Geschäft verantwortlich gemacht. Und im März 2012 erschoss ein Al-Kaida-Anhänger in einer Mordserie sieben Menschen, unter ihnen drei Kinder und einen Lehrer einer jüdischen Schule. Er wurde nach rund 32-stündiger Polizeibelagerung seiner Wohnung bei einer Schießerei getötet.

Frankreich ist nicht zufällig im Visier islamistischer Terroristen. In Mali kämpfen französische Truppen seit zwei Jahren gegen Extremisten, die im Norden ein Kalifat errichten wollen. Im Irak bombardieren französische Jagdflugzeuge an der Seite der USA die Terrormiliz Islamischer Staat. Erst vor wenigen Wochen wurde die letzte französische Geisel aus den Händen der Islamisten befreit.

Polizei bewacht Redaktionen

Nach dem jetzigen Attentat wird die Terrorwarnung für den Großraum Paris auf die höchste Stufe gesetzt. Vor Medienhäusern stehen Polizeiwagen. Beamte klappern Redaktionen ab: „Lassen Sie im Zweifel keinen rein!“ Die deutsche Regierung bemüht sich eher um eine beruhigende Tonlage. Es gebe keine konkreten Hinweise auf vergleichbare Anschlagspläne in Deutschland, sagt Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Ja, die Lage sei ernst, und es gebe Grund zur Sorge, „aber nicht zur Panik“.

Frankreich muss jederzeit mit einem schweren Anschlag rechnen. Doch das Attentat trifft das Land in einer besonders schwierigen Phase. Selten gingen die Franzosen so pessimistisch ins neue Jahr. Die Wirtschaft kommt nicht aus der Krise, Reformen sind umstritten, und die Regierung ist unpopulär wie kaum eine vor ihr. Präsident François Hollande fordert die Franzosen auf, angesichts des Terrors zusammenzustehen. Noch unter dem Eindruck der schockierenden Bilder entwickelt sich rasch eine Gegenbewegung. Die Fahnen am Élysée-Palast und an anderen Einrichtungen wehen auf Halbmast.

Rettungskräfte kümmern sich um die Überlebenden des Pariser Anschlags.

Ian Langsdon

Die Polizei sperrte die Straßen rund um das Gebäude des Satiremagazins.

Etienne Laurent

Rettungskräfte und Polizisten am Schauplatz des Terroranschlags.

Etienne Laurent

Polizeieinsatz in Paris: Frankreich steht unter Schock.

Etienne Laurent

Versteinerte Miene: Frankreichs Präsident Hollande am Tatort.

Etienne Laurent

Polizei und Rettungskräfte sind im Einsatz. Bei dem Anschlag sollen zwölf Menschen getötet worden sein.

Der Verlagsleiter des Satiremagazins „Charlie Hebdo“, Charb, zeigt 2012 das Titelblatt mit Cartoons über den Propheten Mohammed.

dpa

Bei einem Terroranschlag auf das französiche Satiremagazin „Charlie Hebdo“ in Paris sind mindestens 12 Menschen ums Leben gekommen.

dpa

Bei einem Terroranschlag auf das französiche Satiremagazin „Charlie Hebdo“ in Paris sind mindestens 12 Menschen ums Leben gekommen.

dpa

Bei einem Terroranschlag auf das französiche Satiremagazin „Charlie Hebdo“ in Paris sind mindestens 12 Menschen ums Leben gekommen.

dpa

Bei einem Terroranschlag auf das französiche Satiremagazin „Charlie Hebdo“ in Paris sind mindestens 12 Menschen ums Leben gekommen.

dpa

Die Redaktion des Satiremagazins wurde 2011 schon mal Opfer eines Anschlags.

dpa

Die verwüstete Redaktion von «Charlie Hebdo» nach einem Anschlag am 2. November 2011.

Maxppp/Julien Muguet/Archiv

Auf Straßen, an Plätzen und im Internet rollt eine Welle der Solidarität an. „Je suis Charlie“ steht auf den Schildern einer Gruppe Journalistikstudenten, die sich nahe dem Tatort versammeln – „Ich bin Charlie“. Das ist auch das Motto einer Demonstration, zu der sich mehrere Tausend Pariser am Platz der Republik versammeln, nicht weit vom Tatort. Auch in anderen französischen Städten gibt es Solidaritätskundgebungen. In Berlin versammeln sich am Abend spontan mehrere Hundert Menschen vor der französischen Botschaft, um ihre Solidarität auszudrücken. Die Demonstranten skandieren auf Französisch „Es lebe die Pressefreiheit!“. Auch viele Politiker sind da, ebenso die Organisation Reporter ohne Grenzen. Viele haben Kerzen mitgebracht.

Lisa Kreuzmann/Hanns-Jochen Kaffsack/Gerd Roth/Rena Lehmann