Wissenschaftler: Lobbyarbeit muss transparenter werden

Dr. Christoph Lütge  Foto:Andreas Heddergott/TU München
Dr. Christoph Lütge Foto: Andreas Heddergott/TU München

Berlin. Mithilfe des Corruption Perceptions Index (CPI) versucht die Organisation Transparency International etwas zu messen, das im Verborgenen und heimlich geschieht: Korruption. Der Wissenschaftler Christoph Lütge erklärt, wie dieses Länderranking zustande kommt und wo in Deutschland Handlungsbedarf bei der Korruptionsbekämpfung besteht. Lütge ist Professor für Wirtschaftsethik an der TU München.

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Herr Lütge, wer korrupte Geschäfte macht, handelt in der Illegalität – und deshalb im Geheimen. Kann man Korruption trotzdem zuverlässig messen?

Es gibt viele verschiedene Methoden, um Aussagen darüber zu treffen, wie stark Korruption in einem Land verankert ist. Bei dem CPI werden Fachleute, Experten und Unternehmen danach gefragt, wie stark sie Korruption wahrnehmen. Damit kann man zwar nicht zu 100 Prozent die Wirklichkeit abbilden, also nicht sicher sagen: Dieses Land hat eine Korruptionsstärke von 30 Prozent. Aber der CPI sagt etwas über die Entwicklung der Korruption in den einzelnen Ländern aus. Wenn sich ein Land in diesem Wahrnehmungs-Ranking deutlich verbessert, hat sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch real etwas getan. Auch die Einordnung, ob ein Land eher im Mittelfeld oder im oberen Drittel dieses Rankings liegt, ist aussagekräftig.

Warum fließen keine Ermittlungszahlen in diese Studien mit ein?

Das wäre ja unfair. Es gibt Länder, in denen die strafrechtliche Verfolgung von Korruption gut funktioniert und andere, in denen es nicht so gut funktioniert. Botsuana zum Beispiel tut sehr viel gegen Korruption. Dementsprechend ist auch die Zahl der ermittelten Fälle höher als anderswo. Botsuana ist eines der am wenigsten korrupten Länder Afrikas, aber in einem Ranking, das nur die Ermittlungszahlen berücksichtigt, würde es möglicherweise als eher korrupt gelten.

Wo fängt Bestechlichkeit an?

Das ist unterschiedlich. Zunächst findet Korruption immer im Geheimen statt. Wenn man teure Geschenke annimmt, sollte man das offenlegen. Einige Branchen und Unternehmen nutzen freiwillige Ethikausschüsse, die zu solchen Fragen Richtlinien und Regeln aufstellen. Grundsätzlich: Je transparenter die Unternehmen mit Geschenken umgehen, desto weniger anfällig sind sie für Korruption.

Liegt Lobbyarbeit auch im Dunstkreis der Korruption?

Ich denke schon, dass Lobbyarbeit in Deutschland transparenter sein muss. Die Unternehmen sollten häufiger Berichte ablegen und der Öffentlichkeit detaillierter erklären, was sie tun. In den USA wird Lobbyarbeit deutlich stärker offengelegt, gerade auch Parteispenden.

Die EU lobte im Frühjahr Deutschlands Umgang mit Korruption, kritisierte aber unter anderem den Drehtüreffekt ...

... wenn Politiker relativ schnell in die Wirtschaft wechseln. Ja, das halte ich auch für problematisch. Die Verflechtung von öffentlichen Ämtern und der Wirtschaft liegt in einer Grauzone, da die Politik dann bestimmte Branchen oder Unternehmen bevorzugen kann. Und deshalb sollten wir da genau hinsehen. Ich glaube, dass die jetzt vorgeschlagene Karenzzeit für Politiker das Problem zumindest deutlich entschärfen könnte.

Auffällig ist, dass vor allem ärmere Länder anfällig für Korruption sind. Woran liegt das?

Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Wohlstand eines Landes und dem Grad der Korruption in diesem Land. In einigen sehr armen Ländern sind die Menschen vor allem damit beschäftigt, sich um ihren Lebensunterhalt zu kümmern. Für die ist Korruptionsbekämpfung kein Thema. Sobald es den Menschen besser geht, sehen sie eher die Vorteile, die für alle entstehen, wenn es keine Korruption gibt.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Demokratie und Korruption?

In demokratischen Staaten gibt es im Durchschnitt tendenziell weniger Korruption, wenn auch nicht in jedem Fall. Allerdings ist Korruption nicht kulturabhängig, wie von vielen vermutet wird. Wenn man sich zum Beispiel Südamerika ansieht: Chile und Uruguay haben weit weniger Probleme mit Korruption als Argentinien, Bolivien und Peru. Kulturell sind sich diese Länder aber relativ ähnlich.

Einige Ökonomen behaupten, dass Korruption sinnvoll sein kann ...

Das Argument ist: Wenn ein Unternehmen Zollbeamte besticht, damit die Waren schneller geliefert werden, haben beide gewonnen. Der schlecht bezahlte Zollbeamte bekommt mehr Geld, und das Unternehmen kommt schneller an seine Waren. Das tut angeblich niemandem weh. Ich sehe das anders. Denn diese Argumentation übersieht die längerfristigen Folgen.

Die Fragen stellte Stefan Hantzschmann