Die Milch macht's – ja was eigentlich?

Die Milch macht's - ja was eigentlich? Foto: Jenny Sturm - Fo

Die Milch macht's. ja, was eigentlich? Die Zähne gesund, die Knochen stark und müde Männer munter. Angeblich. Tatsächlich ist über die Frage, wie viel Milch gesund ist (und ob überhaupt), ein heftiger Streit entbrannt. Es gibt sogar Zahlen, dass Brustkrebshäufigkeit mit der Menge des Milchkonsums zusammenhängt.

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Von unserer Redakteurin Nicole Mieding

Milch macht Knocher brüchiger? Zu dem Ergebnis kommt zumindest eine Studie der Harvard Universität. Die Wissenschaftler testeten 75 000 Frauen über einen Zeitraum von zwölf Jahren hinsichtlich des Effekts von Milch auf ihre Knochen. Ergebnis: Die Knochen der Testpersonen wurden nicht widerstandsfähiger, im Gegenteil. Die Erklärung sehen die Forscher in einer Übersäuerung des Körpers, die durch häufigen Milchkonsum ausgelöst wird. Um ihr entgegenzuwirken, entzieht der Körper den Knochen Kalzium. Folge: Die Osteoporoseanfälligkeit steigt.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt pro Tag einen halben Liter Vollmilch oder wahlweise ein Glas Milch, einen Joghurt und zwei Scheiben Käse. Hier ist ein Hinweis fällig: Milch ist kein Getränk, sondern ein Lebensmittel. Außer Ballaststoffen enthält sie alles, was ein Mensch zum Überleben braucht: Wasser (87 Prozent), Fett (natürlicherweise rund 4 Prozent), Milchzucker (Laktose), Eiweiß, Kalzium, Magnesium, Jod, Phosphor, Natrium, Kalium, die Vitamine A, B und B12 sowie die Energiebilanz von zwei Butterkeksen (67 Kalorien). Weil wir uns tendenziell zu fettreich ernähren, empfiehlt die DGE, zu fettarmer Milch zu greifen. Wer keine gesundheitlichen Probleme hat, sollte aufgrund der mehr als 1000 ungesättigten Fettsäuren und des Mehrs an Vitaminen allerdings die vollfette Variante wählen. Als Faustregel gilt: Je höher der Fettgehalt und je schonender die Wärmebehandlung, desto vitaminreicher ist die Milch.

Ob wir überhaupt Milch trinken sollten, bezweifeln nicht nur Veganer. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO korreliert die Häufigkeit, mit der Brustkrebs weltweit auftritt, mit der Höhe des Milchkonsums in den Ländern. Andere Studien legen nah, dass das Milcheiweiß Laktose das Risiko von Eierstockkrebs erhöht. Bei Männern hat die erhöhte Zufuhr von Kalzium offenbar eine höhere Anfälligkeit für Prostatakrebs zur Folge.

Beim Geschmack haben wir uns an den kleinsten gemeinsamen Nenner gewöhnt. Denn eigentlich schmeckt jede Kuh anders. Das Aroma der Milch wird geprägt vom Alter der Kuh, ihrem Gesundheitszustand, ihrem Futter und sogar dem Klima, das im Stall herrscht. Doch schon beim Bauern im Tank geht diese Geschmacksvielfalt verloren.

Der Tüte Milch aus dem Supermarkt ist nichts mehr davon anzumerken: In ihr steckt die Milch von rund 450 Kühen aus verschiedenen Haltungsformen. In den Tanks der Großmolkereien wird sie gemischt, homogenisiert, pasteurisiert und in ihre Einzelteile zerlegt, um die Milchbakterien zu töten und den gewünschten Fettgehalt einzustellen. Von welchen Höfen die Milch kommt, ist der Packung im Regal nicht anzusehen.

Gegen das geschmackliche Einerlei setzen Gourmets auf Rohmilch. Doch das Urprodukt direkt aus der Kuh gibt es fast nirgendwo. Bauern dürfen seit der Ehec-Krise nur noch Kleinstmengen abgeben – versehen mit dem Hinweis, sie vor dem Verzehr abzukochen. Geschieht das unter haushaltsüblichen Bedingungen, sind Geschmack und Vitamine futsch, und die Milch schmeckt wie H-Milch. „Rohmilch ist aufgrund ihres Nährwertgehalts spitze und beim Schutz vor Allergien und Asthma unschlagbar. Leider haben wird es nicht geschafft, die Vorteile in die Köpfe der Leute zu bringen“, bedauert Bernhard Höfer.

Der Milchbauer aus Hövels im Kreis Altenkirchen ist nach 50 Jahren aus der Vermarktung von Vorzugsmilch ausgestiegen. Kontrollaufwand zu hoch, Nachfrage zu gering. Er beklagt das Bauernopfer: „Nach der Ehec-Krise durfte keine Vorzugsmilch mehr an Schulen und Krankenhäuser geliefert werden. Dabei ist kein einziger Ehec-Fall bekannt, der mit Vorzugsmilch zusammenhängt“, sagt er.

Unbehandelte Milch ist zur Bückware geworden. Laut Bundesverband der Vorzugsmilcherzeuger und Direktvermarkter verkaufen deutschlandweit nur noch 20 Mitgliedsbetriebe die sogenannte Vorzugsmilch. Sie wird beim Melken nur durch ein Strumpfgewebe gefiltert und anschließend für 15 Sekunden auf 75 Grad erhitzt, um unerwünschte Keime zu töten. Für Höfer die beste Milch, die es gibt. Aber: „Das Produkt passt nicht zum Kaufverhalten der Leute. Die wollen Milch, die sich 14 Tage hält.“ Tatsächlich ist in Läden kaum Milch zu finden, die kurzlebiger ist – selbst bei Bioware nicht. Sogenannte ESL-Milch kommt den Bedürfnissen von Kunden und Händlern entgegen. Höfer verkauft nun die Hälfte seiner Milch an die Molkerei Campina, die daraus „Landliebe“-Milch herstellt. Mit dem Rest beliefert er den regionalen Handel und müht sich, den Direktvertrieb aufrechtzuerhalten. Doch die Nachfrage nach Milch, Käse und Joghurt vom Bauern geht zurück – obwohl der Landwirt sie bis an die Haustür liefert. Großabnehmer brechen weg, weil die ihr Sortiment lieber im Ganzen kaufen. Wie lange Höfer dem Trend noch standhält, weiß er nicht. „Wenn die Leute Milch vom Bauernhof wollen, müssen sie sie auch kaufen!“