Berlin

Ökostrom ist gefragt wie noch nie

Windkrafträder, wie hier im rheinland-pfälzischen Morbach, sind ein  zentraler Baustein im Zukunftskonzept für erneuerbare Energien. Vor  allem vor der Küste sollen große Windparks entstehen.
Windkrafträder, wie hier im rheinland-pfälzischen Morbach, sind ein zentraler Baustein im Zukunftskonzept für erneuerbare Energien. Vor allem vor der Küste sollen große Windparks entstehen. Foto: dpa

In etwa 40 Jahren könnte Deutschlands Strom vollständig aus erneuerbaren Quellen stammen, haben Experten errechnet. Ein großer Teil davon wird aber importiert werden müssen. „Diese Veränderungen sind nach Fukushima nicht mehr verhandelbar“, heißt es in der Branche.

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Berlin – In etwa 40 Jahren könnte Deutschlands Strom vollständig aus erneuerbaren Quellen stammen, haben Experten errechnet. Ein großer Teil davon wird aber importiert werden müssen. „Diese Veränderungen sind nach Fukushima nicht mehr verhandelbar“, heißt es in der Branche.

Beim größten deutschen Ökostromanbieter Lichtblick in Hamburg stehen die Telefone kaum noch still. „Es rufen täglich dreimal so viele Neukunden an wie vor der Japan-Katastrophe“, sagt Unternehmenssprecher Ralph Kampwirth. In Zahlen: 800 statt 300. In der ersten Woche nach dem Erdbeben und dem Kollaps der Kühlsysteme im Atomkraftwerk Fukushima brach gar die Internetseite unter dem Besucheransturm zusammen.

„Fukushima hat viele aufgeweckt, die eigentlich schon vorher gegen Strom aus Atomkraft waren“, sagt Kampwirth. Theoretisch. „Strom ist ja schon da, wenn man irgendwo einzieht“, sagt Kampwirth. „Den Anbieter kündigen, einen neuen mit Ökostrom finden – das lässt sich eben immer wieder aufschieben, ohne dass man persönliche Auswirkungen spürt.“ Fukushima verändert diese Einstellung offenbar massenhaft.

Und der Wille bestimmt die Geschwindigkeit. „Den alten Atomausstiegsplan bis 2022 können wir in Deutschland problemlos umsetzen“, sagt Frank Musiol, Analyst beim vom Land Baden-Württemberg, Unis und Wirtschaft gegründeten Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung. „Das geht auch noch schneller, je nachdem, wie viel Geld die Politik dafür ausgeben will.“ Auf die sieben alten Atommeiler, die nach dem schnellen Kurswechsel der schwarz-gelben Koalition per Memorandum heruntergefahren werden, könne das deutsche Stromnetz problemlos verzichten. 23 Prozent des deutschen Stromes werden derzeit in Atomkraftwerken produziert, 17 Prozent stammen aus erneuerbaren Energiequellen. „Unabhängig von den Ereignissen in Japan war politisch geplant, bis 2020 zu mindestens 35 Prozent regenerativen Strom zu haben“, sagt Musiol. „Der Ausbau ist sowieso angelaufen. Vieles steht in Startposition.“

Das in vielen Studien von Umweltorganisationen sowie vom Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung anvisierte Ziel ist: Bis 2050 soll Deutschlands Stromversorgung vollständig auf regenerative Energien umgestellt sein. Musiol hält das für realistisch. „Das größte Potenzial haben Wind-, Sonne- und Wasserkraftanlagen“, sagt der gelernte Chemiker. „Biomasse kann nur begrenzt eingesetzt werden, weil die Energiepflanzen sonst zu viel Fläche besetzen und diese Monokulturen umweltschädlich sind.“

In diesem Zukunfts-Deutschland sieht es jedoch dann an vielen Stellen anders aus als heute: große Windparks in der Nordsee, mehr Fotovoltaikanlagen, mehr Pumpspeicherkraftwerke samt Stauseen. Denn der größte Unterschied zwischen der Stromproduktion in Kohle- und Atomkraftwerken und der natürlichen Energie ist, dass der Strom aus der Natur unregelmäßig vorkommt und deshalb gespeichert werden muss. „Mit Ökostrom ist man von Jahreszeiten und Tageszeiten abhängig“, sagt Musiol. Weil es manchmal viel Naturstrom gibt und manchmal wenig, seien Atommeiler auch keine geeignete Brückentechnologie. „Die Leistung von AKWs lässt sich schlecht regulieren. Sie passen schlecht zum Ökostrom.“

Sie passen sowieso nicht in eine Welt, die man erhalten will, findet Umweltpfarrer Hubert Meisinger von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Die evangelische Kirche fordert schon seit Tschernobyl den Atomausstieg: „Die Menschen sollen die Schöpfung bewahren. Eine risikoreiche Energietechnik ist damit nicht vereinbar.“ Durch die Bevölkerung sei durch die Katastrophe in Japan ein erneuter Weckruf gegangen.

Von Miriam Bunjes