PRO Gertrud Stöcker: Qualifizierte Pfleger nützen dem Patienten

Wer ab 2015 Krankenschwester oder Hebamme werden will, muss nach Plänen der EU zwölf Jahre lang zur Schule gegangen sein. Gertrud Stöcker, Vizepräsidentin des Berufsverbandes der Pflegeberufe, begrüßt den Vorstoß.

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Von Gertrud Stöcker

Professionelle Pflege ist eine anspruchsvolle Tätigkeit und setzt eine anspruchsvolle Ausbildung voraus. Die Debatte um die Reform der Pflegeausbildung in Deutschland erfährt deutliche Impulse vonseiten der EU-Kommission. Vorgelegt wurde ein Vorschlag zur Modernisierung der Richtlinie zur automatischen Anerkennung des Berufsabschlusses Gesundheits- und Krankenpflege. Aus deutscher Sicht wichtigster Punkt ist die geplante Anhebung der Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung auf zwölf Jahre Allgemeinbildung.

Der Hintergrund für einen solchen Schritt liegt im europäischen Verständnis, Gesundheit und öffentliche Sicherheit zu garantieren. Für Berufe in diesem Feld muss die Qualifizierung hohen Anforderungen entsprechen. Begründet wird dies auch mit einer deutlichen Weiterentenwicklung des Berufs in den vergangenen 30 Jahren, verbunden mit der zunehmenden Übernahme von mehr Verantwortung.

Mit der Anhebung der Zugangsvoraussetzung vollzieht die EU-Kommission nach, was heute schon in der Mehrheit der EU-Staaten und weltweit Normalität ist. Allein Deutschland, Luxemburg und Österreich haben sich dieser Entwicklung bisher nicht gestellt. Deutschland wird die in nationales Recht verpflichtend umzusetzende modernisierte Richtlinie nicht verhindern können. Es bedarf der qualifizierten Zustimmung der EU-Staaten, und die ist bereits jetzt mehr als absehbar.

Damit wird Deutschland gezwungen, eine mehr als 100 Jahre alte systemische Benachteiligung des Frauenberufs Pflege zu beenden. Bundesregierung und Bundesländer jedoch halten unverändert an den tradierten Zugangsvoraussetzungen fest. Ihre Stellungnahmen machen deutlich, dass eine Weiterentwicklung von Pflege politisch nicht gewollt und aktiv ausgebremst wird. Ignoriert werden sinnvolle und wirksame Lösungen in den Nachbarländern, die zur Weiterentwicklung der Ausbildungsprogramme führten. Reduziert geführt wird die Debatte mit Schlagworten wie „Kein Abitur für Pflegende“ oder die „Stärke der Pflegenden liegt in der sozialen Kompetenz und nicht in der Bildung“.

Wer in diesem Zusammenhang auf einen drohenden Fachkräftemangel verweist, vergisst oft die Entscheidungen von Gesundheitspolitik und Krankenhausträgern, durch den Abbau von circa 60 000 Pflegeplanstellen und etwa 10 000 Ausbildungsplätzen in der Gesundheits- und Krankenpflege unter anderem den Investitionsstau auszugleichen oder bei der Krankenhausfinanzierung einzusparen. Einen Mangel an Pflegefachpersonen gibt es bereits. Das Signal für einen erneuten Personalabbau 2012 geht aufgrund der geänderten Berechnungsgrundlage für die Krankenhausfinanzierung gerade in diesen Tagen durch die Medien.

Somit bleibt die Frage offen, welcher Einfluss entscheidender sein wird für den proklamierten Mangel an Pflegefachpersonen. Abbau ist kein Beitrag zur Attraktivitätssteigerung des Pflegeberufs. In allen Ländern, die ihre Anforderungen an die Ausbildung angehoben haben, hat dies zu einer Steigerung der Attraktivität des Berufs geführt. Dies widerlegt das Argument, durch steigende Anforderungen an die Ausbildung werde der Nachwuchs ausbleiben.

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe hat sich demgegenüber für die Anhebung der Zugangsvoraussetzung ausgesprochen und dies auch im Schulterschluss mit dem Deutschen Pflegerat. Es muss in Deutschland neu gedacht und gehandelt werden:

M Zwölf Jahre Schulbildung bedeuten nicht ausschließlich Abitur oder Fachhochschulreife, zwölf Jahre Schulbildung können auch bedeuten, dass Prüfungen mit gleichwertigem Niveau den Zugang in die Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung ermöglichen. Das wiederum verlangt konsequenterweise, den Sonderstatus der Ausbildungsgänge an Schulen des Gesundheitswesens aufzuheben.

M Die Disziplin Pflege verfügt zunehmend über eigene wissenschaftliche Methoden und Konzepte. Auf dieser Basis kann sie die Ausführung der Sozialgesetze interpretieren und die berufliche Realität beeinflussen. Das Alltagshandeln in der Pflegepraxis beruht auf mehr als „nur“ handwerklichem Erfahrungswissen.

M Patienten und Pflegebedürftige verlangen zu Recht, dass vorhandene wissenschaftliche Belege in die tägliche Pflegepraxis integriert werden. Und diese pflegerische Versorgung ist nur zu leisten mit einer dem Stand der Pflegewissenschaft entsprechenden Ausbildung.

Internationale Studien haben den Nachweis erbracht, dass es einen Zusammenhang zwischen Qualifikation und Patientenergebnissen gibt. Je besser qualifiziert die Pflegefachpersonen sind, umso weniger Komplikationen bis hin zum Tod treten bei Patienten auf. Das unterstützt unsere Forderung nach einer Ausbildung an Hochschulen. Es gibt heute um die 30 Studienangebote, in denen mit dem Berufsabschluss der akademische Grad Bachelor erworben werden kann.

Mit der höheren Qualifikation der Bewerber steigen auch der Wille und die intellektuelle Fähigkeit, im Gesundheitswesen eine andere Form der Mitwirkung im Versorgungsprozess zu erreichen, das heißt Pflege an wissenschaftlichen Standards auszurichten, die interberufliche Kooperation von Pflege und Medizin auf ein verständigungsorientiertes Fundament zu stellen.