Hamburg

Nein ist Forderung für mehr Transparenz

Olympische Spiele und Hamburg - das geht vorerst nicht zusammen. Die Gründe für das Nein in der Hansestadt sind vielfältiger Natur.  Foto: dpa
Olympische Spiele und Hamburg - das geht vorerst nicht zusammen. Die Gründe für das Nein in der Hansestadt sind vielfältiger Natur. Foto: dpa

Der Widerstand gegen den Berliner Pannen-Flughafen BER. Der Protest gegen den Tiefbahnhof Stuttgart 21. Erst das „Moch ma' net“ zu den Winterspielen in München, jetzt das Nein zum Sportspektakel in der Hansestadt. Mit einer Mehrheit von gerade mal 1,6 Prozentpunkten haben die Hamburger denkbar knapp gegen ihre Stadt als Ausrichtungsort für die Olympischen Spiele 2024 gestimmt. Nur 48,4 Prozent waren dafür. Es ist nicht das erste Mal, dass Menschen in Deutschland gegen ein ambitioniertes Projekt aufbegehren. Warum ist das eigentlich so?

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Der dänische Wirtschaftsgeograf Bent Flyvbjerg geht davon aus, dass jährlich zwischen 6 und 9 Billionen Dollar für Großprojekte ausgegeben werden – mehr als das Sechsfache des US-Haushalts. Damit sei der größte Investmentboom in der Geschichte der Menschheit zu verzeichnen, schreibt der Professor an der Universität von Oxford in einer Studie 2014.

Nicht nur in Hamburg, sondern weltweit ringen politische Entscheider und Projektplaner aber mit einem grundsätzlichen Problem: „Not in my backyard“ (deutsch: „Nicht in meinem Hinterhof“) nennen Soziologen das Phänomen, dass die Bevölkerung eine Neuerung zwar grundsätzlich begrüßt, im näheren Umfeld aber keine Nachteile akzeptieren will. Für den gescheiterten Traum von Olympischen Sommerspielen an der Elbe machen Forscher mehrere Gründe verantwortlich:

Die Angst vor dem Terror

Die Terrorgefahr war nach Sicht des Soziologen Ortwin Renn nicht die eigentliche Ursache des Neins. Renn geht jedoch davon aus, dass die Diskussionen nach den Terroranschlägen von Paris vor allem für diejenigen das Zünglein an der Waage waren, die zwischen beiden Positionen pendelten. „Für eine kleine Minderheit war das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, sagt Renn.

Die Finanzierung

Bis zuletzt war unklar, wer die Kosten von rund 7,4 Milliarden Euro übernimmt. Die Stadt wollte 1,2 Milliarden beitragen, die restlichen 6,2 Milliarden Euro sollte der Bund übernehmen. Ausgerechnet in Hamburg waren die Kosten für ein anderes Großprojekt explodiert. „Die Elbphilharmonie ist eine Geschichte unsolider Großspurigkeit“, sagt der Politikpsychologe an der Hochschule Magdeburg-Stendal, Thomas Kliche. „Die Politik erntet heute mit dem allgemeinen Ekel im Grunde die Früchte der Parteifinanzierungsskandale der 80er- und 90er-Jahre, und so wird es auch dem Sport gehen.“

Affäre um Blatter und Niersbach

Tragen auch die Fifa-Krise und die jüngste Affäre im Deutschen Fußball-Bund eine Mitschuld? Der Imageschaden, den die Korruptionsvorwürfe ausgelöst haben, sei eine schwere Hypothek, nicht nur für den DFB, erklärt Sportwissenschaftler Jörg-Uwe Nieland von der Sporthochschule in Köln. Dass der Sport in der Krise steckt, ist der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International eine zu einfache Erklärung. Nach der gescheiterten Münchner Bewerbung habe man die Gründe für die Niederlage nicht aufgearbeitet, sondern sei „nahtlos in die nächste Bewerbung reingestolpert“, erklärt Sylvia Schenk, die bei Transparency für Sportfragen zuständig ist.

Ausdruck des Protests?

Haben die Hamburger dem Senat einen Denkzettel verpasst? Der Politologe Prof. Norbert Kersting von der Uni Münster sieht im Wahlausgang ein Symbol für eine Forderung nach mehr Transparenz und Offenheit in der öffentlichen Diskussion. „Zu sagen, das ist jetzt alles negativ, das sind nur Neinsager, ist zu pauschal“, sagt er.