Schweitzer will kleine Kliniken zu Gesundheitszentren umbauen

Schweitzer will kleine Kliniken zu Gesundheitszentren umbauen Foto: bilderstoeckchen

Klinikfusionen wie die in Koblenz und der Umbau kleiner ländlicher Krankenhäuser zu Gesundheitszentren: Das ist für Gesundheitsminister Alexander Schweitzer (SPD) die Strategie, um das Überleben der teils schwer angeschlagenen Kliniken zu sichern. Helfen soll ein millionenschwerer Konversionsfonds, erklärt er im Interview:

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Experten sehen bei den deutschen Krankenhäusern einen Investitionsstau von 15 Milliarden Euro. Wie hoch ist er in Rheinland-Pfalz?

Es gibt einen hohen Investitionsbedarf, den wir aber nicht genau beziffern können, dem wir uns aber immer wieder widmen. Ich würde nicht widersprechen, wenn jemand sagt, dass wir in Rheinland-Pfalz mehr in die Kliniken investieren müssten. Allerdings bin ich mir sicher, dass wir es mit 63 Millionen Euro an Investivmitteln plus 50 Millionen Euro an Pauschalförderung geschafft haben, die Krankenhauslandschaft mit Schwerpunkten zu versehen und im ländlichen Raum stabil zu halten. Für Maßnahmen im Krankenhaus-Investitionsprogramm für 2014 sind in den Folgejahren Bewilligungen in Höhe von 163 Millionen Euro zu erwarten.

Aber können Sie die Finanznöte der Kliniken nicht verstehen?

Der von den Krankenhäusern genannte Investitionsbedarf ist natürlich auch von Wunschvorstellungen getragen. Selbst wenn wir mehr Geld zur Verfügung hätten, würden wir jeden Einzelposten genau prüfen.

Gesundheitsökonomen und CDU-Opposition sagen: Sie werden Ihrer Verantwortung nicht gerecht.

Schweitzer will kleine Kliniken zu Gesundheitszentren umbauen
Foto: picture alliance

Wir werden unserer Verantwortung sehr wohl gerecht, weil wir mit den verfügbaren Mitteln das Beste tun. Wir schaffen Verbünde, setzen auf Spezialisierungen, wir wappnen die Krankenhauslandschaft für die Zukunft. Wir haben gerade im Bereich Mittelrhein in Koblenz einen neuen Verbund geschaffen. Bei dieser Entscheidung der Kliniken und Träger für diesen Verbund war sicher entscheidend, dass das Land rund 60 Millionen Euro Investitionsförderung für die nächsten Jahre zugesagt hat.

Wird es im Land künftig mehr derartiger Fusionen geben?

Das ist eines der Zukunftsmodelle. Wir brauchen betriebswirtschaftliche Einheiten, die Stärken der jeweiligen Klinik im Blick behalten. Wir brauchen weniger Konkurrenten, weniger Wettbewerb auf engstem Raum, aber mehr trägerübergreifende Zusammenarbeit und gute Angebote im ländlichen Raum.

Fakt ist aber, dass viele Kliniken im Land bei Investitionen längst auf die Fallpauschalen zurückgreifen müssen – Geld, das eigentlich für die Patienten vorgesehen ist. 44 Prozent der Kliniken im Land schreiben Verluste. Das kann Sie doch nicht zufriedenstellen.

Das ist ein bundesweites Phänomen. Im Bundesschnitt stecken sogar 51 Prozent der Krankenhäuser in den roten Zahlen. In Rheinland-Pfalz haben wir nicht nur im investiven Bereich gehandelt. Die Krankenhäuser in Rheinland-Pfalz erhalten den höchsten Basisfallwert. Den wollen wir in der Bund-Länder-Kommission mit allen Mitteln verteidigen. Aus Sicht der Krankenhäuser ist dies die Grundlage für eine halbwegs auskömmliche Ausstattung. Natürlich haben wir aber auch Schwierigkeiten.

Welche?

Klar ist, dass angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels und der Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur auch eine behutsame Veränderung in der Krankenhauslandschaft nicht ausbleiben wird. Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung, die sich in der Nähe anderer Anbieter befinden, werden sich räumlich konzentrieren müssen. Ich habe schon die Sorge, dass wir an manchen Orten die notwendige Konversion eines klassischen Krankenhauses zu einem modernen Gesundheitszentrum verpassen. Wichtig ist, dass wir den Mut zu Veränderungen haben, sonst werden wir später in noch größere Schwierigkeiten geraten.

Die Perspektive sind also Fusionen wie in Koblenz und eine Umwandlung ländlicher Krankenhäuser in Gesundheitszentren oder Medizinische Versorgungszentren?

Ja. Wir dürfen Steuergeld nicht mehr in alte Strukturen stecken, die in der Zukunft nicht mehr tauglich sind. Es ist klüger, Geld für diesen Konversionsprozess in die Hand zu nehmen. Wir sind auch bereit, unsere Krankenhausinvestitionen in diese Richtung zu lenken. Der Verbund am Mittelrhein ist dafür das beste Beispiel. Wir brauchen profitabel wirtschaftende Krankenhäuser, die den Versorgungsbedarf abdecken. Das eine oder andere Krankenhaus auf dem Land wird sich in ein Gesundheitszentrum verwandeln, abhängig vom Bedarf.

Wie kann das gelingen?

Wir erleben einen solchen Prozess gerade im kleinsten deutschen Allgemeinkrankenhaus in Neuerburg/Eifel. Dort entsteht die Blaupause für das Krankenhaus der Zukunft. Der Träger sieht das Haus als betriebswirtschaftlich nicht mehr haltbar an. Deshalb entwickeln wir mit mit dem Träger, den Krankenkassen, den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und der Kassenärztlichen Vereinigung ein Konzept für ein Gesundheitszentrum. Die Alternative wäre, dass das Krankenhaus schließt und dort gar nichts mehr passiert.

Aber bedeutet demografischer Wandel nicht auch Verlust? Brauchen wir so viele Krankenhäuser?

Wir brauchen Umbau, nicht Abbau. Viele Experten raten einfach dazu, große Bettenkapazitäten an einigen Orten zu schaffen. Wir brauchen aber nicht den Rasenmäher, sondern die kluge Entwicklung hin zu einem neuen Angebot. Das Gesundheitszentrum ist künftig kein herkömmliches Krankenhaus mehr, sondern eine Anlaufstation für chirurgische, pflegerische und hausärztliche Angebote im früheren Krankenhaus oder eingebettet in eine überregionale Zusammenarbeit der Kliniken.

Wird dies das Land mehr kosten?

Wir müssen unsere Mittel stärker nach Schwerpunkten verteilen. Im Übrigen bin ich froh, wenn ich den Etat für die Krankenhäuser angesichts der Schuldenbremse auch künftig halten kann.

Reicht das?

Nein. Deshalb brauchen wir einen von Bund und Ländern getragenen Konversionsfonds. In der Bund-Länder-Kommission zur Krankenhausreform habe ich für meine Initiative Bündnispartner gefunden. Mein Vorschlag ist, dass wir für einen Konversions- oder Strukturfonds mindestens 500 Millionen Euro ausgeben. Die Mittel sollen in den Umbau der stationären Krankenhausversorgung in Gesundheitszentren investiert werden. Dabei müssen auch die Länder Verantwortung übernehmen, indem sie solche Projekte in gleicher Höhe kofinanzieren.

Braucht das Land dann nicht auch mehr Kompetenz bei der Bedarfsplanung der Ärzte?

Ich will weder der Kassenärztlichen Vereinigung noch den Kassen die Verantwortlichkeit nehmen. Wir müssen vielmehr besser zusammenarbeiten. Unser Gesundheitssystem ist extrem durch Abgrenzungen entlang des ambulanten und stationären Sektors gekennzeichnet. Allerdings erlebe ich auch bei der KV in Rheinland-Pfalz einen stärkeren Kooperationswillen, um in einigen Landstrichen überhaupt eine ärztliche Versorgung sicherzustellen.

Es gab mal einen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, der eine große Offensive in der Pflege gefordert hat. Was ist daraus geworden?

Wir brauchen bei den Pflegekräften eine große Strukturreform. Ich erwarte, dass wir die Einnahmen aus der Beitragserhöhung in der Pflegeversicherung dafür einsetzen, um Arbeitgebern zu ermöglichen, mehr Personal einzustellen. Wir brauchen mehr Köpfe, mehr Beschäftigte in der Pflege. Viele Beschwerden über Stress und die Arbeitsbedingungen von Mitarbeitern in der Pflege haben etwas damit zu tun, dass man sich von einer Schicht zur nächsten schleppt, weil die Kollegen einfach fehlen. In Rheinland-Pfalz haben wir die Ausbildungskapazitäten nach oben gefahren. Aber unterm Strich muss sich der Arbeitgeber mehr Personal auch leisten können.

Das Gespräch führte Christian Kunst