Umweltzerstörung geschieht oft schleichend

Die gigantische Ölverschmutzung im Golf von Mexiko schockiert die ganze Welt. Doch unbemerkt von der medialen Öffentlichkeit gibt es schleichende Umweltkatastrophen. Sie sind nicht weniger gefährlich – dazu zwei Beispiele.

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Manche Zahlen sind schier unvorstellbar: Zwischen August 2008 und Juli 2009 wurden rund 7000 Quadratkilometer Amazonas-Regenwald vernichtet. Das entspricht gut einem Drittel der Fläche von Rheinland-Pfalz. Kaum vorstellbar, dass diese gigantische Naturzerstörung sogar noch als Erfolg zu werten ist. Brasilien unter der Führung von Präsident Luiz Inácio Lula geht zunehmend härter gegen den illegalen Holzeinschlag vor. Das war nicht immer so, beklagen Umweltschützer wie Christian Plaep vom WWF (World Wide Fund For Nature). „Ein Jahr zuvor wurde noch doppelt so viel abgeholzt, 1995 waren es sogar 29 000 Quadratkilometer“, erklärt der Deutschland-Sprecher. Ein Gebiet, das größer ist als Rheinland-Pfalz und das Saarland zusammengenommen.

Leicht vorstellbar, wie viele Tiere dabei ihre Nahrungsgrundlage verlieren, wie viele Eingeborene ihre Heimat. Der Kahlschlag wird zudem zur Klima-Zeitbombe. Experten schätzen, dass 15 bis 20 Prozent der Treibhausgase in der Atmosphäre allein auf die massiven Holzeinschläge zurückzuführen sind.

Die Vernichtung der gigantischen Wälder im südamerikanischen Amazonas-Becken läuft mit erschreckender Effizienz: Maschinell arbeitende Abholzungsfirmen brauchen nur wenige Sekunden, um lebendigen Regenwald von der Größe eines Fußballfeldes in tote Wüste zu verwandeln. Und die Zerstörungen in Südamerika sind noch nicht einmal die verheerendsten. Während vom Amazonas-Regenwald bislang noch gut 80 Prozent erhalten geblieben sind, wurden in Madagaskar bereits 90 Prozent des Regenwaldes zerstört. Auf der einst vollkommen bewaldeten indonesischen Insel Sumatra fielen in 30 Jahren zwei Drittel der Bestände den Maschinen und Feuern der Holzfäller zum Opfer. Auf Borneo ist die Hälfte der Wälder tot.

Jetzt befürchten Umweltschutzorganisationen wie der WWF oder Greenpeace, dass bald die – neben dem Amazonas-Urwald – zweitgrößten erhaltenen Waldgebiete Opfer des Raubbaus werden: die Urwälder im afrikanischen Kongo. Derzeit schützen Chaos und Bürgerkrieg noch die Natur. Eine konsequente Ausbeutung ist nur in Friedenszeiten möglich.

Die Zerstörung der Regenwälder ist nur eine von vielen schleichenden Umweltkatastrophen, die im Gegensatz zu der Ölpest im Golf von Mexiko kaum Schlagzeilen machen. Ein anderes Beispiel ist die Verschmutzung von Nordsee und Mittelmeer. In die Nordsee fließen nach WWF-Angaben bis zu 100 000 Tonnen Öl im Jahr. Das ist fast dreimal so viel wie der havarierte Supertanker Exxon Valdez 1989 vor der Küste Alaskas verloren hat. Hauptverursacher für das Gift im Meer sind Reedereien, deren Schiffe ihre Tanks auf hoher See ausspülen, anstatt sie im Hafen für viel Geld reinigen zu lassen. Hinzu kommen die verschmutzten Abwässer der Ölplattformen – Ursache für 10 000 Tonnen Ölbelastung pro Jahr. „Unter dieser chronischen Umweltverschmutzung leiden die Fischbestände“, so der Meeresbiologe Stefan Luther. Sämtliche Nordsee-Anrainer-Konferenzen haben diese Gefahr bislang nicht bannen können.

Ähnlich gravierend ist die Verschmutzung des Mittelmeers, in dem täglich 300 Öltanker kreuzen. Umweltschützer schätzen, dass bis zu 150 000 Tonnen Öl jährlich in dem Gewässer landen – ohne jede Katastrophenmeldung. „Das Mittelmeer weist die höchste Teerkonzentration der Welt auf – 38 Milligramm pro Kubikmeter Wasser“, so der Meeresbiologe Roberto Giangreco. Es existieren zwar inzwischen strenge Normen. Sie werden aber immer noch zu lasch kontrolliert.

Dennoch gibt es auch Lichtblicke im Kampf gegen die Umweltzerstörung. Erneut das Beispiel Regenwald: Vor Kurzem haben sich die EU-Staaten auf einen Verordnungsentwurf für ein Holzhandelsgesetz geeinigt. Hinter dieser Formulierung verbirgt sich der Versuch, illegal eingeschlagene Tropenhölzer künftig konsequent vom europäischen Markt zu verbannen. Im Herbst soll das Gesetz endgültig verabschiedet werden. Für WWF-Forstexpertin Nina Griesshammer eine späte Genugtuung: „Diese längst überfällige Regelung sagt der illegalen Entwaldung den Kampf an.“

Von unserem Redakteur Dietmar Brück