Koblenz

Urteil: Doppelmord war eiskalt geplant

Wird Henrike Schemmer (47) als kaltblütige Mörderin ihrer Koblenzer Schwiegereltern Waltraud (68) und Heinrich (75) Schemmer verurteilt? Die Frage trieb einige Koblenzer so emotional um, dass sie schon vor Sonnenaufgang auf Klappstühlen darauf warten, dass das Koblenzer Landgericht die Türen öffnet.

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Von unserer Redakteurin Ursula Samary

Nur wer eine Platzkarte ergattert, kann kurz nach 14 Uhr hören: Wegen Mordes aus Habgier in zwei Fällen wird die Frau aus dem Emsland zu lebenslanger Haft verurteilt. Nur ein leises Raunen geht durch den Saal – dann ist es so still, dass nur die Worte des Vorsitzenden Richters Ralf Bock und das Kratzen der Stifte von Journalisten zu hören sind. Das Gericht stellt auch die besondere Schwere der Schuld fest. Hat das Urteil Bestand, hätte Henrike Schemmer auch nach 15 Jahren Haft und guter Führung noch keine Chance, wieder auf freien Fuß zu kommen.

Die meisten Zuhörer im Schwurgerichtssaal verfolgen schon seit dem ersten Prozesstag kurz vor Weihnachten den Fall, tauschen sich in Internetforen aus und sind trotz der schwierigen Beweislage in diesem spektakulären Indizienprozess mehrheitlich vor dem Urteilsspruch überzeugt: „Sie war es.“ Dabei wirkt die Angeklagte morgens noch recht gelassen, als noch einmal die Glaubwürdigkeit ihrer Nachbarin und Belastungszeugin auf dem Prüfstand steht. Nüchtern klingt ihr letztes Wort: „Ich kann nur wiederholen: Ich habe die Tat nicht begangen.“

Später müssen ihr Staranwalt Johann Schwenn und Anwältin Julia von Dreden aber beistehen, als sie in Tränen ausbricht und ihr die Folgen des Urteils bewusst werden. Denn: Von ihrer schweren Schuld ist die Strafkammer fest überzeugt, die in nahezu allen Punkten der Staatsanwaltschaft folgt. Danach ist die Mutter dreier Töchter in der Nacht vom 7./8. Juli 2011 von Haren im Emsland 350 Kilometer nach Koblenz-Hochheim gefahren und hat ihre Schwiegereltern mit 20 Messerstichen getötet.

Dem im Bad überraschten Schwiegervater, der – so Bock – finanziell „immer geholfen hat, wo er nur konnte“, fügte sie „einen Kehlschnitt“ zu. In diesem Fall geht das Gericht deshalb auch von Heimtücke aus.

„Sie hatten es satt, jeden
Euro zweimal herumzudrehen.“
Vorsitzender Richter Ralf Bock sieht den
Doppelmord aus Habgier bewiesen.

Die Schwiegermutter tötete sie im Schlafzimmer. Danach fuhr sie wieder nach Haren. Die Opfer wurden entdeckt, als Henrike Schemmer mit Mann und Töchtern am Samstag nach der Tat zu einem Besuch nach Koblenz fuhr. Geld war das Motiv, so Vorsitzender Richter Bock. Henrike Schemmer wollte ans Erbe der Schwiegereltern, deren Vermögen auf etwa 1,7 Millionen Euro geschätzt wurde.

Der Richter geht auch fest davon aus, dass sie deshalb den Mordplan „schon länger“ hegte – und in die Tat umsetzte, als der Ehemann auf Dienstreise war. Das schließt Bock daraus, dass die Familie finanziell „am Tropf“ der Eltern hing und daraus, dass Henrike Schemmer schon zuvor für die Tatwoche über eine Freundin einen Wagen besorgen wollte, mit dem sie nicht in Verbindung gebracht worden wäre. Wie Bock schildert, hat die Kammer mühsam einzelne Steine zu einem Bild gefügt und durchaus angreifbare Zeugenaussagen mit anderen Beweisen hinterlegt – auch vom Tatort und aus abgehörten Gesprächen.

„Die Zeugin ist eine Wichtigtuerin.“
So beurteilt Staranwalt
Johann Schwenn eine Belastungszeugin.

Und da ist zum einen die Nachbarin aus Haren, deren Glaubwürdigkeit als „Wichtigtuerin“ Anwalt Schwenn wegen ihrer Tratscherei im Internet anzweifelt. Als verräterisch gelten aber auch die unterschiedlichen Versionen der Angeklagten bei einem Sieben-Stunden- Verhör zur Tatnacht, ihr Verhalten am Tatort und ihre später vor einem Gutachter wiederholte Aussage: „Ich war nicht zu Hause“, als der Doppelmord geschah. Dass sie sich ein Alibi bei der Nachbarin beschaffen wollte, passe dazu ebenso wie die Darstellung der Tochter: Danach war Henrike Schemmer erst gegen 6 Uhr morgens nach Hause gekommen.

Vor allem wertet Bock die Aussage eines Motorradfahrers als glaubwürdig, der mit Schemmers BMW in der Tatnacht in Tatortnähe beinahe zusammengestoßen war und sich das Nummernschild bis auf eine Ziffer merkte. Der, so Bock, wollte sich aber nicht wichtig machen, auch nicht an die hohe Belohnung kommen.

Auf die habe er direkt verzichtet. Der Richter schließt auch aus, dass ihn die bundesweite Fahndung im ZDF oder Flugblätter beeinflusst haben. Die Aussage des Mannes habe das Gericht von der Schuld der Angeklagten überzeugt. „Das ist Ihr Urteil, Frau Schemmer.“ In erster Instanz, fügt er hinzu. Die sich bestätigt sehende Staatsanwältin Andrea Maier rechnet damit, dass die Anwälte aber zur Revision beim Bundesgerichtshof raten werden.

Die Zuhörer diskutieren danach. Sie haben kein anderes Urteil als dieses erwartet. Viele haben sich über die Zeit sogar untereinander angefreundet, haben ihre Urlaube nach dem Kalender der Prozesstage ausgerichtet. Nun kehrt auf den Fluren des Koblenzer Landgerichts wieder mehr Ruhe ein.