Frankfurt

Tag der Deutschen Einheit: Brückenschlag in ein neues Deutschland

Viel mehr als nur Lichterbrücken: Das Erinnern an die Deutsche Einheit soll auch Zuversicht für die neuen Herausforderungen ausstrahlen. 
Viel mehr als nur Lichterbrücken: Das Erinnern an die Deutsche Einheit soll auch Zuversicht für die neuen Herausforderungen ausstrahlen.  Foto: dpa

Gleißend weiße Lichter schweben über dem Main. Mit ihrem Tanz durch den Abendhimmel ziehen sie Zehntausende Zuschauer in ihren Bann. Schließlich vereinigen sich die Strahlen und bilden 25 Brücken aus Licht über dem dunklen Fluss: eine für jedes Jahr der deutschen Einheit. Das Spektakel ist der emotionale Höhepunkt der dreitägigen Feier zum Tag der Deutschen Einheit, der am Silberjubiläum in Frankfurt begangen wird. Brücken aus Licht – ein Bild, das bleibt. Ein Bild mit großer Symbolkraft.

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Von Michael Bauer und Ira Schaible

Auch Erinnerungen könnten eine Brücke sein, sagt Bundespräsident Joachim Gauck in seiner Rede zum 25. Tag der Deutschen Einheit. Er rühmt den „Mut und das Selbstvertrauen“, mit dem die Deutschen ihre Einheit errungen und die damit verbundenen Aufgaben bewältigt hätten. „Nutzen wir diese Erinnerung als Brücke. Sie verbindet uns mit einem Erfahrungsschatz, der uns gerade jetzt bestärken kann.“ Gaucks Rede beim zentralen Festakt am Samstag in der Alten Oper ist eine Bilanz der Deutschen Einheit – und die fällt auch positiv aus: Ja, es ist noch nicht alles perfekt im wiedervereinten Deutschland, aber es ist doch recht gut gelungen. „Die große Mehrheit der Deutschen, gleichgültig, woher sie kommen, fühlt sich in diesem vereinten Land angekommen und zu Hause.“

Deutschland feiert Silberhochzeit. Gaucks Ansprache gerät aber nicht zu einer fröhlichen Tischrede. Er greift ein diffuses Gefühl auf, das viele seiner Landsleute teilen: „In diesem Jahr ist manches so anders.“ Können die Deutschen feiern in einer Zeit, in der „Hunderttausende Männer, Frauen und Kinder bei uns Zuflucht suchen?“, fragt Gauck und liefert die Antwort gleich mit: ja.

Wie 1990 – aber ganz anders

Gauck macht die Dimension des Flüchtlingsproblems deutlich: eine Herausforderung wie 1990, die Generationen beschäftigen wird. „Doch anders als damals soll nun zusammenwachsen, was bisher nicht zusammengehörte“, gibt er zu bedenken. Ost- und Westdeutsche hatten immerhin dieselbe Sprache, dieselbe nationale Kultur und Geschichte. Doch aus seiner Sicht kommt es nicht darauf an, „woher jemand stammt, sondern wohin er gehen will, mit welcher politischen Ordnung er sich identifiziert“. Gaucks Botschaft an diesem Einheitstag richtet sich auch an die Neuankömmlinge. Und sie ist eindeutig: Das Grundgesetz gilt für alle. Im letzten Teil seiner Rede, der den meisten Beifall der rund 1500 Ehrengäste erhält, zählt das Staatsoberhaupt Werte auf, die für jeden Bürger gelten: Menschenwürde, Gleichberechtigung von Frauen und Homosexuellen, Toleranz, Absage an Antisemitismus und Bekenntnis zum Existenzrecht Israels. „Dafür wollen wir auch unter den Neuankömmlingen werben: nicht selbstgefällig, aber selbstbewusst.“

Vor der Alten Oper verfolgen etwa 1000 Bürger die Rede des Bundespräsidenten auf einer Leinwand. Als Gauck Einheimische wie Zuwanderer zur Achtung demokratischer Grundwerte aufruft und sich für einen Kodex ausspricht, „der allgemein als gültig akzeptiert ist“, gibt es nicht nur im Saal Beifall. Auch auf dem Opernplatz brandet Applaus auf. Ein weiterer Brückenschlag.