Rheinland-Pfalz

Parknot in Städten: Sind Straßenparkplätze zu billig?

Die Parkgebühren auf den Straßen sollen steigen, fordern Experten.
Die Parkgebühren auf den Straßen sollen steigen, fordern Experten. Foto: dpa

Gerade an den sogenannten Brückentagen wurde es wieder eng auf den Straßen der Zentren. Bewohner aus dem Umland drängten mit dem Auto in die Innenstädte zum Einkaufen, um Behördengänge und Arztbesuche zu erledigen.

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Von unserem Mitarbeiter Gert Adolphi

Dazu gesellten sich der Lieferverkehr und die Anwohner, die von einer auswärtigen Arbeitsstelle, einem Verwandtenbesuch oder einer Besorgung zurückkamen. Und alle suchten nach Parkplätzen, ob regulär oder verkehrswidrig – vor allem billig sollten sie sein. Insgesamt aber schien der vorhandene Stellraum bei Weitem nicht auszureichen. Dem subjektiven Empfinden der gestressten Autofahrer widersprach Jürgen Gerlach. „Wir haben in unseren Köpfen, Parkraum sei knapp“, sagte der Professor für Bauingenieurwesen an der Universität Wuppertal bei der Fachtagung des ADAC in Bingen zum Thema „Parken in Städten und Gemeinden“. „Die Auslastung ist aber gar nicht so groß, wenn man fünf Minuten Fußweg in Kauf nimmt. Selbst in der Vorweihnachtszeit und zu den Topzeiten gibt es noch Reserven. Wir haben genügend Parkraum. Wir müssen ihn nur besser nutzen.“

Parkmöglichkeiten einschränken, fordert der Professor

Gerlach geht noch weiter. Er spricht sich für eine Verringerung der Parkmöglichkeiten entlang der Bürgersteige aus. „Die Straßenräume sind zugeparkt“, sagte der Professor. „Wir haben in allen Städten eine Ressourcenverschwendung. Wir müssen die Straßenräume attraktiv füllen.“ Gerlach hat neben der optischen Aufwertung der Zentren auch den Sicherheitsaspekt im Sinn. Straßen, die bis zur nächsten Kreuzung beidseitig zugeparkt sind, engen den Blickwinkel ein. Viele innerstädtische Unfälle ließen sich bei freierer Sicht vermeiden. Insbesondere Kinder, die zu Fuß unterwegs sind, sind gefährdet, da ihnen wegen ihrer geringeren Größe die parkenden Autos die Sicht versperren. Gleichzeitig sind sie von den Autofahrern zwischen den geparkten Pkw schwerer zu erkennen.

Parkhäuser kaum genutzt

Freie Plätze sind fast immer in Parkhäusern zu finden. Bei einer starken Auslastung hilft ein intelligentes Parkleitsystem bei der Suche nach einer Alternative. Parkhäuser aber werden nicht von allen angenommen. Ronald Winkler vom Ressort Verkehr des ADAC präsentierte eine Untersuchung, wonach der typische Parkhausnutzer zwischen 40 und 60 Jahre alt ist. „Deutlich unterrepräsentiert sind Junge, Alte und Frauen“, sagte Winkler. Frauen und ältere Autofahrer scheuen Parkhäuser überwiegend wegen deren Enge und der zum Teil nicht genügenden Ausleuchtung. Jüngere Fahrer schrecken die Kosten ab. Mehr als 50 Prozent der Parkhausverweigerer geben finanzielle Gründe an.

An diesem Punkt setzte in Bingen auch Gerlach an. „Die Parkgebühren in den Städten haben sich nicht im gleichen Maße entwickelt wie die Kosten in allen anderen Bereichen“, sagte der Professor. „Zwischen 1995 und 2004 gab es keine drastische Steigerung der Gebühren.“ Von 29 untersuchten Städten hatten in diesem Zeitraum nur vier die Kosten angehoben. 13-mal blieben die Gebühren in etwa gleich, zwölfmal wurden sie sogar gesenkt. In Koblenz beispielsweise, so zeigt die Untersuchung, kostete eine Stunde 1995 eine Mark, 2004 50 Cent. In diesem Fall wurden die Kosten beim Währungswechsel abgerundet.

Parkgebühren auf den Straßen sollen deutlich steigen, fordert der Professor

Um den Autofahrern die Anfahrt eines Parkhauses schmackhafter zu machen, sie quasi hineinzuzwingen, spricht sich Gerlach für eine deutliche Erhöhung der Parkgebühren im öffentlichen Raum aus. „Straßenparkplätze sollten doppelt oder dreifach so teuer sein wie der Parkraum in Parkhäusern“, forderte der Professor und führte Beispiele aus anderen Ländern an. „Mein Highlight ist Florenz. Dort kosten vier Stunden 80 Euro.“ Solch astronomisch hohe Parkgebühren, aber auch schon eine Verdoppelung der derzeitigen Preise würden in der Bevölkerung wohl einen Aufschrei auslösen. „Der Ansatz ist vielleicht nicht schlecht“, sagte Markus Gerhards, kommissarischer Leiter des Tiefbauamtes der Stadt Koblenz. „Die Frage ist, ob die Politik da mitmacht.“

„Ich wollte überziehen“, sagt der Professor

Gerlach räumte ein, dass er seine Thesen bewusst provokant formuliert hatte. „Ich wollte ein bisschen überziehen“, sagte der Verkehrsexperte. „Ich wollte etwas schwarzmalen, denn nur dann fängt etwas an. Wenn wir immer auf alle Einwände gehört hätten, gäbe es heute keine Fußgängerzonen.“ Die subjektiv empfundene Not der Autofahrer auf der Suche nach einem Parkplatz schreibt Gerlach den überzogenen Wünschen der Menschen zu. „Diese tägliche Lebenserfahrung fußt doch darauf, dass wir Parkraum vor der Haustür suchen“, sagte der Professor. „Im dörflichen Bereich ist es schwierig, einen Parkplatz zu finden. Aber in den Oberzentren ist noch große Kapazität vorhanden. Es wird nur Parkraumnot genannt.“

Fehlende Parkraumplanung

Gerlach vermisst einen wissenschaftlichen Umgang mit dem Thema. „Eine Parkraumplanung findet kaum statt“, sagte der Verkehrsexperte. „Es gibt jede Menge Forschungen zum fließenden Verkehr. Zum ruhenden Verkehr finden kaum Untersuchungen statt. Wir brauchen eine Diskussion darüber, was wir mit dem öffentlichen Raum machen wollen. Diese Diskussion findet nicht statt. Der Mangel wird verwaltet. Es wird nicht gesteuert, es wird nur reagiert.“

Gerlach spricht sich für eine flexible Nutzung potenzieller Parkflächen aus. Parkplätze von Firmen und Behörden sollten außerhalb der Geschäftszeiten frei zur Verfügung gestellt werden. Insgesamt sollte der motorisierte innerstädtische Verkehr gedrosselt werden. „Zurzeit können wir uns diese Autoaffinität leisten“, sagte Gerlach. „Aber sie lässt nach. In Zukunft wird es mehr Carsharing geben. Dann haben wir nicht mehr 600 Pkw auf 1000 Anwohner, sondern vielleicht nur noch 100. Das wäre auch kostengünstiger.“