Wer stoppt die Gotteskrieger von Boko Haram?

Foto: Andy Spyra

Inspiriert durch die Terrororganisation Islamischer Staat im Irak und in Syrien hat auch Boko Haram ein Kalifat ausgerufen. Bislang hatten die Terroristen Dörfer überrollt, Menschen ermordet und verschleppt und sich dann schnell wieder zurückgezogen.

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Doch jetzt halten sie die eroberten Orte besetzt. Tausende Menschen sind im Nordosten Nigerias auf der Flucht. Was genau sind die Hintergründe für die Geschehnisse in Nigeria? Das internationale Katholische Missionswerk missio Aachen hat die wichtigsten Antworten zusammengetragen:

Was will Boko Haram?

Nach eigenen Angaben verfolgt die Terrorgruppe das Ziel, einen islamischen Staat zu errichten. „Boko Haram“ bedeutet so viel wie „westliche Bildung ist verboten“. So wird die Gruppe in Nigeria genannt. Sie selbst bezeichnet sich als Jama’atu Ahlis Sunna Lidda’awati wal Jihat, „Anhänger der Verbreitung der Lehren des Propheten und des heiligen Krieges“. Seit Gründung der Organisation im Jahr 2002 tritt Boko Haram für eine strenge Form des Islams ein.

Ihr Anführer Mohammed Yussuf predigte zunächst friedlich gegen den westlichen Einfluss auf die nigerianische Gesellschaft im muslimisch dominierten Norden. Korruption und der Verfall von Moral und Sitten seien die direkten Konsequenzen der westlichen Einflussnahme, glaubte Yussuf. Nach der Ermordung ihres Anführers am 30. Juli 2009 radikalisierte sich Boko Haram und begann eine blutige Anschlagsserie. Seither sind schätzungsweise rund 15 000 Menschen durch ihre Terrorakte ums Leben gekommen.

Gegen wen richten sich die Angriffe der Terrorgruppe?

Anfangs richteten sich die Angriffe in der Mehrzahl gegen den staatlichen Machtapparat wie Polizei und Armee. Das Motiv war Rache für den Tod von Mohammed Yussuf, der 2009 von der Armee gefangen genommen wurde und in Polizeigewahrsam starb. Doch schnell begann die Gruppe, auch andere Ziele anzugreifen. Sie bombardierte 2011 das UN-Hauptquartier in Nigerias Hauptstadt Abuja, verübte Anschläge gegen Banken, Märkte, Kneipen, Bushaltestationen und die Zeitung „This Day“, die sich zuvor kritisch zu Boko Haram geäußert hatte.

Immer öfter richtet sich die Gewalt auch gegen Schulen und Ausbildungsstätten. Im März 2014 entführten die Islamisten mehr als 200 Mädchen aus einer Schule in Chibok. Zuvor hatten sie im Februar 2014 bei einem Angriff auf eine Schule in Damaturu 59 Schüler erschossen und verbrannt. Seit 2014 verübt Boko Haram fast täglich scheinbar wahllos Angriffe auf Dörfer im Nordosten Nigerias. Im Januar 2012 stellte Boko Haram den Christen ein Ultimatum: Sie sollen den Norden verlassen oder werden umgebracht.

Geht es um einen Glaubenskrieg?

Die Auseinandersetzungen im Norden Nigerias sind in erster Linie kein Konflikt zwischen Christen und Muslimen. Dies haben die katholischen Bischöfe des Nordens Nigerias, deren Gemeinden auch zu den Anschlagszielen gehören, immer wieder deutlich gemacht. Ihrer Auffassung nach hat der Staat bei der Armutsbekämpfung und der Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit versagt.

Gibt es politische Unterstützer?

Vieles deutet darauf hin, dass Boko Haram auch von Politikern aus dem Norden unterstützt wird. Sie wollen dem Präsidenten Nigerias schaden. Ende März finden in Nigeria Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Mit Goodluck Jonathan regiert seit 2010 ein Christ das Land, der eigentlich nicht an der Reihe war. Nach einer inoffiziellen Vereinbarung sollen sich ein Christ aus dem Süden und ein Muslim aus dem Norden jeweils abwechseln. Doch als der muslimische Präsident 2010 während seiner Amtszeit stirbt, rückt Vizepräsident Goodluck Jonathan nach und lässt sich – entgegen der Absprache – bei den Wahlen 2011 zum Präsidentschaftskandidaten aufstellen und gewinnt. Die Eliten im Norden sind verärgert.

Ist es überhaupt möglich, Wahlen durchzuführen?

Während die Menschen traumatisiert sind und Not leiden, gehen die politischen Aktivitäten in den umliegenden Gemeinden weiter, berichtet Ignatius Kaigama, Erzbischof von Jos. Die Nationalversammlung arbeitet an einem Gesetzentwurf, durch den es vertriebenen Wahlberechtigten ermöglicht werden soll, ungeachtet ihres Aufenthaltsortes wählen zu können. Wenn das gelingt, könnten auch die Vertriebenen ihr Wahlrecht ausüben. „Die Möglichkeit, Wahlen in solchen Krisenregionen durchzuführen, besteht, wenn gegen die Terroristen entschlossen eingeschritten wird, die Regionen zurückerobert und für eine Rückführung der Menschen gesichert werden“, sagt Kaigama.

Wie bekommt man Boko Haram in den Griff?

Die Afrikanische Union hat militärische Hilfe zugesagt. Der Friedens- und Sicherheitsrat der Staatengemeinschaft (AUPSC) hat die Entsendung einer multinationalen Truppe mit 7500 Soldaten genehmigt – für zunächst zwölf Monate. Angela Merkel hatte den Vorschlag einer afrikanischen Eingreiftruppe zuvor unterstützt.

Bettina Tiburzy/dpa