Parteienspektrum: Welten zwischen links und rechts

Gerade ist es die AfD, von der man unbedingt wissen will, wo sie steht. Vor ihr waren es die Piraten. Wenn eine neue Partei es in Umfragen in zweistellige Bereiche schafft, will der Bürger erfahren, wo sie sich im Parteienspektrum einsortiert.

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Von unserer Berlinkorrespondentin Rena Lehmann

Die AfD gilt mal als rechtspopulistisch, mal als rechtskonservativ, mal einfach als rechts. Manche wollen in ihr liberale Züge erkennen, ihre Kritiker sprechen lieber von neoliberal. Auch die Piraten waren schon alles mögliche zwischen linksradikal und liberal. Der Wirrwarr der Wortschöpfungen lässt erahnen, dass die politischen Lager heute nicht mehr so einfach voneinander zu unterscheiden sind. Rechts oder links – was heißt das heute noch?

Wissenschaftler, die über Parteien forschen, definieren deren Ausrichtung meist über ihr jeweiliges Verhältnis zu Gleichheit und Freiheit. Der Politikwissenschaftler Bernd Ladwig von der Freien Universität Berlin kommt zu der Einschätzung, dass die Parteien sich heute gar nicht mehr maßgeblich darin unterscheiden, welche Themen sie für wichtig halten – sondern in der Art und Weise, wie sie sie angehen. Der Preis dafür, dass die Unterschiede verschwimmen, ist seiner Ansicht nach eine immer geringer werdende Wahlbeteiligung. „Wenn die Parteien nicht mehr klar zu unterscheiden sind, hat der Wähler auch nicht mehr den Eindruck, dass er bei einer Wahl etwas zu entscheiden hat“, meint der Professor.

Zu diesem Eindruck könnte aus seiner Sicht auch ein ‚fortschrittsfreundlicher Konsens‘ beitragen, der unter den politischen Eliten auf vielen Gebieten herrscht. Eine weitere Integration Deutschlands in die Europäische Union? Finden grundsätzlich alle gut. Atomkraftwerke will von CSU bis Linke heute auch niemand wieder anschalten. „So begrüßenswert dieser Konsens grundsätzlich ist, so gibt er doch vielen Bürgern das Gefühl, ihre Sorgen fänden in der politischen Arena in Berlin gar keine Beachtung mehr“, warnt der Politikwissenschaftler.

Wir haben ein Lexikon der noch immer aktuellen politischen Himmelsrichtungen erstellt – von links nach rechts:

Linke-Parteichefin Katja Kipping ist „links“. Als links bezeichnet sich, wem der Wert der Gleichheit am wichtigsten ist. Grundsätzlich erkennen natürlich alle Parteien, die im Deutschen Bundestag vertreten sind, das Grundgesetz an, wonach alle Menschen gleich sind. Heute macht deshalb eine „Materialisierung des Gleichheitsversprechens“ linke Politik aus, erklärt Ladwig. Vereinfacht gesagt, bedeutet es, dass auch Wohlstand den Vorstellungen linker Politik zufolge gleich zu verteilen wäre. Zugespitzt zeigte sich diese Forderung im vergangenen Bundestagswahlkampf, als die Linkspartei den Slogan „Reichtum für alle“ plakatierte.

dpa

SPD-Parteivorsitzender Sigmar Gabriel, auch er steht natürlich „links“. Weitere linke Positionen leiten sich ebenfalls aus dem Gebot der Gleichheit ab. „Die Idee der Gleichheit kann auch im Sinne gleicher Rechte und gleicher Lebenschancen verstanden werden“, führt Ladwig aus. Die Haltung zum Privateigentum wird unter Linken immer wieder diskutiert. „Die Idee einer Zentralverwaltungswirtschaft mit Staatseigentum an Produktionsmitteln ist mit dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus allerdings weitgehend aufgegeben worden“, führt der Politikwissenschaftler aus. In der Partei Die Linke sieht er ein Sammelbecken, in dem sich linkssektiererische Gruppen, pragmatisch orientierte frühere SED-Kader der DDR und „Traditionssozialdemokraten“ zusammenfinden, die der SPD den Rücken gekehrt haben.

dpa

Cem Özdemir, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen: Linksliberal: Der Begriff wird häufig und nicht besonders trennscharf verwendet. Innerhalb des Liberalismus ist der Linksliberalismus weniger wirtschaftsfreundlich, sondern pflegt in erster Linie ein freiheitliches Verständnis von Bürgerrechten. Die Diskriminierung von Minderheiten wird abgelehnt, man setzt sich etwa für die Gleichstellung der Geschlechter ein. Linksliberalismus akzeptiert einen starken Sozialstaat. Verbreitet ist er dem Politikexperten Ladwig zufolge derzeit in allen im Bundestag vertretenen Parteien – natürlich in völlig unterschiedlicher Ausprägung. Bei den Grünen sieht er starke linksliberale Positionen, die allerdings auch mit umweltpolitischen Positionen in Konflikt geraten können. Sprich: Wer Verbraucher zwar nicht gängeln, Unternehmen aber für mehr Umweltschutz regulieren will, steht vor einer Zerreißprobe. Die aktuelle Debatte der Grünen über ihren Freiheitsbegriff zeigt das allzu deutlich.

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Auch bei der FDP sieht der Forscher linksliberale Positionen, nun noch von der früheren Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vertreten. In der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen kann der Experte aber sogar bei den Linken linksliberale Züge ausmachen.

DPA

FDP-Vorsitzender Christian Lindner – Liberal: Ein bisschen liberal sein will heute jede im Bundestag vertretene Partei, während die FDP weiter ihren Anspruch auf das Original erhebt. „Liberal steht sehr allgemein dafür, dass die Freiheit besonders betont wird“, erklärt Ladwig. Der Liberalismus betrachtet den individuellen Menschen grundsätzlich als Bürger mit Rechten, dem man zutrauen sollte, die wichtigen Entscheidungen in seinem Leben selbst und eigenverantwortlich zu treffen – in der Wirtschaft wie im Privaten. In der Konsequenz bedeutet dies, dass es auch wirtschaftliche Ungleichheiten geben darf, soweit sie selbst zu verantworten sind.„Streit gibt es unter Liberalen deshalb immer wieder über die Frage, was an sozialen Voraussetzungen da sein muss, um jedem Bildungschancen zu ermöglichen“, erklärt Ladwig. Als rechtsliberal gilt, wer die reine Lehre vertritt, wonach dem freien Spiel der Märkte möglichst wenig Grenzen durch den Staat gesetzt werden dürfen. Diese Position findet sich in Teilen der FDP, aber auch in der Union, teils auch in der jungen Partei AfD. „Die Misere der FDP ist stark darauf zurückzuführen, dass sie nur noch diese rechtsliberale Position vertreten hat“, meint Ladwig.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesvorsitzende der CDU – Neoliberal: Der Begriff ist zu einem politischen Kampfbegriff geworden. „Er wird inflationär und historisch unsauber verwendet“, erklärt der Theorieforscher Ladwig. Allerdings wird auch der sogenannte deutsche Ordoliberalismus, auf den sich Ludwig Erhard berief, manchmal als neoliberal bezeichnet. Dieser sieht vor, dass der Staat einen Ordnungsrahmen setzt, während die Güterverteilung weitgehend dem Markt obliegt. „Die heute vorherrschende Wahrnehmung des Neoliberalismus ist aber, dass menschliche Beziehungen vor allem als Marktbeziehungen gesehen werden“, erläutert Ladwig. In Deutschland wird Neoliberalismus deshalb heute von seinen Gegnern mit sozialer Kälte gleichgesetzt. Ladwig bezeichnet ihn als „unpopuläre Position“. Ein Beispiel: Angela Merkel wollte die CDU 2003 stark liberal ausrichten. Zum Sinnbild für diese am Ende gescheiterten Bestrebungen wurde der Finanzexperte Paul Kirchhoff, der die Steuererklärung, die auf einen Bierdeckel passt, einführen sollte. Die CDU konnte damit bei der Wahl nicht punkten.

dpa

Der CSU-Politiker Peter Ramsauer, Vorsitzender des Bundestags-Wirtschaftsausschusses – konservativ: Der Begriff wird ähnlich unscharf verwendet wie der Begriff liberal. Im Spektrum zwischen rechts und links werden grundsätzlich rechte Parteien als konservativ beschrieben. In der Politiktheorie gilt konservativ als Haltung, „die die Privilegien bestimmter Gruppen zu bewahren sucht“, führt Ladwig aus. In einem breiteren Sinn wird es heute aber auch als bewahrende Grundhaltung verstanden, die sich gegen Ausprägungen des modernen Lebens richtet. In diesem Sinne sind auch Teile der Grünen als konservativ zu bezeichnen. Am häufigsten wird konservativ aber der Union zugeschrieben. Seit der Ära Merkel als Parteichefin steht die Frage im Raum, wie viel konservatives Profil die Union heute zeigt. Zugespitzt wird die Frage meist an gesellschaftspolitischen Themen. Ein Beispiel: Die Union wehrt sich etwa gegen die rechtliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe.

DPA

Bernd Luck, Mitbegründer der AfD – Rechts: Als rechts wird sich von den im Bundestag vertretenen Parteien keine gern bezeichnen. In Deutschland ist „rechts“ historisch wegen der nationalsozialistischen Vergangenheit negativ besetzt. Die Unionsparteien CDU und CSU suchen, sich als Partei der Mitte zu profilieren. Sie geraten derzeit durch die AfD unter Druck, die sich rechts von ihnen zu etablieren sucht. „Rechte halten eher mehr als weniger Ungleichheit in unserer Gesellschaft für geboten. Sie begründen dies etwa mit der menschlichen Natur, mit einem Naturrecht auf Eigentum oder auch mit der Behauptung, dass sich auf freien Märkten der Tüchtigste durchsetzt“, erklärt Ladwig. Rechte sind der Ansicht, Staat und Gesellschaft gingen zu freundlich mit Minderheiten wie Ausländern oder Homosexuellen um. Sie wollen etwa den Ausländerzuzug strenger begrenzen, die schon hier lebenden Ausländer zur Anpassung an die Gebräuche der Mehrheitsgesellschaft zwingen und Homosexualität im privaten Bereich, nicht aber im öffentlichen Raum dulden.

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Der NPD-Pressesprecher Frank Franz (links) und der NPD-Vorsitzende Udo Pastörs – Davon grenzt Ladwig die extreme Rechte ab: „Sie pflegt ein regelrecht sozialdarwinistisches Weltbild. Sie glaubt an ein Recht des Stärkeren und an einen ungleichen Wert verschiedener ‚Menschenrassen‘ oder unwandelbaren Kulturen.“

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Links: Als links bezeichnet sich, wem der Wert der Gleichheit am wichtigsten ist. Grundsätzlich erkennen natürlich alle Parteien, die im Deutschen Bundestag vertreten sind, das Grundgesetz an, wonach alle Menschen gleich sind. Heute macht deshalb eine „Materialisierung des Gleichheitsversprechens“ linke Politik aus, erklärt Ladwig. Vereinfacht gesagt, bedeutet es, dass auch Wohlstand den Vorstellungen linker Politik zufolge gleich zu verteilen wäre. Zugespitzt zeigte sich diese Forderung im vergangenen Bundestagswahlkampf, als die Linkspartei den Slogan „Reichtum für alle“ plakatierte.

Weitere linke Positionen leiten sich ebenfalls aus dem Gebot der Gleichheit ab. „Die Idee der Gleichheit kann auch im Sinne gleicher Rechte und gleicher Lebenschancen verstanden werden“, führt Ladwig aus. Die Haltung zum Privateigentum wird unter Linken immer wieder diskutiert. „Die Idee einer Zentralverwaltungswirtschaft mit Staatseigentum an Produktionsmitteln ist mit dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus allerdings weitgehend aufgegeben worden“, führt der Politikwissenschaftler aus. In der Partei Die Linke sieht er ein Sammelbecken, in dem sich linkssektiererische Gruppen, pragmatisch orientierte frühere SED-Kader der DDR und „Traditionssozialdemokraten“ zusammenfinden, die der SPD den Rücken gekehrt haben.

Linksliberal: Der Begriff wird häufig und nicht besonders trennscharf verwendet. Innerhalb des Liberalismus ist der Linksliberalismus weniger wirtschaftsfreundlich, sondern pflegt in erster Linie ein freiheitliches Verständnis von Bürgerrechten. Die Diskriminierung von Minderheiten wird abgelehnt, man setzt sich etwa für die Gleichstellung der Geschlechter ein. Linksliberalismus akzeptiert einen starken Sozialstaat. Verbreitet ist er dem Politikexperten Ladwig zufolge derzeit in allen im Bundestag vertretenen Parteien – natürlich in völlig unterschiedlicher Ausprägung. Bei den Grünen sieht er starke linksliberale Positionen, die allerdings auch mit umweltpolitischen Positionen in Konflikt geraten können. Sprich: Wer Verbraucher zwar nicht gängeln, Unternehmen aber für mehr Umweltschutz regulieren will, steht vor einer Zerreißprobe. Die aktuelle Debatte der Grünen über ihren Freiheitsbegriff zeigt das allzu deutlich.

Politikwissenschaftler Bernd Ladwig
Politikwissenschaftler Bernd Ladwig
Foto: privat
Bei der FDP sieht er linksliberale Positionen noch von der früheren Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vertreten. In der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen kann der Experte aber sogar bei den Linken linksliberale Züge ausmachen.

Liberal: Ein bisschen liberal sein will heute jede im Bundestag vertretene Partei, während die FDP weiter ihren Anspruch auf das Original erhebt. „Liberal steht sehr allgemein dafür, dass die Freiheit besonders betont wird“, erklärt Ladwig. Der Liberalismus betrachtet den individuellen Menschen grundsätzlich als Bürger mit Rechten, dem man zutrauen sollte, die wichtigen Entscheidungen in seinem Leben selbst und eigenverantwortlich zu treffen – in der Wirtschaft wie im Privaten. In der Konsequenz bedeutet dies, dass es auch wirtschaftliche Ungleichheiten geben darf, soweit sie selbst zu verantworten sind.

„Streit gibt es unter Liberalen deshalb immer wieder über die Frage, was an sozialen Voraussetzungen da sein muss, um jedem Bildungschancen zu ermöglichen“, erklärt Ladwig. Als rechtsliberal gilt, wer die reine Lehre vertritt, wonach dem freien Spiel der Märkte möglichst wenig Grenzen durch den Staat gesetzt werden dürfen. Diese Position findet sich in Teilen der FDP, aber auch in der Union, teils auch in der jungen Partei AfD. „Die Misere der FDP ist stark darauf zurückzuführen, dass sie nur noch diese rechtsliberale Position vertreten hat“, meint Ladwig.

Neoliberal: Der Begriff ist zu einem politischen Kampfbegriff geworden. „Er wird inflationär und historisch unsauber verwendet“, erklärt der Theorieforscher Ladwig. Allerdings wird auch der sogenannte deutsche Ordoliberalismus, auf den sich Ludwig Erhard berief, manchmal als neoliberal bezeichnet. Dieser sieht vor, dass der Staat einen Ordnungsrahmen setzt, während die Güterverteilung weitgehend dem Markt obliegt. „Die heute vorherrschende Wahrnehmung des Neoliberalismus ist aber, dass menschliche Beziehungen vor allem als Marktbeziehungen gesehen werden“, erläutert Ladwig. In Deutschland wird Neoliberalismus deshalb heute von seinen Gegnern mit sozialer Kälte gleichgesetzt. Ladwig bezeichnet ihn als „unpopuläre Position“. Ein Beispiel: Angela Merkel wollte die CDU 2003 stark liberal ausrichten. Zum Sinnbild für diese am Ende gescheiterten Bestrebungen wurde der Finanzexperte Paul Kirchhoff, der die Steuererklärung, die auf einen Bierdeckel passt, einführen sollte. Die CDU konnte damit bei der Wahl nicht punkten.

Konservativ: Der Begriff wird ähnlich unscharf verwendet wie der Begriff liberal. Im Spektrum zwischen rechts und links werden grundsätzlich rechte Parteien als konservativ beschrieben. In der Politiktheorie gilt konservativ als Haltung, „die die Privilegien bestimmter Gruppen zu bewahren sucht“, führt Ladwig aus. In einem breiteren Sinn wird es heute aber auch als bewahrende Grundhaltung verstanden, die sich gegen Ausprägungen des modernen Lebens richtet. In diesem Sinne sind auch Teile der Grünen als konservativ zu bezeichnen. Am häufigsten wird konservativ aber der Union zugeschrieben. Seit der Ära Merkel als Parteichefin steht die Frage im Raum, wie viel konservatives Profil die Union heute zeigt. Zugespitzt wird die Frage meist an gesellschaftspolitischen Themen. Ein Beispiel: Die Union wehrt sich etwa gegen die rechtliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe.

Rechts: Als rechts wird sich von den im Bundestag vertretenen Parteien keine gern bezeichnen. In Deutschland ist „rechts“ historisch wegen der nationalsozialistischen Vergangenheit negativ besetzt. Die Unionsparteien CDU und CSU suchen, sich als Partei der Mitte zu profilieren. Sie geraten derzeit durch die AfD unter Druck, die sich rechts von ihnen zu etablieren sucht. „Rechte halten eher mehr als weniger Ungleichheit in unserer Gesellschaft für geboten. Sie begründen dies etwa mit der menschlichen Natur, mit einem Naturrecht auf Eigentum oder auch mit der Behauptung, dass sich auf freien Märkten der Tüchtigste durchsetzt“, erklärt Ladwig.

Auch sind Rechte der Ansicht, Staat und Gesellschaft gingen zu freundlich mit Minderheiten wie Ausländern oder Homosexuellen um. Sie wollen etwa den Ausländerzuzug strenger begrenzen, die schon hier lebenden Ausländer zur Anpassung an die Gebräuche der Mehrheitsgesellschaft zwingen und Homosexualität im privaten Bereich, nicht aber im öffentlichen Raum dulden. Davon grenzt Ladwig die extreme Rechte ab: „Sie pflegt ein regelrecht sozialdarwinistisches Weltbild. Sie glaubt an ein Recht des Stärkeren und an einen ungleichen Wert verschiedener ‚Menschenrassen‘ oder unwandelbaren Kulturen.“

Man muss heute schon Parteiprogramme miteinander vergleichen, um die Unterschiede zwischen den Gruppierungen zu erkennen und sie im Spektrum zwischen links und rechts einzusortieren. Viele Politikexperten, die über Parteien forschen, lehnen die Kategorien von links und rechts inzwischen ab, weil sie das heutige Parteiensystem aus ihrer Sicht nicht mehr ausreichend abbilden. Im Volksmund sind die Kategorien aber nach wie vor gebräuchlich, ja sogar unverzichtbar.

Sie geben noch immer Orientierung darüber, welcher Wert einem Politiker im Zweifel am wichtigsten ist. Ist es die Gleichheit? Die Gerechtigkeit? Die Freiheit? Über die Gewichtung dieser Werte in Programm und Aussagen kann man die Parteien auch heute noch sehr deutlich voneinander unterscheiden. Früher waren die Unterschiede allerdings noch sehr viel einfacher zu erkennen: Die Kategorien Links und Rechts waren anfangs tatsächlich räumlich gemeint. Ihren Ursprung haben sie in der Zeit der Französischen Revolution. In der neuen Nationalversammlung saßen damals die neuen progressiven Kräfte der Partei des Fortschritts auf der linken Seite. Rechts saßen ihre Gegner, die etablierten Gruppen.

Wer links saß, war ein Linker, wer rechts saß, ein Rechter. Die linke Seite – „le côté gauche“ – kennzeichnete eine revolutionäre, republikanische Stoßrichtung – „le côté droit“ – stand für eine zurückhaltende, der Monarchie freundlich gesinnte Vorstellung von Politik. Die revolutionären Kräfte wollten in der Revolution 1789 den Grundsatz der Gleichheit aller Bürger durchsetzen. Inzwischen ist der Dreiklang der Forderungen der Französischen Revolution „Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit“ weitgehend in allen westlichen Demokratien – mit unterschiedlichen Gewichtungen der Begriffe – akzeptiert.