Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban: Der Provokateur

Viktor Orban hat stets einen Gegner im Visier. Einst stand er auf der liberalen Seite. Heute inszeniert sich Ungarns Regierungschef als Beschützer des Abendlands – vor muslimischen Einwanderern und liberaler Multikultur. Mit seinen harschen Aussagen irritiert er zunehmend Politiker in Brüssel und Berlin. Am Freitag sprach sich der Rechtsnationale erneut gegen die Einwanderung von Muslimen aus.

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Eines Tages würden die Europäer entdecken, dass sie auf dem eigenen Kontinent in der Minderheit seien, sagte er im ungarischen Staatsrundfunk. „Wenn wir unsere Grenzen nicht schützen, werden zehn Millionen (Einwanderer) nach Europa kommen.“ Man müsse respektieren, dass andere EU-Länder früher beschlossen hätten, mit Muslimen zusammenleben zu wollen. Jedoch „haben wir auch das Recht zu entscheiden, ob wir diesem Beispiel folgen wollen“, meinte Orban. Er selbst rate davon ab.

Der Ministerpräsident wiederholte seine Kritik an der Flüchtlingspolitik Deutschlands und der EU. Vom 15. September an werde Ungarns Grenze zu Serbien schärfer kontrolliert, sagte er. Die Regierung starte in Kürze eine Informationskampagne, die sich an Flüchtlinge und Schlepper richte, kündigte Orban an. Ungarn ist für die Flüchtlinge auf ihrem Weg über den Balkan eine wichtige Transitstation, weil das Land seit 2007 zur grenzkontrollfreien Schengen-Zone gehört.

Wendepunkt in der Asylpolitik

Ein Wendepunkt in der ungarischen Asylpolitik kam im Juni dieses Jahres, als mehrere EU-Staaten ankündigten, rund 16 000 Flüchtlinge nach Ungarn zurückzuschicken, weil diese bereits dort registriert worden seien. Dies entspricht dem Dublin-III-Abkommen. Daraufhin beschloss Ungarn den Bau eines Zauns an der 175 Kilometer langen serbischen Grenze, der Flüchtlinge abhalten soll.

Provokation ist für Orban ein Genuss. Das lässt er seine westlichen Gesprächspartner in der Flüchtlingskrise immer wieder spüren. Stolz hatte er seine Streitlust zuletzt in einer Rede im rumänischen Baile Tusnad gerühmt: Es tue ihm leid, sagte er, dass er seine Zuhörer diesmal enttäuschen müsse – eine Provokation wie im vorigen Jahr habe er diesmal nicht zu bieten. Im Sommer 2014 hatte Orban mit seiner Rede vom „illiberalen Staat“ in der westlichen Welt für Empörung gesorgt. Das konnte er im Jahr darauf zu seinem eigenen Bedauern nicht mehr toppen.

Geboren am 31. Mai 1963 im nordwestungarischen Szekesfehervar, wuchs Orban in einfachen Verhältnissen auf und studierte zunächst Jura. Direkt aus dem Hörsaal wuchs er in die Politik hinein, zunächst als liberaler Rebell gegen die Kommunisten, im Kreise von gleichgesinnten Studenten. In die Schlagzeilen geriet er im Sommer 1989, als er in einer Rede auf dem Budapester Heldenplatz den Abzug der sowjetischen Truppen aus Ungarn forderte.

Mitte der 1990er-Jahre führte Orban seine 1993 gegründete, zunächst liberale Partei Fidesz (Bund Junger Demokraten) auf eine rechtskonservative Linie, die nach und nach immer nationalistischer wurde, stets in Konkurrenz zu noch weiter rechts stehenden kleineren Gruppen. Auch jetzt sind weder Linke noch Liberale seine Rivalen, sondern die rechtsextreme Oppositionspartei Jobbik, Ungarns zweitstärkste Kraft. Während Jobbik zurzeit nach einem gemäßigteren Image strebt und damit in die Mitte der Gesellschaft vordringt, versucht Orban, diese Partei rechts zu überholen. Eine sehr eigene Vorstellung von Christentum dient ihm dabei als ideologische Zutat. Sie richtet sich zunehmend gegen Muslime, die er in Gestalt von Einwanderern als Gefahr sieht.

„Es ist eine Tatsache, dass Europa ein massenhafter Zuzug droht, dass zig Millionen Menschen nach Europa kommen könnten“, sagte er. „Jetzt sprechen wir über Hunderte und Tausende, aber in den nächsten Jahren werden wir über Millionen sprechen.“ Die Ungarn seien nicht dazu bereit, mit Muslimen zusammenzuleben, anders als andere Völker Europas.

Asselborn: Man muss sich schämen

Schon oft hat Orban dies so oder ähnlich gesagt. Von seinen westeuropäischen Partnern hat er dafür mal deutliche, mal verhaltene Kritik erfahren. Am heftigsten äußerte sich zuletzt EU-Ministerratspräsident Jean Asselborn: „Man muss sich manchmal schämen für Viktor Orban. Das ist ein Mann, der vieles kaputtgeschlagen hat in Ungarn, aber auch vieles kaputtgeschlagen hat, was die Werte in der Europäischen Union angeht“, sagte der Politiker dem ZDF. „Der sagt ja, er will nur Christen haben, aber wenn Orban ein Christ ist, dann ist Kim Il Sung auch ein Christ.“

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Anton Hofreiter, legte nach: „Herr Orban ist eine Schande als Regierungschef für jedes Land, aber er ist eine Schande für Europa, denn er tritt die europäischen Werte mit Füßen.“