Berlin

Koalitionsbildung: Scholz muss es nicht mit den Grünen tun

Stimmt die Chemie? Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz will zwar eine Koalition mit den Grünen bilden. Deren Spitzenkandidatin Katharina Fegebank ist aber nicht mit allen seinen Vorhaben glücklich.
Stimmt die Chemie? Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz will zwar eine Koalition mit den Grünen bilden. Deren Spitzenkandidatin Katharina Fegebank ist aber nicht mit allen seinen Vorhaben glücklich. Foto: dpa

Der große Wahlsieger von Hamburg heißt ohne Frage Olaf Scholz. Ob er allerdings weiter erfolgreich bleibt, wird davon abhängen, ob er sich an sein Rezept hält. Was versprochen wurde, wird umgesetzt, hat er den Wählern zugesagt. Eine Koalition mit den Grünen wäre für die SPD im hohen Norden deshalb auch ein Risiko.

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Von unserer Berlinkorrespondentin Rena Lehmann

Grüne und SPD sind sich andernorts durchaus näher als in der Hansestadt. Von einer Liebesheirat, von der beide gleichermaßen profitieren würden, kann in Hamburg keine Rede sein. Die inhaltlichen Knackpunkte sind zahlreich. Und bei ihrem stolzen Ergebnis von 45,7 Prozent würde es für die SPD auch ein kleinerer und möglicherweise anspruchsloserer Partner tun als die selbstbewussten Grünen mit ihren 12,2 Prozent. Durchregieren wäre für Olaf Scholz mit der FDP wohl einfacher.

Für die kommenden Jahre hat sich der 56-jährige Erste Bürgermeister vor allem große Verkehrsprojekte vorgenommen, denen die Grünen eher skeptisch gegenüberstehen. Und während Scholz begeistert für die Olympia-Bewerbung seiner Stadt für 2024 wirbt, sind die Grünen skeptisch. Die Mehrheit der Hamburger (laut Umfragen 68 Prozent) will die Spiele gern in der Stadt zu Gast haben. Völlig dagegen dürften sich die Grünen deshalb auch nicht aussprechen.

Glühende Befürworter wird Scholz mit ihnen aber nicht an seiner Seite haben. Die Bewerbung wollen die Grünen nur unter der Bedingung unterstützen, dass die Bürger in einem Referendum gefragt werden, ob sie Olympia in Hamburg wirklich wollen. Kosten und Risiken müssten vorher ermittelt werden. Daran muss ein rot-grüner Koalitionsvertrag noch nicht scheitern.

Doch es ist die Summe an kritischen Themen, die einer rot-grünen Regierung in Hamburg die Stimmung verhageln könnte. Bislang zehrt Scholz davon, dass die Hamburger Wirtschaft ihn liebt, Arbeitgeber ihn für seinen Pragmatismus schätzen. Scholz verkörpert in Hamburg eben genau das, was SPD-Chef Sigmar Gabriel im Bund repräsentieren möchte. Scholz ist ein Sozialdemokrat, dem die Mitte bis hinein in bürgerliche Schichten vertraut, weil er Wirtschaftskompetenz ausstrahlt. In einem künftigen Regierungsorchester mit den Grünen könnte dieses Ansehen leiden, und es könnten Misstöne entstehen.

Ein anderes Beispiel ist das Dauerthema Elbvertiefung, die derzeit wegen eines noch ausstehenden Gerichtsurteils auf Eis liegt und die Scholz unbedingt vorantreiben will. Um das wirtschaftliche Herzstück der Stadt für große Containerschiffe attraktiv zu halten, soll die Elbe um einige Meter vertieft werden. Umweltschützer stellen sich mit Verweis auf schwerwiegende Folgen für die Natur seit Jahren quer. Wenn das Urteil vorliegt, droht neuer Zwist zwischen der SPD, die die Vertiefung will, und den Grünen, die sich ihre Position bis dahin offenhalten wollen.

Auch beim Verkehr in der Stadt haben SPD und Grüne unterschiedliche Pläne. Scholz will 260 Millionen Euro investieren, damit Busse künftig auf besonderen Spuren schneller durch die Stadt kommen, die Grünen wollen stattdessen in Fahrradwege und eine neue Straßenbahn investieren. Allein in der Bildungspolitik und beim Kita-Ausbau dürften die möglichen Koalitionäre sehr ähnlich ticken.

Scholz ließ gegenüber den Grünen vorsichtshalber gleich mal die Muskeln spielen. Mit dem Ergebnis für seine Partei, ließ er wissen, sei eben auch „eine inhaltliche Botschaft verbunden, wie die Stadt sich weiterentwickeln soll“. Sprich: Auf allzu weitreichende Kompromisse will er sich nicht einlassen.

Die Grünen wiederum wollen „hart verhandeln“ und dann zuverlässige Partner sein. „Wir werden uns nicht billig verkaufen“, sagt die Bundesvorsitzende Simone Peter. Sie erklärt eine menschliche Flüchtlingspolitik zum entscheidenden Knackpunkt für erfolgreiche Verhandlungen, macht damit aber eher deutlich, wie unbedingt die Grünen in Berlin das Bündnis in Hamburg wollen. Beim Thema Flüchtlinge dürfte es zwischen Grünen und SPD in Hamburg noch vergleichsweise leichtfallen, Kompromisse zu finden.

Hinter den Kulissen herrschte bei den Grünen schon an den Tagen vor der Wahl blanke Panik. Weil die Hamburger Grünen sich nicht von Anfang an klar für eine rot-grüne Koalition ausgesprochen hatten und die SPD sich zwischenzeitlich offen zeigte für ein Bündnis mit den Liberalen, setzte bei den Grünen das große Muffensausen ein. Die Ökopartei hat nicht das geringste Interesse daran, dass mit einem Bündnis zwischen SPD und FDP in Hamburg ein bundesweiter Präzedenzfall geschaffen wird. Schon allein deshalb dürften die Hamburger Grünen weitreichende Zugeständnisse an die SPD machen. Bleibt die Frage, ob die grüne Basis, die noch immer für Überraschungen gut war, dabei dann auch noch mitmacht.

Mit der FDP hätte Scholz bei allen verkehrs- und infrastrukturellen Themen wohl ein sehr viel leichteres Spiel. Entsprechende Gedankenspiele über ein solches Bündnis hatte er zuletzt mit dem Satz abgewiesen: „Sozialliberal bin ich selbst.“ Sollten die Grünen den souveränen Wahlsieger aber zu sehr ärgern, könnte er die Liberalen doch noch fragen.

Die könnten in diesem Fall ihr Glück kaum fassen, wären wohl kompromissbereit – und könnten mit ihren 7,4 Prozent ohnehin nicht ganz so viele Ansprüche stellen wie die Ökopartei. Auch bundespolitisch wäre ein sozialliberales Bündnis interessant. Der Glaube an den Erfolg eines „rot-grünen Projekts“ auf Bundesebene hat bei Grünen wie Sozialdemokraten seit der Bundestagswahl 2013 schwer gelitten.