Berlin

Mahnwache: Im Gedenken an Paris ist sich die Politik einig

Moment der Einigkeit im Kampf gegen den Terror: Vertreter von Politik und Kirchen versammelten sich am Brandenburger Tor im Gedenken an die Opfer der Terroranschläge von Paris.
Moment der Einigkeit im Kampf gegen den Terror: Vertreter von Politik und Kirchen versammelten sich am Brandenburger Tor im Gedenken an die Opfer der Terroranschläge von Paris. Foto: dpa

Das Brandenburger Tor leuchtet in den Farben der französischen Nation. Blau, weiß und rot wie die Trikolore ist es angestrahlt. Der Zentralrat der Muslime, der eigentlich nur ein Viertel aller Muslime in Deutschland vertritt, hat zu der Gedenkveranstaltung aufgerufen.

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Von Eva Quadbeck, Georg Ismar und Anne-Beatrice Clasmann

Die beiden christlichen Kirchen und die Juden sagten zu. Auch die Muslime untereinander begruben ihre Rivalitäten. Gleiches gilt für das Gerangel in der Großen Koalition um das Gedenken.

In Sichtweite ist die französische Botschaft, an der Glasfront im Eingangsbereich hängt ein schwarzes Plakat, in weißer Schrift sind dort die 17 Toten aufgelistet: Mitarbeiter der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“, Polizisten und vier jüdische Bürger, die in einem Supermarkt erschossen worden sind. Viele Teilnehmer der Mahnwache haben sich kleine „Je suis Charlie“-Aufkleber auf die Jacken geklebt. Im Blumenmeer vor der Botschaft liegt ein Schild mit der Aufschrift „Berlin ist Charlie“, auf anderen steht „Liberté“, „Warum?“ und „Meinungsfreiheit ist nicht verhandelbar“.

Alle miteinander demonstrieren Einigkeit gegen den Terror. Das ist auch die Botschaft von Bundespräsident Joachim Gauck, der bei der Mahnwache auf dem Pariser Platz spricht. „Die Terroristen wollten uns spalten. Erreicht haben sie das Gegenteil“, sagt er. Er verurteilt die „Bluttaten von Paris“ als „Anschlag auf das freie Wort, auf die pluralistische Gesellschaft, auf das Recht auf Leben“. Den Terroristen hält er jenen Satz entgegen, den er zu Beginn seiner Amtszeit auch den Rechtsextremen vorgehalten hat: „Wir schenken euch nicht unsere Angst. Euer Hass ist unser Ansporn.“ Gauck dankt den Muslimen für ihr Engagement gegen den Terror. Wenn Muslime sagen „Terror, nicht in unserem Namen!“, dann sei dies ein patriotisches Ja zu dem Land, „in dem wir gemeinsam leben“.

Vor Gauck sprechen die Vertreter aller drei großen Kirchen. „Wir werden es nicht zulassen, dass unser Glaube missbraucht wird. Wir werden es nicht zulassen, dass unsere Gesellschaft von Extremisten, die nur das Ziel haben, Hass und Zwietracht zu stiften, auseinandergerissen wird“, sagt Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime. Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Abraham Lehrer, spricht über den wachsenden Antisemitismus in Europa und über die zunehmende Radikalisierung des Islams auf der Welt. Er ruft die Muslime dazu auf, „gegen diesen Terror“ vorzugehen. Antisemitismus unter jungen Muslimen darf nicht hingenommen werden, betont er. „Nehmen Sie unsere Gefühle als Seismografen. Denn wenn Juden bedroht sind, sind wir alle bedroht.“ Die Vertreter der christlichen Kirchen solidarisieren sich mit den Opfern in Frankreich. „Was in Paris passiert ist, rüttelt uns auf“, sagt der evangelische Bischof Markus Dröge. Die Kirchenvertreter sprechen den fundamentalistischen Gewalttätern ernste Religiosität ab. „Echter Glaube an Gott führt zum Frieden und zur Überwindung von Spaltung“, sagt Dröge.

Rund 4000 Menschen haben sich auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor versammelt. Das Kabinett ist mit Kanzlerin Angela Merkel und ihren Ministern nahezu vollzählig vertreten. Die Fraktionen im Bundestag hatten ihre Sitzungen pünktlich beendet. Die SPD-Fraktion zieht gegen 17 Uhr kameratauglich geschlossen vom Osteingang des Reichstags zum Pariser Platz. Die Abgeordneten tragen Windlichter mit dem Aufdruck „Je suis Charlie“. Das Gedenken ist auch Vermarktung.

Kanzlerin Angela Merkel hatte bereits am Montag ein Zeichen gesetzt und erklärt: „Der Islam gehört zu Deutschland. Das ist so. Dieser Meinung bin ich auch.“ Damit schloss sie sich den Worten des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff an, der dies 2010 gesagt hatte. Allerdings wird die von Merkel unterstützte Aussage selbst in ihrer eigenen Partei nicht von allen geteilt. „Welcher Islam ist gemeint? Gilt das auch für seine islamistischen und salafistischen Strömungen?“, fragt der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach.

Mit der Kundgebung reißt das öffentliche Gedenken nach den Anschlägen von Paris in Deutschland nicht ab. Morgen wird Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zu Beginn der Bundestagssitzung eine Rede halten, anschließend folgen eine Regierungserklärung der Bundeskanzlerin und eine Debatte – dabei wird es auch um das Thema Sicherheit gehen.