50 Jahre Rheinkreuzfahrt: Auf Wasserstraßen ins Ferienglück schippern

Anders als heute waren die Rheinkreuzfahrten früher keine Rentnerreisen. Das historische Foto zeigt ein illustres Reisegrüppchen bei  Rheinkilometer 580 unterhalb der Marksburg.  Foto: Viking Flusskreuzfahrten
Anders als heute waren die Rheinkreuzfahrten früher keine Rentnerreisen. Das historische Foto zeigt ein illustres Reisegrüppchen bei Rheinkilometer 580 unterhalb der Marksburg.  Foto: Viking Flusskreuzfahrten

Heute heißt sie „Victoria Cruziana“ und kreuzt für holländische Reederei. Damals, vor 50 Jahren, lief sie als „Europa“ in Mainz-Kastel vom Stapel – und war das erste Fahrgastkabinenschiff für Kreuzfahrten auf dem Rhein. Heinz-Peter Vogt, Schiffsführer und Manager bei Viking River Cruises, war fast von Anfang an dabei, erinnert sich an sein Leben im Fluss.

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Von unserem Redakteur Axel Müller

Das Mittelrheintal mit seinen zahlreichen Burgen (hier Burg Stahleck bei Bacharach) lockt jedes Jahr tausende auf die Flusskreuzfahrtschiffe. Foto: dpa/Viking

In Mainz-Kastel wurde vor 50 Jahren Schiffahrtsgeschichte geschrieben. Hier baute man die „MS Europa“, das erste Kabinenschiff für Flusskreuzfahrten. Foto: Carsten Luther

Mit der „MS Europa“ fuhren Menschen erstmals zur Erholung über den Rhein. Vorher wurden die Wasserwege zur Beförderung von Personen und Gütern von A nach B genutzt.

Thomas Frey

Anders als heute waren die Rheinkreuzfahrten früher keine Rentnerreisen. Das historische Foto zeigt ein illustres Reisegrüppchen bei Rheinkilometer 580 unterhalb der Marksburg. 

Viking Flusskreuzfahrten

Mittelrhein-Romantik: Ein Flusskreuzfahrtschiff fährt an der Burg Katz bei St. Goarshausen vorbei.

TUI/dpa

Mit der „MS Europa“ wurde erstmalig ein Schiff eigens für eine Flusskreuzfahrt konzipiert. Maschineneinrichtungen und Wirtschaftsräume wurden im Hinterschiff untergebracht, um die Fahrgeräusche für die Passagiere zu minimieren. Insgesamt fanden bis zu 200 Gäste in den 75 Kabinen Platz.

Thomas Frey

Ein Flusskreuzfahrtschiff fährt auf dem Rhein bei Kaub (Rhein-Lahn-Kreis) an der Burg Pfalzgrafenstein vorbei. Die Flusskreuzfahrtbranche wächst deutlich mehr als der allgemeine Tourismus in Deutschland. Viele Reedereien haben sogar Winterkataloge herausgegeben und verlängern so ihre Saison.

Arne Dedert dpa

Das Leben an, auf und mit dem Fluss hat unzweifelhaft einen besonderen Reiz. Das entdeckten auch die Touristiker am Rhein vor nunmehr 50 Jahren. Die „Köln-Düsseldorfer“ (KD) ließ damals das erste Flusskreuzfahrtschiff bauen, das zwischen Rotterdam und Basel pendeln sollte. Die „MS Europa“ war dazu für die damalige Zeit komfortabel ausgestattet: Zwei-Bett-Kabinen von zehn bis zwölf Quadratmetern – allerdings mit noch recht kleinen Fensterchen – boten die Annehmlichkeiten eines schwimmenden Hotels.

Mit der „MS Europa“ wurde erstmalig ein Schiff eigens für eine Flusskreuzfahrt konzipiert. Maschineneinrichtungen und Wirtschaftsräume wurden im Hinterschiff untergebracht, um die Fahrgeräusche für die Passagiere zu minimieren. Insgesamt fanden bis zu 200 Gäste in den 75 Kabinen Platz. Foto: Thomas Frey
Mit der „MS Europa“ wurde erstmalig ein Schiff eigens für eine Flusskreuzfahrt konzipiert. Maschineneinrichtungen und Wirtschaftsräume wurden im Hinterschiff untergebracht, um die Fahrgeräusche für die Passagiere zu minimieren. Insgesamt fanden bis zu 200 Gäste in den 75 Kabinen Platz.
Foto: Thomas Frey

Heinz-Peter Vogt lernte das Schiff 1963 kennen, als er im zarten Alter von 14 Jahren bei der Mannheimer Reederei Fendel seine Ausbildung begann. In Kaub geboren und aufgewachsen, reicht die Schiffertradition in der Familie zurück bis ins 17. Jahrhundert. So zog es auch Vogt auf den Fluss, und er heuerte nach Abschluss der Lehre für zwei Jahre als Matrose auf verschiedenen Rheinschiffen an – bis er schließlich zur KD und dem Raddampfer „Bismarck“ kam.

Schiffsführer – kein Kapitän

Ein Jahr später wechselte Vogt von der Fracht- zur Pasagierschifffahrt, machte 1973 sein Rheinschifferpatent in Mainz und fuhr bis dato nach eigenen Worten „auf allen Schiffen“. Seit 1984 ist er Schiffsführer. „Nein, kein Kapitän“, stellt der 61-Jährige richtig. „Auf dem Rhein gibt es nur Schiffsführer – eine Besonderheit.“ Heute arbeitet Heinz-Peter Vogt als Manager bei Viking Flusskreuzfahrten und lebt in Lingoldsheim im Elsass. Er blickt für uns zurück auf die Entwicklung der Flusskreuzschifffahrt in den vergangenen 50 Jahren und gibt einen Ausblick auf die nächsten Jahre.

Beim Gedanke an die „Europa“ gerät Vogt schnell ins Schwärmen: „Ein erstklassiges Schiff mit super Ausstattung. Deshalb ist es auch noch heute im Einsatz.“ Vier Deutz-Diesel mit je 500 PS machten die „Europa“ zum schnellsten Schiff auf Vater Rhein. Damit das Tuckern und Vibrieren der schweren Motoren die Reisenden an Bord nicht allzu sehr störte, waren die Fahrgastkabinen im Vorderschiff platziert, die Personalkabinen im hinteren Teil. Dort wohnten das 30-köpfige Team des Hotelpersonals sowie die sieben Mann starke nautisch-technische Crew vom Matrosen bis zum Schiffsführer. Die „Europa“ verfügte sogar über einen circa sechs mal vier Meter großen und 1,80 Meter tiefen Pool – für das Baujahr 1960 ein echter Luxus. Lediglich eine Klimaanlage fehlte.

Stetiger Flottenzuwachs

Die „Europa“ schlug auf dem amerikanischen Markt ein, und die „Helvetia“ (200 Gäste, Schwimmbad, alle Kabinen mit Dusche und WC) half von 1962 an, die Nachfrage zu decken. Im Zwei-Jahres-Takt folgten weitere Flusskreuzer und stieg die Qualität. Die 1964 in Betrieb gegangene „Nederland“ war bereits 101 Meter lang und hatte einen Bugpropeller zum präzisen Manövrieren in Schleusen. Ab 1966 schipperte die „France“ auf dem deutschesten aller Flüsse, 1968 gesellte sich die „Britannia“ dazu und – Ausnahme von der Regel – nach drei weiteren Jahren die „Deutschland“.

1975 kaufte die KD ein Unternehmen mit zwei Schiffen hinzu und baute damit ihre Dominanz auf dem Rhein aus. Umgetauft auf „Italia“ und „Austria“ verstärkten sie von 1976 an die KD-Flotte.

Vogt schmunzelt und sagt: „Damals kannte jeder Ami die KD, aber nur ein paar Kilometer abseits vom Rhein war das Kürzel unbekannt.“ Doch genau dies sollte dem Flusskreuzfahrttourismus in den 1980er-Jahren einen herben Rückschlag bereiten. Das Reaktorunglück in Tschernobyl (1984) und der Anschlag auf die Berliner Disco „La Belle“ (1986) verschreckten die Amerikaner. Die Kundenzahl ging derart zurück, dass die KD sogar ein Schiff vorübergehend stilllegen musste. „Das Problem ist, für die Amis liegt Tschernobyl direkt hinter Köln“, erklärt Vogt kopfschüttelnd.

In den 1990ern und im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends kam das Flusskreuzen wieder in Fahrt. „Und es wird weiter zunehmen“, ist sich Vogt sicher. „Die Schiffe werden größer und pompöser, denn die Generation 50 plus will komfortabel reisen.“ Ein Kreuzfahrtschiff sei dazu ideal, so Vogt, denn „das Zimmer fährt mit und die tollsten Landschaften ziehen vorbei“. Eine Zukunft ohne die KD, denn Viking hat 2001 deren Kreuzfahrtsparte übernommen und trifft mittlerweile auf jede Menge Konkurrenz.

Heinz-Peter Vogt zieht – für sich persönlich – eine nicht alltägliche Bilanz zum Jubiläum: „Ich hatte nie einen Unfall mit meinen Schiffen“, freut sich der Wahlelsässer, „und bei mir an Bord ist nie einer gestorben – was nicht selten vorkommt.“